| # taz.de -- Film „One Battle After Another“: Trump wird diesen Film hassen | |
| > Paul Thomas Andersons Spielfilm „One Battle After Another“ ist virtuos | |
| > inszeniert. Der auf 35-mm gedrehte Film kritisiert den autoritären Umbau | |
| > der USA. | |
| Bild: Nicht der Big Lebowski, sondern einfach Bob (Leonardo DiCaprio) in „One… | |
| Donald Trump dürfte der Film nicht gefallen. Darin bekämpft eine | |
| bewaffnete Widerstandsgruppe einen faschistischen Polizeistaat, | |
| Einwander:innen werden aus einem brutalen Abschiebegefängnis befreit, | |
| Bundesbehörden als Reaktion auf ein Abtreibungsverbot in die Luft | |
| gesprengt, und in einer sogenannten Sanctuary City finden Migrant:innen | |
| Zuflucht vor den Razzien der Beamten der Einwanderungsbehörde ICE. | |
| Das trifft vermutlich nicht Trumps Geschmack guter Unterhaltung. Für ihn | |
| dürfte das alles vielmehr wie ein Propagandastück der in seinen Augen den | |
| Terror unterstützenden Demokraten oder gar der Antifa klingen, die er erst | |
| kürzlich als „kranke, gefährliche, radikale linke Katastrophe“ bezeichnete | |
| und diese Woche als „bedeutende terroristische Organisation“ einstufte. | |
| Es ist zudem fraglich, ob Warner Bros. den mit einer VistaVision-Kamera | |
| gedrehten 35-mm-Film heutzutage nochmals finanzieren, geschweige denn mit | |
| dem großzügigen Budget von rund 150 Millionen US-Dollar ausstatten würde. | |
| Angesichts des rasanten autoritären Umbaus der USA seit Donald Trumps | |
| zweiter Amtszeit und dem Kuschen der Mächtigen aus der Tech- und | |
| Unterhaltungsbranche vor dessen diktatorischen Allmachtsfantasien wirkt | |
| Paul Thomas Andersons neuer Film „One Battle After Another“ fast schon wie | |
| ein Anachronismus. Ein Anachronismus, der jenseits seiner politischen | |
| Aktualität vor allem ungemein Spaß macht und wohl einer der großen | |
| Oscar-Anwärter der Saison sein wird. | |
| Im Zentrum des Films steht der ehemalige Revolutionär Bob Ferguson, | |
| gespielt von Leonardo DiCaprio. Bekannt als Bombenbauer „Ghetto Pat“ | |
| gehörte er gemeinsam mit seiner durchtriebenen Partnerin Perfidia Beverly | |
| Hills (Teyana Taylor) zur Widerstandsgruppe French 75. In einem furiosen | |
| Auftakt erzählt Anderson von den Anschlägen und Befreiungsaktionen der | |
| Gruppe, bis sie, nach einem dilettantischen Banküberfall, unter der Leitung | |
| des US-Marshals Colonel Steven J. Lockjaw (Sean Penn) zerschlagen wird und | |
| jene Mitglieder, die nicht verhaftet wurden, untertauchen. | |
| ## Eine berechtigte Paranoia | |
| 16 Jahre vergehen, Bob Ferguson lebt mit seiner Teenagertochter Willie | |
| (Chase Infiniti) in der fiktiven Kleinstadt Baktan Cross irgendwo im | |
| sattgrünen Norden Kaliforniens. Aufgrund seiner sehr berechtigten Paranoia, | |
| Lockjaw könne ihn jederzeit aufspüren und ihm und seiner Tochter an den | |
| Kragen gehen, hat er über die Jahre sein Gehirn matschig gekifft und | |
| gesoffen. Perfidia, die Mutter des gemeinsamen Kinds, entschied sich kurz | |
| nach der Geburt gegen die Familie und für die Revolution. | |
| [1][Nach „Inherent Vice“ ist es Andersons zweite Arbeit, die auf einem Buch | |
| von Thomas Pynchon basiert]. Die Geschichte um den dauerbekifften | |
| Privatdetektiv Larry „Doc“ Sportello verfilmte er noch sehr romangetreu. Im | |
| vorliegenden Fall bediente er sich nur lose bei Pynchons 1990 erschienenem | |
| Roman „Vineland“. Während Pynchon von desillusionierten Hippies und | |
| Revolutionär:innen unter den repressiven Präsidentschaften Richard | |
| Nixons und Ronald Reagans in den 1970er und 1980er Jahren erzählt, versetzt | |
| Anderson seine durchgeknallte Geschichte in eine nahe Zukunft, die sich gar | |
| nicht so sehr von den heutigen USA unterscheidet. | |
| Neben den Grundzügen der Handlung ist Pynchons Einfluss an den skurrilen | |
| Figurennamen und ein paar weiteren schrägen Einfällen zu erkennen. So | |
| spielt ein Kloster mit Marihuana anbauenden Nonnen, die mit | |
| Maschinengewehren um sich schießen und sich als „Sisters of the Brave | |
| Beaver“ bezeichnen, ebenso eine Rolle wie ein dubioser Geheimbund | |
| einflussreicher Anhänger der White-Supremacy-Bewegung mit dem bescheuerten | |
| Namen „Christmas Adventurers Club“. | |
| ## Balance aus Spannung und Komik | |
| Was bei Pynchon das ausschweifende Fabulieren ist, findet sein Pendant in | |
| Andersons virtuosem Inszenierungsstil. Kaum ein Regisseur baut über mehrere | |
| Szenen hinweg eine solche Intensität auf wie Anderson und findet dabei | |
| durchweg die nötige Balance aus Spannung und Komik. | |
| Etwa, wenn Lockjaw mit seinen Truppen das nächtliche Baktan Cross | |
| infiltriert, während die dort Schutz suchenden Migrant:innen durch ein | |
| Tunnelsystem evakuiert werden und der verlotterte und unbeholfene Bob in | |
| seinem karierten Bademantel und getarnt mit schwarzer Skibrille und grauer | |
| Mütze auf der Suche nach einer Steckdose durch die Gegend stolpert, um sein | |
| Handy zu laden. Oder in einer grandiosen, minutenlangen | |
| Autoverfolgungsjagd gegen Ende des Films, die im Auf und Ab der abgelegenen | |
| Hügel Südkaliforniens einer Achterbahnfahrt gleicht. | |
| Leonardo DiCaprio zeigt in seinem Verschnitt aus tragischem Revolutionär | |
| und „The Dude“ aus „The Big Lebowski“, wie sehr er eigentlich für Kom�… | |
| geeignet ist. Großartig jene Szene, als Bob endlich sein Handy geladen hat | |
| und verzweifelt versucht, am Telefon von einem Mitglied der French 75 einen | |
| Notfall-Treffpunkt zu erfahren, dieses aber nach einem Codewort verlangt, | |
| das Bobs Matschbirne längst vergessen hat. | |
| ## Sean Penn ist eine Wucht | |
| Zur Flucht verhilft ihm letztlich der abgebrühte Karatelehrer Sensei Sergio | |
| (in einer grandiosen Nebenrolle: Benicio del Toro). In Bob steckt jedoch | |
| auch der Ernst eines liebenswürdigen und besorgten Vaters, der auf der | |
| Suche nach seiner Tochter Willie (Chase Infiniti spielt in ihrer ersten | |
| Filmrolle ihren großen Schauspielkollegen ebenbürtig) ist, die in die Fänge | |
| des völlig überzeichneten Ekelpakets Colonel Steven J. Lockjaw gerät. | |
| Sean Penn ist in dieser Rolle eine Wucht. Sein verstockter Gang, als hätte | |
| er sich in die Hosen geschissen, die muskelbepackten Oberarme, der | |
| dümmliche Militärhaarschnitt, sein seltsam unterdrückter Kiefer (sein Name | |
| ist Programm) – all das verleiht seiner Rolle eine irre Erscheinung. | |
| Trotzdem wirkt Lockjaw nicht wie eine lächerliche Karikatur, sondern wie | |
| ein durchtriebener Faschist, dem man besser nicht über den Weg läuft. | |
| „One Battle After Another“ ist Paul Thomas Andersons bisher gegenwärtigster | |
| Film. Viele seiner oft sehr eigenwilligen Arbeiten wie kürzlich | |
| [2][„Licorice Pizza“ (2021), seine Hommage an das San-Fernando-Valley der | |
| 1970er], das psychologische Kammerspiel [3][„Der seidene Faden“ (2017)] im | |
| London der 1950er oder sein Erdöldrama „There Will Be Blood“ (2007) zu | |
| Beginn des 20. Jahrhunderts richten den Blick in die Vergangenheit. Auch | |
| verzichtet er in seinem neuen Film auf seine fein ausgearbeiteten | |
| Figurenzeichnungen wie etwa in „Magnolia“ (1998) oder auch [4][„The Maste… | |
| (2012)]. | |
| Die Lust am Spektakel steht hier im Vordergrund. Die politische | |
| Dringlichkeit, mit der die Geschichte zu Beginn rasant an Fahrt aufnimmt, | |
| verpufft einerseits im Laufe der über zweieinhalb Stunden Spielzeit in | |
| Andersons Inszenierungsrausch. Andererseits bewahrt genau das den Film | |
| davor, eine allzu didaktische Antwort auf die Frage des richtigen | |
| Widerstands zu geben. | |
| „One Battle After Another“ wirkt wie der Film der Stunde, ohne dass er es | |
| beabsichtigte. Die Dreharbeiten waren längst vor Donald Trumps | |
| Amtseinführung im Januar abgeschlossen. Die fiktiven USA mögen so brutal | |
| und düster erscheinen wie die realen. Anderson hält dem Wahnsinn und dem | |
| Zynismus unserer Zeit mit seinem absurden Humor jedoch einen wohltuenden | |
| Optimismus entgegen. Die Kämpfe seiner Protagonist:innen werden | |
| weitergeführt, einer nach dem anderen. Ihre Welt ist eine Welt, für die es | |
| sich noch zu kämpfen lohnt. | |
| 24 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Obermeier | |
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