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# taz.de -- VW, Mercedes und die anderen: Elektroauto als Feind
> Die deutsche Autoindustrie hat sich mit ihrer Abwehrhaltung selbst in die
> Krise manövriert. Der Imageverlust von Tesla mildert nur ihre Schwächen
> ab.
Bild: Taucht die deutsche Autoindustrie noch mal auf? Hier baut ein Arbeiter be…
Es war im März 2014. Am Vorabend des Genfer Autosalons wurde der damalige
VW-Aufsichtsrat Ferdinand Piëch von Journalisten auf den Markterfolg des
aufblühenden Elektroauto-Pioniers Tesla angesprochen. Piëch antwortete mit
gewohnter Attacke: Tesla-Autos seien brandgefährlich, weil die Batterien
schnell Feuer fingen. VW werde keine brennenden Autos bauen, spottete
Piëch: [1][„Für so etwas habe ich keinen Platz in meiner Garage!“] Lachen
in der Runde.
Das Lachen ist VW und den anderen deutschen Automobilfirmen schnell
vergangen. Tesla und die chinesischen Firmen sind ihnen in den Folgejahren
zügig davongefahren. Elf Jahre nach Piëchs Ausfall gegen die
Elektromobilität, im Herbst 2025, melden VW, Mercedes, Porsche und Co [2][–
mit Ausnahme von BMW –] schlechte bis katastrophale Bilanzen, teilweise mit
Milliardenverlust. Die deutsche Automobilindustrie steckt in einer tiefen
Krise.
In den USA sorgen Trumps Zollkapriolen für zurückgehende Verkäufe. Und auf
dem wichtigsten Automarkt der Welt, in China, verlieren die über viele
Jahre führenden deutschen Automarken jedes Jahr mehr Marktanteile. Dieses
Jahr haben zwei von drei in China neu zugelassene Autos einen
Elektroantrieb. Schaut man sich die dortigen Verkaufszahlen genauer an,
findet man in den Top Ten der Elektroauto-Verkäufe kein einziges deutsches
Unternehmen mehr. Die chinesische Modellpalette ist ungleich größer und
attraktiver, die Autos sind sehr viel günstiger und sie sind technisch
innovativer. Tendenz: Es geht weiter bergab für die deutschen Hersteller.
Nicht nur in China und in den USA – im Vorjahr waren weltweit mehr als 70
Prozent aller verkauften Elektroautos chinesische Modelle. Brasilien,
Thailand, Indonesien, Vietnam, Mexiko – all diese Länder stehen für
explosives Wachstum ihrer Elektroautoflotte. Die mit Abstand größten
Verkäufer sind auch dort chinesische Hersteller. In einigen Ländern sind –
vor allem bei Kleinwagen – die aus China importierten Modelle inzwischen
günstiger als die fossilen Fahrzeuge der gleichen Klasse.
Während der Hochlauf der Elektroautos weltweit weiter Fahrt aufnimmt,
versucht die Bundesregierung den Rückwärtsgang einzulegen. Ihr wichtigstes
Projekt: das Verbrenner-Aus mit Druck auf Brüssel möglichst lange zu
verhindern und gleichzeitig die Fata Morgana des synthetischen Benzins
(E-Fuels) am Leben zu erhalten. Als gäbe es doch noch einen fossilen
Notausgang. Und wenn es doch ein Elektroauto sein muss, dann unbedingt mit
benzingetriebenem Range Extender, dem Zusatzaggregat zur
Reichweitenverlängerung.
Das zunehmend verzweifelte Festhalten an Diesel- und Benzinfahrzeugen
verschärft nur die Krise und verhindert eine schnellere Aufholjagd. Noch
immer haben weder Volkswagen noch BMW, Mercedes oder Audi einen
konkurrenzfähigen Kleinwagen gebaut, der auch außerhalb Europas
Marktanteile zurückgewinnen könnte. Auf den europäischen Straßen sind drei
von vier Elektroautos große Limousinen, SUV-Dickschiffe oder Pick-ups. Mit
teuren Großkarossen wird man in Lateinamerika und auf vielen asiatischen
Märkten kaum reüssieren. Es sind Luxuswagen, keine Volkswagen.
Neben der fatalen Modellpolitik gibt es noch eine tiefere psychologische
Ursache für die Krise: Die deutsche Automobilindustrie hat das Elektroauto
nie als Fortschritt, sondern als Feind betrachtet. Es kam aus der grünen
Ecke angestromert, es war eng verbandelt mit der Impertinenz einer immer
strengeren Umweltgesetzgebung und ihren Abgasvorschriften. Es war
unterfüttert mit horrenden Todeszahlen, die nach Angaben der WHO jährlich
zu den Folgen der Luftverschmutzung gehören. Die Autoindustrie als Killer.
Die Chance, ein Auto mit weniger Lärm, ohne toxische Abgase und ohne
röhrendes Zwölfzylinder-Machogehabe zu entwickeln, wurde lange als Zumutung
angesehen. Klimakrise, Luftverschmutzung, die Endlichkeit des fossilen
Zeitalters, die Notwendigkeit einer Verkehrswende – das alles wurde
weitgehend ignoriert. Der Dieselskandal hat gezeigt, mit welcher
kriminellen Energie sich die Branche gegen sauberere, umweltfreundlichere
Autos gewehrt hat.
## Abwehrhaltung gegen Fortschritt
Und wir erinnern uns: Auch gegen die Einführung des Katalysators und des
bleifreien Benzins waren die Autobauer jahrelang Sturm gelaufen. Diese
Abwehrhaltung gegen den Fortschritt, gegen den „ganzen Umweltzirkus“, ist
aus der Politik stets nach Kräften unterstützt worden. Jetzt ist sie den
Managern mit dem „Benzin im Blut“ zum Verhängnis geworden. Natürlich waren
die chinesischen Hersteller lange im selben Paradigma gefangen. Aber die
chinesische Führung hat ihre Autoindustrie entschlossen auf einen anderen
Kurs gezwungen. Sie hat verstanden, welche historische Chance das
Elektroauto bietet – und dass mit dem elektrischen Antriebsmodell die
Karten neu gemischt werden.
Wie geht es jetzt weiter in deutschen Fertigungshallen? Eigentlich hat die
heimische Autoindustrie noch Glück. Durch den Imageschaden, den Tesla-Chef
Elon Musk mit seinem Kettensägemassaker und der Unterstützung für Trump,
die AfD und andere rechtsradikale Umtriebe angerichtet hat, ist ein
wichtiger Konkurrent womöglich dauerhaft angeschlagen. Dies ist der
wichtigste Grund, weshalb die Verkaufszahlen für VW-Elektroautos in Europa
noch relativ gut sind. Die Wolfsburger sind Hauptgewinner der Tesla-Krise.
Doch die Lage bleibt herausfordernd. Größtes Handicap: Noch immer fehlt der
deutschen Autoindustrie eine eigene Batterieherstellung. Der wichtigste
Baustein der Elektromobilität muss weiterhin teuer importiert werden. Zudem
sind Produktivität und Kosten in den deutschen Werken der
staatssubventionierten chinesischen Konkurrenz unterlegen. Es sieht
wirklich nicht gut aus für die deutsche Automobilindustrie und ihre
Zulieferer. Die jüngsten Quartalszahlen sind mehr als ein Warnschuss.
13 Nov 2025
## LINKS
[1] https://www.wiwo.de/technologie/mobilitaet/elektroautohersteller-in-der-kri…
[2] /Ueberraschend-gute-Verkaufszahlen-bei-BMW/!6123136
## AUTOREN
Manfred Kriener
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