| # taz.de -- Fotografin über ihr NSU-Fotoprojekt: „Diese Morde fanden mitten … | |
| > Regina Schmeken hat die Tatorte des NSU fotografiert, um sich mit den | |
| > Opfern solidarisch zu zeigen. Ihre Fotos sind im Altonaer Museum zu | |
| > sehen. | |
| Bild: Hamburg-Altona, Schützenstraße: hier wurde Süleyman Taşköprü am 27.… | |
| taz: Frau Schmeken, der Titel Ihrer Ausstellung „Blutiger Boden. Die | |
| Tatorte des NSU“ spielt auf eine nationalsozialistische Ideologie an. | |
| Wieso? | |
| Regina Schmeken: Der Titel verweist darauf, dass alle, die ermordet wurden, | |
| in ihrem Blute liegend gefunden wurden, daher „blutiger Boden“. Und er | |
| verweist auf die nationalsozialistische Propagandaformel, nach der sich nur | |
| Deutsche auf deutschem Boden bewegen dürften, eben nur Menschen mit | |
| „deutschem Blut“. Der NSU begründete seine Taten mit dieser Ideologie und | |
| fühlte sich dadurch berechtigt, Menschen zu töten. | |
| taz: Was möchten Sie mit dieser Ausstellung zeigen? | |
| Schmeken: Ich bin zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren. | |
| Mit 20 war ich schon viel in Frankreich unterwegs und habe zu spüren | |
| bekommen, dass sich viele noch an den Krieg und die Verbrechen „der | |
| Deutschen“ erinnerten. In der BRD wurde spätestens nach 1968 viel getan, um | |
| an die Taten der Nationalsozialisten zu erinnern und diese aufzuarbeiten. | |
| „Nie wieder“ so hieß es, sollte so etwas in Deutschland geschehen. Nach den | |
| Verbrechen, die unsere Vorfahren begangen haben, und den Lehren, die daraus | |
| gezogen wurden, konnte man sich nicht vorstellen, dass dieses Gedankengut | |
| wieder auflebt. | |
| taz: Es ist aber wieder aufgelebt. | |
| Schmeken: Ich wollte versuchen, diesem Ungeist etwas entgegenzusetzen. Als | |
| ich die Tatorte des [1][NSU] besucht habe, hat mich das zutiefst | |
| erschüttert. Diese Morde fanden mitten unter uns statt, in unseren Städten, | |
| in unserem Alltag. Und sie wurden von sehr jungen Menschen aus | |
| ideologischen Gründen begangen. Das hat mich zunächst fassungslos gemacht, | |
| aber auch so wütend, dass ich den Impuls hatte, dazu ein | |
| Ausstellungsprojekt zu machen. | |
| taz: Kann Kunst im Bereich der Erinnerungskultur eine wichtige Rolle | |
| spielen? | |
| Schmeken: Meine Ausstellung ist nicht rein dokumentarisch. Die Spuren an | |
| den Tatorten waren ja längst verwischt. Das heißt, ich musste diese Orte, | |
| ihre Bedeutung und Ausstrahlung intuitiv erfassen, sie erspüren. Eine | |
| Journalistin hat mal geschrieben, dass es manchmal die Kunst braucht, um | |
| die Dimension einer Sache zu begreifen. Außerdem ist es ein Versuch, sich | |
| mit den Opfern und ihren Familien solidarisch zu zeigen. | |
| taz: Ihre Bilder zeigen, dass die Tatorte nicht irgendwo im Verborgenen | |
| liegen, sondern mitten in unserem Leben. | |
| Schmeken: Das ist das Erschreckende. Und die Täter waren feige, weil sie | |
| sich nicht zu ihren Taten bekannten. Das hat weiteres Leid über die | |
| Familien gebracht, weil die deutschen Behörden meistens nur in eine | |
| Richtung ermittelt haben, nämlich [2][in den Familien und deren Umfeld]. | |
| Dass die Täter rechtsradikal sein könnten, wurde ausgeblendet, obwohl sich | |
| zum Beispiel der damalige bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) | |
| diese Frage bereits nach dem ersten Mord gestellt hatte. Diesem Hinweis | |
| wurde jedoch nicht nachgegangen. Familienmitglieder der Opfer wurden | |
| hingegen verdächtigt. Im Fall des ermordeten [3][Enver Şimşek] wurde seiner | |
| Ehefrau erzählt, dass ihr Mann eine Geliebte hatte, um eine Reaktion zu | |
| provozieren und so mehr über die Geschehnisse innerhalb der Familie | |
| herauszufinden. Solche Methoden wurden vonseiten der Behörden eingesetzt, | |
| was die Angehörigen zusätzlich sehr belastete. | |
| taz: Die Aufarbeitung des NSU-Komplexes ist [4][bis heute lückenhaft]: War | |
| genau das für Sie auch ein Grund, künstlerisch Stellung zu beziehen, um an | |
| das Nicht-Aufgeklärte zu erinnern? | |
| Schmeken: Die Arbeit erinnert auch an nicht aufgeklärte Aspekte der Taten | |
| und sie ist der Versuch, eine Brücke zu schlagen. Ich möchte in einem | |
| vielfältigen und toleranten Deutschland leben. Wir haben viel von den | |
| Menschen gelernt, die aus anderen Kulturkreisen zu uns gekommen sind. Wir | |
| haben ihnen etwas zu verdanken. Wir sollten das Zusammenleben lernen, | |
| unsere Unterschiede akzeptieren und uns respektieren. Das mag idealistisch | |
| klingen, aber das ist mein Anliegen. | |
| 18 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Finn Sünkler | |
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