| # taz.de -- Aktive Zivilgesellschaft in Tschechien: Zusammen gegen die Abrissbi… | |
| > Fünfzehn Jahre gemeinsam Probleme lösen: Das verbindet im tschechischen | |
| > Ostrava eine Nachbarschaft aus Roma und Nicht-Roma – contra alle | |
| > Anfeindungen. | |
| Bild: Antonín Baláž vor seinem Haus im Viertel Bedřiška im tschechischen O… | |
| Seit fast 30 Jahren lebt Antonín Baláž in Bedřiška, einem Stadtteil der | |
| ehemaligen Kohlebergbau-Stadt Ostrava im Nordosten Tschechiens, nahe an der | |
| Grenze zu Polen. Bedřiška, das sind drei Straßen, umgeben von Gleisen, | |
| Firmengeländen und Schnellstraße, mit zwei alten mehrstöckigen Gebäuden aus | |
| Ziegeln und vielen eineinhalbstöckigen Doppelhäusern aus Holz in | |
| sogenannter finnischer Bauart. In einem der Doppelhäuser wohnt auch Baláž, | |
| Rom und Straßenbauer. Seit 30 Jahren hangelt er sich von einem befristeten | |
| Mietvertrag zum nächsten – mal für drei, längstens für zwölf Monate. | |
| Baláž’ Haushälfte ist rosa verputzt, aber gegen den Kronleuchter, die | |
| Marmorvasen, die verzierten Schränke und Polstersofa drinnen sieht es von | |
| außen fast unscheinbar aus. Auch am Samstag kommt der Straßenbauer erst am | |
| Nachmittag von der Arbeit nach Hause. Müde knetet er seine großen kräftigen | |
| Hände und erzählt. | |
| In diesem Haus hat er drei Kinder erzogen, 1997 eine Firma gegründet, heute | |
| lebt er hier mit seiner Frau Janette Balážová und einem Teil seiner | |
| Familie. Er würde gerne einiges ändern, weiterrenovieren. „Dieses Fenster | |
| müsste getauscht werden“, zeigt er. „Aber nicht einmal Rosen darf ich | |
| pflanzen.“ Seit Jahren kann er baulich nichts an dem Haus verändern. | |
| Die Zukunft ist ungewiss: Der Mietvertrag wurde nicht verlängert. Zum 1. | |
| Oktober 2025 sollte Baláž mit seiner Familie das Haus verlassen. Doch er | |
| entschied sich, der Aufforderung nicht zu folgen, und will sich weiter | |
| rechtlich gegen den Stadtbezirk wehren. Jetzt sind seine Nächte schlaflos. | |
| Er zeigt zwei Tüten voller Beruhigungs- und Schlafmittel, die er gegen die | |
| Unruhe einnimmt. | |
| Baláž und seine Familie sind die ersten Roma im Viertel, die einer | |
| Verlassensaufforderung nicht Folge leisten. Baláž hatte Anfang August 2025 | |
| eine Verlängerung seines Vertrages beantragt und den Bezirksbürgermeister | |
| Patrik Hujdus besucht. Er möchte gleichberechtigt behandelt werden und wenn | |
| nicht unbefristet, dann jedenfalls bis 2029 einen Vertrag bekommen. So wie | |
| sein Nachbar in der anderen Wohnung des Hauses. Der habe einen Vertrag bis | |
| 2028, obwohl er erst seit 2021 dort lebe. Renovieren dürfe dieser auch. | |
| Baláž erinnert sich: „Der Bürgermeister hat mal gesagt, für jede 100.000 | |
| Kronen, die wir MieterInnen selbst in unsere Häuser investieren, könnten | |
| wir ein Jahr länger bleiben – höchstens bis 2029.“ Das sind etwa 4.150 | |
| Euro. Er habe insgesamt rund 800.000 Kronen, also rund 33.000 Euro | |
| eingebracht, bis ihm weitere Arbeiten untersagt wurden. Aus seiner Sicht | |
| hätte sein Vertrag daher mindestens bis 2029 verlängert werden müssen. | |
| Bei seinem Kampf um die Wohnung erhält Baláž Unterstützung – von vielen | |
| seiner NachbarInnen. Da ist zum Beispiel die Nicht-Romni Jiřina | |
| Štanglerová, die fast ebenso lange wie Baláž im Viertel wohnt. Was ihm nie | |
| gelang, schaffte sie vor vier Jahren: Ihr Mietvertrag wurde entfristet. Sie | |
| konnte zwei Hälften eines Hauses zusammenfügen und wohnt dort mit ihrer | |
| Familie. Die ausgebildete Köchin arbeitet als Putzfrau. Dass Nicht-Roma die | |
| Nachbarschaft mit Roma erhalten wollen, und umgekehrt, ist laut Umfragen | |
| auch in Tschechien leider recht selten. Aber Bedřiška ist ein besonderer | |
| Ort – weil seine BewohnerInnen ihn dazu gemacht haben. | |
| Doch die Stadt Ostrava weigert sich, Bedřiška an die BewohnerInnen zu | |
| verkaufen. Nachdem 1997 die Häuser im finnischen Baustil von der | |
| Bergbauminengesellschaft OKD a.s. auf die Stadt übertragen wurden, wurde | |
| der Kauf der dazugehörigen Grundstücke erst 2017 abgeschlossen. Die Häuser, | |
| so heißt es aus dem Rathaus, hätten das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht, | |
| eine Instandsetzung sei finanziell nicht mehr machbar. Das sehen die | |
| BewohnerInnen anders. Jetzt kämpfen Roma und Nicht-Roma gemeinsam dafür, | |
| dass sie hier bleiben und ehemalige BewohnerInnen dorthin zurückkehren | |
| dürfen. Das ist in Tschechien einzigartig, denn der Rassismus gegen Roma | |
| ist im ganzen Land virulent. | |
| 2018 erfuhren die BewohnerInnen von der Bezirksverwaltung, dass die | |
| Siedlung abgerissen oder umgewandelt werden soll. Zwischen Mai 2024 und | |
| Sommer 2025 sank die Zahl der BewohnerInnen von 82 auf 52. Zu Ende | |
| September dieses Jahres sind weitere Familien in die ihnen vom Bezirk | |
| alternativ angebotenen Wohnungen gezogen, aus Angst. | |
| Bevor Baláž nach Bedřiška kam, war er in einem anderen Viertel zu Hause. | |
| „Vorher lebten wir in einer Villa mit fünf Wohnungen – vier Roma-Familien | |
| und eine weiße“, sagt er. Doch die damalige Bürgermeisterin habe das | |
| Gebäude verkaufen wollen. Alle vier Roma-Familien kamen nach Bedřiška. | |
| Wohin die weiße Familie zog, weiß Baláž nicht. | |
| Vor 1997 hätten noch überwiegend Nicht-Roma in Bedřiška gelebt, erzählt er. | |
| Die Ghettobildung habe seiner Ansicht nach begonnen, als frühere | |
| BewohnerInnen wegzogen und in den 1990er Jahren gezielt Roma angesiedelt | |
| wurden – teils „gute“, teils „schwierige“ Familien, formuliert Balá�… | |
| Bis 2010 eskalierte die Stimmung zunehmend; die Siedlung sei mit | |
| Diebstählen, Drogen, Überfällen und Vandalismus in Verbindung gebracht | |
| worden. | |
| Bis es zu einem Brandanschlag kam, von Nicht-Roma-NachbarInnen auf ein von | |
| Roma bewohntes Haus. In dieser Situation begannen die BewohnerInnen, sich | |
| selbst zu organisieren, sich als Gemeinschaft Regeln zu geben. Jiřina | |
| Štanglerová, die seit 27 Jahren im Viertel wohnt, erinnert sich. „Zu Anfang | |
| war es die Hölle. Irgendwann haben wir uns entschieden, was dagegen zu | |
| machen. Wir haben aufgeräumt. Wir haben uns mit den Roma getroffen und | |
| Regeln aufgestellt.“ | |
| Die „Regeln“ umfassen gegenseitigen Respekt, gegenseitige Hilfe und | |
| Beratung auch bei finanziellen Schulden, ein regelmäßiger Schulbesuch der | |
| Kinder. Außerdem wurde ein Communityzentrum eröffnet. Mit der Zeit | |
| entstanden Freundschaften zwischen Roma und Nicht-Roma. | |
| Nach der Arbeit kommt Antonín Baláž in dieses [1][Communityzentrum.] Hier | |
| wird Nachhilfeunterricht gegeben, werden Kurse oder Nähworkshops angeboten. | |
| Der Raum ist mit Kohle beheizt, die Wände sind dekoriert mit Blumen- und | |
| Schmetterlingsaufklebern, verblichene Fotos erzählen von der langen | |
| Geschichte, auf die die selbstorganisierte Arbeit hier zurückschaut. | |
| Draußen ist der Rasen fein gestutzt, überall stehen Mülltonnen, vor der Tür | |
| gibt es auch Sitzgruppen und einen Spielplatz. Auf einem Schild prangt der | |
| Name der Siedlung, darunter fassen sich eine weiße und eine schwarze Hand. | |
| An alle der zehn ursprünglichen Regeln erinnert sich keiner und keine mehr. | |
| Das hält auch Eva Lehotská für einen Erfolg: „Siehst du, wir haben die | |
| Regeln verinnerlicht, sie umgesetzt!“ | |
| Lehotská ist die „inoffizielle Sprecherin der Community“. Sie lebt seit | |
| etwa 17 Jahren im Viertel. Seit 2010 ist sie intensiv aktiv, „um die | |
| Lebensbedingungen der Menschen hier zu verteidigen und ihnen zu helfen“, | |
| erzählt sie. „Das ist weniger eine Arbeit, sondern eine Herzenssache, mit | |
| den Menschen an ihren Bedürfnissen zu arbeiten, was sie brauchen.“ Ihre | |
| Tochter, Lydie Habustová, ist seit Jahren eng mit der alleinerziehenden | |
| Mutter und Romni Helena Polhošová befreundet, die im oberen Stock des | |
| Communityzentrums wohnt. Dass sich die Umgebung selbstorganisiert | |
| verbessert, das wird vor allem von Frauen getragen. Auch die Wohnhäuser, | |
| alt und teils in einem schlechten Zustand, wurden repariert. Mit | |
| gegenseitiger Hilfe. | |
| Fünfzehn Jahre gemeinsames Problemlösen haben aus der Nachbarschaft einen | |
| sozialen Raum entstehen lassen. „Wir fühlen uns als Familie“, das sagen | |
| alle GesprächspartnerInnen. Aus einer eskalierten und angespannten | |
| Situation in einem sogenannten Problembezirk wurde ein ruhiger Ort, an dem | |
| Roma und Nicht-Roma respektvoll miteinander sprechen, viel gemeinsam | |
| lachen, sich Anekdoten und Geschichten erzählen. | |
| „Für mich gibt es keine Institutionen – außer Eva“, sagt Baláž. Auf d… | |
| Frage, warum Štanglerovás Vertrag entfristet wurde, während er seine | |
| Haushälfte verlassen soll und warum sein Nachbar einen Vertrag bis 2028 | |
| erhalten habe, obwohl dieser erst seit 7 Jahren dort lebe, reagiert er – | |
| trotz der Ruhe, die er meist ausstrahlt – sichtlich bewegt. „Wir | |
| unterscheiden uns hier nicht – ob du schwarz oder weiß oder orange oder | |
| gelb bist.“ | |
| Er habe im Laufe seines Lebens viel Rassismus erfahren und sei deshalb | |
| sogar mal nach Kanada ausgewandert. Mit seiner Hautfarbe, so sagt er, | |
| spiele es keine Rolle, welche Ausbildung er habe, wie viel Geld er verdiene | |
| oder wie er sich verhalte – er werde stets auf seine Zugehörigkeit | |
| reduziert. Als Rom gelte er als jemand, der „stinke, stehle, Alkoholiker | |
| sei, spiele, viele Kinder bekomme und dem Staat zur Last falle“. Nie werde | |
| erwähnt, dass Roma auch anderen Menschen Arbeit geben könnten. | |
| Baláž hat in seiner kleinen Firma ein paar Angestellte. „Ich hab hier meine | |
| Buchhalterin, die das bestätigen kann.“ Er blickt zu Eva Lehotská. Die will | |
| über etwas anderes sprechen. „Ich hoffe, dass Bedřiška das Beispiel wird, | |
| wo dieser Rassismus überwunden wird“, sagt sie. „Die ethnischen Tschechen | |
| sind anderen Minderheiten gegenüber toleranter als den Roma. Die wollen sie | |
| nicht als Nachbarn haben.“ | |
| Dafür gibt es in den letzten zwei Jahrzehnten viele Beispiele, manche ganz | |
| in der Nähe. Die Tendenz ist, die Roma aus dem Zentrum an den Stadtrand und | |
| von da in die Dörfer zu verschieben. „Ich frag’ mich, wie weit das geht. | |
| Das Land ist nicht unendlich, irgendwo müssen Roma leben. Wenn Ghettos | |
| entstehen, ist das erfahrungsgemäß nicht gut“, sagt Lehotská. „Wenn Roma | |
| und ‚Ethno‘-Tschechen zusammenleben, können sie sich gegenseitig | |
| bereichern.“ | |
| Früher, vor über zwanzig Jahren, wollten die meisten Menschen Bedřiška | |
| verlassen. Die Anbindung der abgelegenen Siedlung ist dürftig, es gibt | |
| keinen Supermarkt. „Am Ende der Straße wohnt ein alter Mann, für den wir | |
| regelmäßig mit einkaufen“, erzählt Jiřina Štanglerová, die Nachbarin von | |
| Baláž. Der alte Mann sei der letzte der einstigen Minenarbeiter. | |
| Auch die Mutter von Štanglerovás Ehemann lebte schon früher hier. „Wenn | |
| unsere Verwandten uns jetzt besuchen, sehen sie die Entwicklung, die das | |
| Viertel genommen hat. Mittlerweile würden sie gerne wieder herziehen“, sagt | |
| sie. „Es hat Jahre gedauert, bis sie sich wieder hierher getraut haben.“ | |
| Jetzt ist die Atmosphäre ruhig. Und es gibt positive Bildungskarrieren. Das | |
| ist selten im segregierten tschechischen Schulsystem, in dem viele Kinder | |
| aus Romafamilien in sogenannte Sonderschulen sortiert werden. | |
| Im Dezember 2022 führte die tschechische Regierung die erste | |
| Roma-Beauftragte, Lucie Fuková, ins Amt ein. Sie wies bereits 2021 auf die | |
| soziale Lage und auf die schlechte Gesundheitssituation der Roma in | |
| Tschechien hin. „Im Durchschnitt sterben Roma 18 Jahre früher als | |
| Nicht-Roma in Tschechien. Es sollte ein politisches Thema werden“, sagte | |
| Fukova in einem Interview mit dem [2][Online-Magazin HateFree]. Damals war | |
| sie noch Regionalkoordinatorin der staatlichen Gesundheitsbehörde. | |
| ## Integrationsleistung von unten | |
| Das große Potenzial, das die BewohnerInneninitiative von Bedřiška hat, | |
| müsste eigentlich alle interessieren, die für bezahlbare Mieten, | |
| ökologisches Wohnen, Tausch- und Teilgemeinschaften sind, meint Lehotská. | |
| Diese „Integrationsleistung von unten“ nutzten zum Beispiel AkteurInnen aus | |
| anderen Vierteln in Ostrava für EU-Förderanträge oder einfach, um darüber | |
| positiv zu berichten. Etliche akademische Abschlussarbeiten beschäftigen | |
| sich mit dem ungewöhnlichen Nachbarschaftsprojekt. „Es waren Menschen von | |
| EU-Projekten hier. Die Art und Weise, wie wir das hier machen, sei | |
| einzigartig. Sie wollen das auf andere Orte übertragen. Wir haben versucht, | |
| die Probleme komplex zu lösen, also Schule, Arbeit, familiäre Probleme | |
| zusammenzudenken.“ | |
| 2024, zum Internationalen Romatag am 8. April, beschloss die tschechische | |
| Regierung unter Petr Fiala eine offizielle Definition des Begriffs | |
| Antiromaismus. Außerdem verurteilte sie die Diskriminierung von Roma | |
| aufgrund von Vorurteilen. Die Definition ist symbolisch und nicht | |
| rechtsverbindlich, gilt aber als Veränderung des politischen Willens. Zuvor | |
| war beschlossen worden, dass zwangssterilisierte Romni entschädigt werden | |
| sollten. 2024 wurde eine Gedenkstätte in Lety eröffnet, dort, wo während | |
| des Zweiten Weltkrieges in einem KZ Roma und Sinti inhaftiert waren. | |
| Jahrzehntelang war später gegen eine auf dem Gelände gelegene Schweinemast | |
| gekämpft worden, die schließlich abgerissen wurde. | |
| Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel war im Sommer 2024 zu Besuch in | |
| Bedřiška, er hält die Siedlung für ein einmaliges Beispiel. Er drückte den | |
| Bewohnern seine Unterstützung aus, betonte in einem Post auf X, dass er sie | |
| auf seinen Reisen in andere „benachteiligte Gebiete stets als gutes | |
| Beispiel für bürgerschaftliches Engagement“ anführe. Doch in Ostravas | |
| Stadtregierung haben die BewohnerInnen von Bedřiška keine politischen | |
| Verbündeten. Das ungewöhnliche, so positiv erzählbare Projekt droht | |
| zerstört zu werden. | |
| Am 12. November 2025 hat der Abriss begonnen. Lehotská schickt Bilder und | |
| Videos von den Abrissarbeiten. Von einem Bagger, der ein Haus | |
| auseinanderreißt. Ein Mann steht auf dem Dach eines Anbaus. Er beugt sich | |
| herunter zu einem anderen, der sich mit einem Arm am Dach festhält, ein Fuß | |
| steht auf einer nur noch halb vorhandenen Regenrinne. Es wirkt | |
| dilettantisch. Ein anderer Mann steht auf einem Haufen abgerissener Bretter | |
| und hantiert mit einer Zange und bloßen Händen an einem Stromkabel. | |
| ## Stundenlang keinen Strom | |
| Die ganze Siedlung hatte wegen zerstörter Stromleitungen stundenlang keinen | |
| Strom, auch eine nahe gelegene Fabrik nicht. Die Stromzähler wurden nicht | |
| abmontiert, der Mitarbeiter einer Energiefirma suchte diese später im | |
| Schutt. Auf einem Foto ist ein Bagger zu sehen, von dem Haus stehen nur | |
| noch die Türrahmen der Eingangstür, ein Rest Mauer, überall liegen Bretter | |
| und darüber spritzt das Wasser. Ein Mann versucht, das Leck abzudichten. | |
| Bewohnerin Lydie Habustová kommentiert auf Instagram den Abriss, findet die | |
| Pläne der Stadtverwaltung unlogisch. „Wo werden die Putzfrauen wohnen, die | |
| Arbeiter, die die Straßen graben? Wo sollen sie wohnen, in Luxusresidenzen? | |
| Bei ihren Mindestlöhnen wohl kaum.“ | |
| Auf einem Foto sitzen fünf junge Menschen auf einem First: AktivistInnen, | |
| die die Siedlung mit einer Dachbesetzung unterstützen wollen. In den Händen | |
| Schilder: „Bedřiška überlebt!“, „Keine Luxusresidenzen – bezahlbares… | |
| für alle!“ Bei Temperaturen um die acht Grad ist das metallene Dach kalt, | |
| alle haben Wollmützen, dicke Schals und Handschuhe an. Der Abriss auch noch | |
| des letzten leeren Hauses ist fürs Erste verhindert. Jetzt will der | |
| Stadtbezirksrat beraten. Bisher wurden fünf Haushälften zerstört. Die | |
| sechste steht noch, es befinden sich Protestierende auf dem Dach. | |
| [3][Bedřika ist Thema geworden:] In den abendlichen | |
| Hauptnachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Medien sowie in | |
| einigen Magazinen. Die Regierungsbeauftragte für Menschenrechte, Klára | |
| Šimáčková Laurenčíková, bezeichnete jetzt die Siedlung als einzigartiges | |
| Beispiel für Integration und nachbarschaftliches Zusammenleben, ihre | |
| geplante Auflösung als moralisch und ethisch verwerflich. Die | |
| stellvertretende Senatspräsidentin Jitka Seitlová (KDU-ČSL) wandte sich an | |
| den Ombudsmann für Menschenrechte, Stanislav Křeček, er möge den Fall | |
| untersuchen, insbesondere in Hinblick auf das Recht auf Würde und Familie. | |
| Antonín Baláž ist gläubig. Nicht oft geht er in die Kirche. Aber er denkt, | |
| dass sein Glaube ihm helfe, stark zu sein, diese Zerreißprobe jetzt schon | |
| so lange auszuhalten. „Meine Frau sieht das genau wie ich. Vor allem | |
| abends, wenn es ruhig wird, setzt der Stress ein. Nachts bist du nicht so | |
| abgelenkt. Dann kommen die Gedanken: Was machen wir?“ | |
| 10 Dec 2025 | |
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| [3] https://deutsch.radio.cz/trotz-nachbarschaftlichem-engagement-ostrauer-sied… | |
| ## AUTOREN | |
| Allegra Schneider | |
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