| # taz.de -- Deutsch-jüdisch-israelisches Erbe: Das Jackett hängt am richtigen… | |
| > Ein Museum in Haifa erinnert an die deutschsprachigen Einwanderer, die ab | |
| > 1930 Palästina auf der Flucht vor den Nazis erreichten. | |
| Bild: Eine Wohnung, entstanden aus einer Riesenkiste, mit der die Familie zuvor… | |
| So viel Besuch werden Hugo-Zwi Schatzmann und seine Frau Gertrude-Lea in | |
| ihrem ganzen Leben nicht in der eigenen Wohnung gehabt haben. Das Ehepaar | |
| ist schon lange verstorben, doch ihre hölzerne Wohnstatt steht fast da wie | |
| am ersten Tag in der israelischen Küstengemeinde Nahariya. Nur befinden wir | |
| uns in einem gerade eröffneten Museum. | |
| Damals, in den 1930er Jahren, war diese winzige Behausung etwas | |
| Alltägliches in dem von deutsch-jüdischen Einwohnern geprägten Ort am | |
| Mittelmeer. Heute stellt die komplett aus Holz gefertigte Hütte etwas so | |
| Besonderes dar, dass sie ganz zu Beginn einer neuen Ausstellung steht. Die | |
| provisorische Bleibe des Ehepaars Schatzmann entstand nämlich aus der | |
| Riesenkiste, mit der sie zuvor ihren Umzug aus Nazi-Deutschland ins | |
| britische Mandatsgebiet Palästina bewerkstelligt hatten. | |
| „Lift“, so nannte man diese Vorläufer stählerner Container, [1][in die | |
| bisweilen Meerwasser hineinsickerte und das Umzugsgut verdarb]. Einmal | |
| ausgepackt fungierte der Kasten, nun mit hinein gesägten Fenstern und einer | |
| Tür versehen, als erste Heimat der Neuankömmlinge im gelobten Land. | |
| Viel ist es nicht, was dem Ehepaar als Wohnungseinrichtung diente: eine Art | |
| Wohnzimmer, ein paar Bücher, angeschlossen das einfache Bett, dazu die | |
| winzige Küche. Ach ja, an einem Kleiderhaken hängt da noch ein lang | |
| geschnittenes Jackett, fast schon als Mantel für die milden Wintertage | |
| Palästinas tauglich. Darüber wird noch zu sprechen sein. | |
| ## 1935 Flucht vor den Nazis | |
| Hugo-Zwi arbeitete fortan als Zimmermann, seine Frau Gertrude-Lea verdingte | |
| sich als Friseurin und Kinderkrankenschwester. Die beiden waren ja noch | |
| jung, er gerade einmal in den Dreißigern, sie erst 29, als die Nazis sie | |
| 1935 [2][zur Flucht in eine neue Heimat zwangen.] | |
| Heute stecken alle paar Sekunden neue Museumsbesucher ihre Nasen in die | |
| Wohnung des Ehepaars Schatzmann. Sie klopfen an hölzernen Wände, beschauen | |
| das enge Feldbett und blicken auf die Titel der wenigen, selbstverständlich | |
| deutschsprachigen Bücher im Regal. Fast alle der Eintretenden haben etwas | |
| gemeinsam mit dem verstorbenen Ehepaar und ihrer früheren Wohnung aus der | |
| Kiste: Ihre Vorfahren stammten ursprünglich aus deutschsprachigen Ländern. | |
| Viele von ihnen – zusammen mehr als 90.000 Menschen, davon rund 60.000 aus | |
| dem Deutschen Reich – flüchteten vor dem Nazi-Regime in das damalige | |
| britische Mandatsgebiet Palästina. | |
| Die Großeltern von Judith und Ciano Drafi, die jetzt im Wohnzimmer stehen, | |
| waren damals rechtzeitig aus Deutschland ausgereist, sie selbst kamen erst | |
| 1967 nach dem Sechstagekrieg aus der Schweiz nach Israel. Wohnungen wie die | |
| in einem ehemaligen Lift haben sie nicht mehr erlebt. Die beiden finden die | |
| Schau sehr gelungen. | |
| ## Deutsche Delikatessenläden mit Räucherwurst | |
| Es ist nur so: Bis weit in die 1980er Jahre hinein galt das Städtchen ganz | |
| im Norden Israels als deutscher Fixpunkt inklusive deutscher | |
| Delikatessenläden mit Räucherwurst, deutscher Gespräche über die neueste | |
| Spiegel-Ausgabe, gar einer deutschsprachigen Zeitung. Heute repräsentiert | |
| in Nahariya einzig das Café Pinguin an der Hauptstraße diese Tradition, wo | |
| es weiterhin gewaltige Buttercremetorten und Schwarzwälder Kirsch zu | |
| verzehren gibt. | |
| Längst ist die Stadt von russischsprachigen Einwanderern geprägt. Hugo-Zwi | |
| Schatzmann starb 1976, seine Frau sieben Jahre später. Von der ersten | |
| Generation der deutschsprachigen Einwanderer, denjenigen, die in den | |
| 1930ern schon erwachsen waren, ist so gut wie niemand mehr am Leben. Und | |
| auch die Menschen der zweiten Generation, die als Kinder nach Palästina | |
| kamen oder im jungen Israel geboren wurden, stehen in ihren Siebzigern oder | |
| Achtzigern. | |
| Sie haben noch Deutsch in ihren Elternhäusern gelernt und fühlen sich dem | |
| mitteleuropäischen Kulturkreis verbunden, so wie die 79-jährige Neomi | |
| Lehmann. Viele der Einwanderer, die sich, [3][anders als es die Zionisten | |
| vorgesehen hatten], schon in einem etwas gesetzterem Alter befanden, hatten | |
| enorme Schwierigkeiten mit dem Hebräischen, auch ihr Vater. | |
| „Hebräisch ist die Landesstrafe“, habe der gesagt, erinnert sich Lehmann, | |
| und die Kenntnisse des Vaters in der neuen Sprache seien tatsächlich „ein | |
| Desaster“ gewesen. Neomi lernte Hebräisch erst im Kindergarten, sagt sie. | |
| „Wir wuchsen in Wohnungen auf, die waren deutsch.“ | |
| ## Letzte lebende Zeitzeugen | |
| Die Musealisierung und Akademisierung der deutschsprachigen Juden in Israel | |
| geht Neomi Lehmann gegen den Strich. Die letzten lebenden Zeitzeugen | |
| müssten gehört, ihre Erinnerungen gesammelt werden, verlangt sie auf einer | |
| Tagung des Haifa Center for German and European Studies an der dortigen | |
| Universität. „Ich habe schon chinesischen Studenten Interviews gegeben“, | |
| sagt sie. An der Uni prägen Akademiker aus Israel und der Bundesrepublik | |
| die Vorträge. | |
| Jedoch, so viel sei zur Verteidigung der Wissenschaftler gesagt, gerade sie | |
| haben sehr viel zur Bewahrung des Erbes der Einwanderer geleistet. Die nun | |
| eröffnete Dauerausstellung im Hecht Museum von Haifa stellt insofern einen | |
| neuen Höhepunkt dieser Beschäftigung mit der deutsch-jüdisch-israelischen | |
| Vergangenheit dar. Dabei war den Einwanderern recht früh klar, dass es | |
| galt, die eigene Geschichte zu bewahren. | |
| Das erste entsprechende Museum entstand schon in den 1970er Jahren in | |
| Nahariya. Später zog die kleine Ausstellung in ein Industriegebiet in den | |
| Bergen des Galil um. Doch dann landeten all die Ausstellungstücke und dazu | |
| das Archiv mit mehr als einer Million Dokumenten in Kästen und Kisten, weil | |
| das Geld ausgegangen war. | |
| ## Glanzvolle Eröffnung | |
| Umso glanzvoller sieht die Wiedereröffnung in Haifa aus, bei der es sich | |
| angesichts eines neuen Konzepts und größeren Raums tatsächlich eher um eine | |
| Neueröffnung handelt. „Ich bin mächtig stolz!“, sagt Devorah Haberfeld, d… | |
| Präsidentin des Verbandes mitteleuropäischer Einwanderer in Israel. | |
| Es geht freilich nicht nur um Geschichte. Denn die Einwanderung der | |
| deutschsprachigen Juden nach Palästina ist auch ein Lehrbeispiel für all | |
| die Fehler, die eine Gesellschaft mit einer Migration machen kann. | |
| Erstaunlicherweise endete sie dennoch mit einem Erfolg. Sie kann zugleich – | |
| davon sind die versammelten Historiker in Haifa überzeugt –, als | |
| Anknüpfungspunkt gemeinsamer deutsch-israelischer Geschichte verstanden | |
| werden. | |
| So betrachtet ist das Museum viel mehr als nur eine Beschäftigung mit | |
| Vergangenem. Es weist darauf hin, wie eng verknüpft die Geschichte | |
| Deutschlands mit den heute lebenden Israelis ist. Schließlich stammen nicht | |
| wenige von eben diesen deutschen Juden ab. Als „eine Brücke in die Zukunft“ | |
| bezeichnet die anwesende Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) deshalb | |
| das Museum. | |
| Die Eröffnung in Haifa ist eine große Sache. Nicht nur die | |
| Universitätspräsidentin ist gekommen. Auch Prien, der deutsche und der | |
| österreichische Botschafter sind anwesend, ebenso einige | |
| Bundestagsabgeordnete. An diesem Abend ist Englisch die Lingua franca, denn | |
| Deutsch verstehen fast nur noch die ausländischen Gäste, die wiederum des | |
| Hebräischen nicht mächtig sind. | |
| Dann spricht der langjährige linke Bürgermeister von Haifa Jona Jahaw. Er | |
| enthüllt vor den Hunderten versammelten Nachkommen der deutschsprachigen | |
| Juden, dass auch er, 1944 geboren, einer von ihnen ist. Die Familie sei aus | |
| Köln gekommen. Und auch sein Vater habe sich furchtbar schwer mit dem | |
| Hebräischen getan. Er habe sich als Kind und Jugendlicher seiner Herkunft | |
| geschämt und sich geschworen, niemals dieses Deutschland zu besuchen. Am | |
| Ende habe er als Bürgermeister doch fahren müssen. | |
| ## Den richtigen Ton treffen | |
| Donnernder Applaus ist Jona Jahaw sicher. Er hat den Ton getroffen, der | |
| vielen der Versammelten aus den Geschichten ihrer Eltern und Großeltern | |
| bekannt ist. Es waren ja nicht nur Verständigungsschwierigkeiten. Die | |
| Einwanderer von damals waren unter den Juden Palästinas wenig willkommen. | |
| Diese stammten größtenteils aus Osteuropa. Viele von ihnen wussten, dass | |
| die deutschen Juden im Ersten Weltkrieg ihre in den Westen geflüchteten | |
| Verwandten als „Kaftan-Juden“ geschmäht hatten. Und zahlten es ihnen nun | |
| heim. | |
| Hinzu kam, dass, anders als bei vorhergehenden jüdischen | |
| Einwanderungswellen, diese Menschen aus Deutschland, Österreich, der | |
| Tschechoslowakei, Rumänien oder Ungarn eben nicht als zionistische Pioniere | |
| in Palästina anlangten, sondern als Flüchtlinge vor Hitler. „Kommen Sie aus | |
| Deutschland oder aus Überzeugung?“, so witzelten sie selbst über ihre | |
| Erfahrungen. Jeckes wurden die Einwanderer genannt, und das war durchaus | |
| abwertend gemeint. | |
| Der Begriff entstand einer Interpretation zufolge als Akronym für den | |
| begriffsstutzigen Juden. „Lernt Hebräisch!“, lautete die Aufforderung unter | |
| den zionistisch gesinnten Einwanderern. Doch viele der Neuen igelten sich | |
| ein. Rund um die Ben-Jehuda-Straße in Tel Aviv, ein früher bevorzugtes | |
| Wohngebiet der deutschen Juden, war Hebräisch wenig gebräuchlich. Wozu | |
| auch? Der Bäcker, der Metzger, der Milchverkäufer und die Bedienung im | |
| Caféhaus sowieso – alle sprachen sie Deutsch, denn sie waren ja selbst eben | |
| erst angekommen. | |
| „Kanton Iwrith“ nannten die Neuankömmlinge ihr Viertel, wobei „Kanton“… | |
| „kein Ton“ Hebräisch stand. So entstanden Sprach- und Kulturinseln in einer | |
| vermeintlich feindlich gesinnten Umgebung – etwas, was wir heute als | |
| Parallelgesellschaften etwa von arabischstämmigen Einwanderern in | |
| Deutschland bezeichnen. Und diese Sprachinseln sorgten nur für weitere | |
| Konflikte. | |
| Wobei hinzu kam, dass die Deutschen selbst so gar nicht dem zionistischen | |
| Modell entsprachen. Sollte ein 50-jähriger Beamter künftig Orangen | |
| pflanzen, eine 60-jährige Sekretärin Kühe melken? Sie galten als zu alt und | |
| damit zu unflexibel. Die meisten der deutschsprachigen Neuankömmlinge | |
| hatten durch das Nazi-Regime sehr viel verloren. Lukrative Jobs waren | |
| dahin, Erholungsreisen etwa nach Karlsbad ein Traum von gestern, kulturelle | |
| Ereignisse in der neuen Heimat Mangelware. | |
| ## Galuth, Exil der Juden in der Welt | |
| „Aliyah“, Hebräisch für Aufstieg, so wurden die Einwanderungswellen | |
| genannt, auch die fünfte, die deutsche. Es sollte ein Zeichen für das Ende | |
| des Galuth, des Exils der Juden verstreut in der Welt, sein. Aber für viele | |
| der Eingewanderten war der Neuanfang ein Abstieg. Es gab Kinder, die | |
| wechselten die Straßenseite, wenn ihre Eltern im öffentlichen Raum ins | |
| Deutsche fielen. | |
| Die Chefin des Verbands mitteleuropäischer Einwanderer Deborah Haberfeld | |
| war als Tochter jüdischer Einwanderer aus Wien so ein Kind. Deutsch war in | |
| Palästina als die Sprache Hitlers verhasst. Die Kinder schämten sich ihrer | |
| Eltern. Dieses traumatische Kapitel für die Einwanderer wird in der | |
| Ausstellung nur angedeutet. Eher geht es darin um die Erfolge der Menschen | |
| deutscher Zunge, die im damals rückständigen Palästina einen | |
| Modernisierungsschub auslösten. | |
| Es entstanden moderne Geschäfte mit Leuchtreklamen. Architekten des | |
| Bauhauses brachten den internationalen Stil nach Tel Aviv. Fabriken | |
| entstanden. Anders als die osteuropäischen Pioniere besaßen viele der | |
| Deutschen zumindest in den Anfangsjahren des NS-Regimes noch Geld, das sie | |
| zunächst auch in den Nahen Osten transferieren durften. „Die Verbringung | |
| von 4 silbernen Esslöffeln und 4 silbernen Kaffeelöffeln wird genehmigt“: | |
| Ein Schreiben des Oberfinanzpräsidenten Berlin von 1939 lässt erahnen, mit | |
| welchen Schikanen Auswanderer vor ihrer Abreise zu kämpfen hatten. | |
| ## Brennholz aus Möbeln | |
| Gewaltige Vertikos und Bücherschränke, die in den hölzernen Lifts ins Land | |
| kamen, zieren das Museum. Damals fanden sie in den engen Behausungen häufig | |
| keinen Platz und wurden zu Brennholz. Vor allem aber sehnten sich die | |
| Menschen in der für sie fremden Umgebung nach Leitlinien ihres früheren | |
| Lebens – und damit nach der deutschen Kultur. | |
| Der Historiker Joachim Schlör erinnerte in Haifa an die von Nadia und Ernst | |
| Taussig in Tel Aviv organisierten Diskussionsabende, die erst 1987 ihr Ende | |
| fanden. Das war nicht nur ein gemütliches Beisammensein deutschsprachiger | |
| Nostalgiker, dort gaben sich erstklassige Literaten wie Max Brod, Arnold | |
| Zweig oder Sammy Gronemann die Klinke in die Hand. Die Abende trugen Titel | |
| wie „Lessing – Leben und Werk“ oder auch „Briefmarken und ihre Bewertun… | |
| Ja, es gab damals sogar einen rührigen Verband deutschsprachiger | |
| Schriftsteller im Land. | |
| Wie bedrohlich die jüdische Mehrheitsgesellschaft manchen links | |
| eingestellten Einwanderern erscheinen musste, machte Esther Gardei in ihrem | |
| Vortrag über die Zeitschrift Orient deutlich, die von 1942 bis 43 in Haifa | |
| in deutscher Sprache erschien. Ein Bombenanschlag auf die Druckerei machte | |
| dem bei radikalen Nationalisten verhassten Blatt ein abruptes Ende. | |
| ## Deutsch-hebräische Kulturzeitschrift | |
| Deutsche und israelische Kultur (und alles dazwischen) sind damit nicht | |
| untergegangen. Bis heute erscheint mit Yakinton eine Kulturzeitschrift, | |
| herausgegeben vom Verband ehemaliger deutschsprachiger Einwanderer in | |
| Israel. Ein kleiner Teil der Seiten ist auf Deutsch, der größere auf | |
| Hebräisch. Schließlich verstehe kaum noch jemand die Sprache der | |
| Einwanderer aus den 1930er Jahren, sagt Herausgeberin Irit Chen. Nur noch | |
| „ganz wenige“ Alte kämen mit Deutsch besser zurecht, sagt die 37-jährige | |
| Enkelin deutscher Einwanderer. | |
| Jede der fünf jährlich erscheinenden Nummern widmet sie einem Thema. In der | |
| jüngsten Ausgabe geht es um die Pogromnacht vom 9. November 1938 und die | |
| Erinnerung an das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023. Aber eigentlich | |
| möchte Chen eher an Unbekanntes aus der Geschichte erinnern. Sie ist | |
| zugleich Chefin des Archivs deutschsprachiger Einwanderer an der Uni Haifa | |
| – kein Wunder, dass sich das in einer Kolumne niederschlägt, die aus den | |
| Beständen der Sammlung schöpft. | |
| Mosche Zimmermann hält im voll besetzten Auditorium die Festrede. Der | |
| 82-jährige Historiker erinnert an das politische Erbe der deutschsprachigen | |
| Einwanderer. Sie kamen aus einer gescheiterten demokratischen Gesellschaft, | |
| hielten aber an Recht und Gesetz fest. Auch heute erhebe der Jeckes-Verband | |
| immer dann seine Stimme, wenn die Regierung die liberalen Traditionen | |
| Israels in Frage stelle, sagt Zimmermann. | |
| Einst in den 1940er Jahren, als die gesellschaftliche Bedeutung der Jeckes | |
| am größten war, gründeten diese sogar eine eigene Partei namens Alija | |
| Chadascha (übersetzt etwa: Neue Einwanderung), die linksliberale | |
| Vorstellungen propagierte und für eine Aussöhnung mit der arabischen | |
| Bevölkerung eintrat. Sie wurde zwischen rechten Revisionisten und linken | |
| Arbeiterparteien zerrieben. So erfolgreich die deutschsprachigen | |
| Einwanderer in israelischer Wirtschaft und Bürokratie auch waren – in der | |
| Politik konnte sich kaum einer von ihnen durchsetzen. | |
| ## Keine Vorbilder mehr | |
| Heute, sagt Zimmermann im Gespräch mit der taz, seien deutschsprachige | |
| Einwanderer für die israelische Gesellschaft nicht mehr von großer | |
| Bedeutung. „Die Jeckes sind keine Vorbilder mehr“, bedauert er. Eher | |
| verliefen Konflikte zwischen aschkenasischen (europäischen) und | |
| sephardischen (orientalischen) Jüdinnen und Juden. Was bleibt außer | |
| musealen Erinnerungen und gut gehüteten Archivalien? | |
| Im Alltag sind die deutschsprachigen Einwanderer in Israel präsent – nur | |
| merkt das kaum noch jemand. Pünktlichkeit und ordentliche Arbeit sind | |
| Tugenden, die mit ihnen verbunden werden. Eine ganze Reihe deutscher Worte | |
| und Redewendungen hat es in den hebräischen Sprachschatz geschafft. | |
| Dazu zählen etwa die „Wärmflasche“ und das „Federbett“ – kein Wunde… | |
| diese Errungenschaften im vorjeckischen Zeitalter doch gänzlich unbekannt. | |
| Zur höchsten Bedeutung aber entwickelte sich der Apfelstrudel: Dieser | |
| gewinnt täglich millionenfache Bedeutung im @ – das Zeichen heißt in Tel | |
| Aviv ganz einfach Strudel. | |
| Gänzlich out ist schließlich die abwertende Bedeutung des Begriffs „Jecke�… | |
| Heutzutage gilt die Bezeichnung als Ehrentitel für unbestechliches, | |
| pünktliches und sauberes Verhalten anderen Menschen gegenüber. Der Name | |
| stammt demnach von den Jacketts ab, die die von Hitler vertriebenen | |
| Menschen in der glühenden Hitze der neuen Heimat nicht bereit waren | |
| abzulegen. Und so gesehen hängt das Jackett am Kleiderbügel des Ehepaars | |
| Schatzmann im Museum der deutschsprachigen Einwanderer genau richtig. | |
| 15 Nov 2025 | |
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| Klaus Hillenbrand | |
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