| # taz.de -- Kulturkampf Kino USA: Besser bekifft als bloß Nihilist | |
| > „Linke Eliten“ sind alle, die nicht bei drei in den Trump-Gospel | |
| > einstimmen. Wie der neue Anderson Film „One Battle After Another“ für | |
| > Diskussion sorgt. | |
| Bild: „One Battle After Another“ gilt als Oscar-Kandidat. Teyana Taylor als… | |
| Im Westen nichts Neues. Die Trump-nahe Alt-Right-Bewegung inklusive ihrer | |
| rechten Kommentatoren wirft [1][Paul Thomas Andersons neuem Film „One | |
| Battle After Another“] nämlich vor, ein „Left-wing“-Werk für linke Elit… | |
| zu sein. Aber „linke Eliten“ sind ja eh alle, die nicht bei drei in den | |
| Trump-Gospel einstimmen. Was er vom durch die bürgerliche Mitte ziehenden, | |
| aus Angst und Patriotismus geborenen No-Kings-Protest hält, hat der | |
| US-Präsident bekanntlich gerade deutlich gezeigt. Er scheißt darauf. | |
| Wortwörtlich. | |
| Auch der „American Psycho“-Autor Bret Easton Ellis lehnt – so berichtet | |
| jüngst die Variety – Andersons imposante [2][Thomas-Pynchon]-Adaption ab. | |
| Nach Eigenaussage war Ellis immer Anderson-Fan, dessen neuer Film sei | |
| allerdings ausschließlich so beliebt („One Battle After Another“ gilt als | |
| Oscar-Kandidat, und ist der in diesem Jahr bislang am besten bewertete Film | |
| auf der renommierten User-Kritikseite „Metacritic“), weil er „mit dieser | |
| Art linker Sensibilität übereinstimmt“, argumentierte Ellis letzte Woche in | |
| seinem Podcast. Linke Kulturmenschen würden den Film aus rein ideologischen | |
| Gründen in die Höhe loben. Denn es sei nun mal einfach „kein guter Film“. | |
| ## Was ist ein guter Film? | |
| Was ist denn „ein guter Film“, möchte man dem Schriftsteller da als | |
| ratlose, aber emsige Filmjournalistin entgegenrufen, und wenn tatsächlich | |
| klar wäre, was das ist – wieso macht dann nicht jede:r nur noch „gute | |
| Filme“? Und „gute Bücher“? Und was sind die präferierten Kriterien, um | |
| einen Film als „gut“ zu bezeichnen? Hat er die? Ich habe sie nicht. Ich | |
| versuche, sie bei jeder Evaluation neu zu bestimmen. | |
| Bei Anderson, würde ich sagen, war das nicht schwer: Wenn alle Gewerke | |
| (Schauspiel! Musik!) auf extrem hohem Niveau arbeiten, wenn etwas auf den | |
| momentan wichtigsten politischen Diskurs der Gesellschaft reagiert und | |
| dabei unterhaltsam ist, dann deutet schon vieles auf „guter Film“ hin. | |
| Zudem bleibt die Frage, ob man den Widerstand gegen ein totalitäres System, | |
| wie es von Anderson dargestellt wird, als „links“ bezeichnen kann. Sollte | |
| nicht jeder Mensch gegen Totalitarismus sein, egal in welche Richtung das | |
| Fähnchen hängt? | |
| Die Untergrundgruppe „French 75“ aus „One Battle After Another“, die im | |
| Übrigen nicht aus klassischen Held:innen, sondern aus bekifft-verstrahlten, | |
| egoistischen und rücksichtslosen Menschen besteht, lehnt sich gegen einen | |
| Polizeistaat auf, in dem Bürgerrechte (im Trump’schen Sinne) mit Scheiße | |
| übergossen werden. Gibt es zu diesem Freiheitskampf eine Option? | |
| Nichts dagegen zu tun, würde wohl mindestens von Angst zeugen. Vielleicht | |
| aber auch von Nihilismus. Neulich hörte ich in einem Polit-Talk die These, | |
| dass Menschen, die rechten Parteien zulaufen und deren designiertes | |
| Ausradieren von Bürgerrechten in Kauf nehmen, nicht etwa auf mehr Macht | |
| oder Gewalt oder eine bessere Position im Leben schielten, sondern im | |
| tiefsten Herzen nihilistisch seien. | |
| ## Toleranz, Achtsamkeit, Altruismus | |
| Nur Nihilist:innen verneinen (laut Duden-Definition) alle „positiven | |
| Zielsetzungen, Ideale und Werte“. Natürlich müsste man sich darüber einig | |
| sein, was „positive Werte“ sind – aber mit Toleranz, Achtsamkeit, | |
| Altruismus und Offenheit beziehungsweise ihren Antonymen kommt man schon | |
| recht weit. | |
| Vielleicht ist an der These was dran. Und sie vereint vieles. Bret Easton | |
| Ellis’ bekanntester Held aus „American Psycho“ war Nihilist. Auch bei | |
| Anderson finden sich Nihilist:innen, allen voran Protagonistin Perfidia | |
| Beverly Hills, der man den Spaß am Zerstören um des Zerstörens willen | |
| ansieht. Ihr Ex-Geliebter, der bekiffte Ex-Bomber „Ghetto Pat“ hat in | |
| seinem Leben so viele Joints inhaliert, dass für ihn ebenfalls nur noch | |
| wenig zählt („linke Elite“ ist er darob wohl nicht, eher „linksversifft�… | |
| Was ihm allerdings wichtig ist, bildet das moralische Zentrum des Films: | |
| seine Tochter. Sie schafft es, sich freizukämpfen, vom Polizeistaat und von | |
| verstrahlten Pops. Weil sie, anders als Trump, nicht auf die Meinung | |
| anderer scheißt. | |
| 25 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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