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# taz.de -- Jugendbuch zu NSU: Die Kraft der Solidarität
> Im Buch „Unser Schmerz ist unsere Kraft“ erzählen Gamze Kubaşık und
> Semiya Şimşek, deren Väter vom NSU ermordet wurden, von ihrem Kampf um
> Gerechtigkeit.
Bild: Mahnwache in Dortmund für die Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe NSU
Lange wurde geschwiegen, Familien wurden beschuldigt, traumatisiert,
ignoriert. Nun erzählt Christine Werner gemeinsam mit Gamze Kubaşık und
Semiya Şimşek die Geschichte zweier Töchter von Opfern des sogenannten
Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) – in ihren eigenen Worten. Das
bei Fischer Sauerländer erschienene, 190 Seiten starke Buch „Unser Schmerz
ist unsere Kraft“ mit Glossar lässt die beiden Frauen ihre Erinnerungen,
ihre Wut und ihren Kampf um Anerkennung zum ersten Mal gemeinsam erzählen.
Semiya Şimşek war vierzehn Jahre alt, als ihr Vater Enver Şimşek im Jahr
2000 ermordet wurde. Sechs Jahre später erschossen wurde Gamze Kubaşıks
Vater, Mehmet Kubaşık. Beide erlebten, wie die Polizei jahrelang im Umfeld
der Opfer ermittelte, anstatt rassistische Motive in Betracht zu ziehen.
Mit großer Offenheit sprechen sie über Schmerz, Depression, aber auch
Hoffnung und über ihre Freundschaft, die aus dem geteilten Leid entstanden
ist. „Wir sind Seelenschwestern“, sagen sie. „Ohneeinander hätten wir wo…
nicht weiterkämpfen können.“
Das Buch richtet sich an Jugendliche ab 14 Jahren. Es kombiniert
persönliche Erinnerungen, Gedächtnisberichte, Telefonate und Chatverläufe
mit erklärenden Passagen der Journalistin Christine Werner, die zentrale
Begriffe und Zusammenhänge erläutert, wie etwa Verfassungsschutz,
Untersuchungsausschuss oder den problematischen Medienbegriff „Dönermorde“,
mit dem die NSU-Morde lange verharmlost wurden.
## Die Rolle der Polizei und der Medien
Besonders eindrücklich wird durch das Buch die Empathielosigkeit deutlich,
mit der Polizei und Medien den Familien begegneten. Statt Trost zu spenden,
verdächtigten die Ermittler die Angehörigen, suchten in angeblichen
„türkischen Milieus“ nach Tätern und ignorierten Hinweise auf rechte
Gewalt.
Kubaşık beschreibt das Gefühl, sich plötzlich „fremd im eigenen Land“ zu
fühlen, obwohl sie selbst sich doch immer als „integriert und Deutsche“
verstanden hatte. Beide erzählen von quälender Ungewissheit, Ohnmacht und
dem Verletzungsgefühl, nicht ernst genommen zu werden, dort wo man
eigentlich auf staatliche Hilfe vertraut.
Die Journalistin Christine Werner hat die beiden Frauen über längere Zeit
begleitet und ist ihnen beim Schreiben immer näher gekommen, wie man an der
empathischen Schreibweise des Buches deutlich merkt. Zum 25. Todestag von
Enver Şimşek in Nürnberg erklärte Werner zuletzt, sie stehe fortan an ihrer
Seite und werde ihren Aufklärungskampf unterstützen.
## Mehr als ein Sachbuch
„Unser Schmerz ist unsere Kraft“ ist mehr als ein Sachbuch: Es ist ein Akt
der Selbstermächtigung. Kubaşık und Şimşek holen sich ihre Stimmen zurück,
die ihnen jahrelang genommen wurden. Sie zeigen, was es bedeutet, in
Deutschland aufzuwachsen und dennoch nicht selbstverständlich als Teil
dieser Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Das Buch macht begreifbar, wie
wichtig Empathie, Gerechtigkeit und Erinnerung sind und warum der Kampf
gegen den Rassismus immer eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft bleibt.
Zwischen 2000 und 2007 ermordete [1][der NSU] zehn Menschen. Neun von ihnen
wurden aus rassistischen Motiven getötet: Enver Şimşek, Abdurrahim
Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaş…
Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat. Dieses Buch gibt
den Hinterbliebenen ihre Macht zurück und erinnert daran, dass Solidarität
zur Kraft werden kann, die Veränderung möglich macht.
17 Oct 2025
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## AUTOREN
Yağmur Ekim Çay
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