| # taz.de -- Feministische Folklore aus Katalonien: Frauen, die den Teufel umarm… | |
| > Der neue Roman der katalanischen Autorin Irene Solá tanzt durch die | |
| > Jahrhunderte – widerspenstig, vulgär und zugleich poetisch. | |
| Bild: Ein geronnener Teich des Vergessens: Käse aus frischer Ziegenmilch | |
| Wie eine Szene aus einem spätmittelalterlichen Gemälde erscheint der Roman | |
| von Irene Solà. Durch Schleier der Vergangenheit zieht er hinein in eine | |
| Welt satter Farben und im Feuerschein verzerrter Körper: Frauen ringen in | |
| den [1][katalanischen Bergen] mit sich, dem Leben und der Unterwelt. | |
| Für die Hinwendung zum Teufel ist Joana verantwortlich. Die Urmutter begeht | |
| die Erbsünde, als sie einen Pakt mit dem Dämon schließt, [2][um einen Mann | |
| zu finden]. Doch weil das Einlassen mit dem Teufel einen Preis hat – „der | |
| zu hoch ist, immer“, wie sie sagt –, fehlt all ihren Nachkommen etwas: die | |
| Zunge, ein Stück des Herzens, ein Ohr oder das Gedächtnis. | |
| Joana, ihre Tochter Margarida und ihre Tochterstöchter bilden deshalb einen | |
| ungewöhnlichen Haufen in diesem Haus in Mas Cavill, in dem Männer nie lange | |
| und Frauen ewig bleiben, ob tot oder lebendig. Gegen alle Widrigkeiten | |
| erhalten sie ihr [3][abtrünniges Matriarchat] an diesem von der Welt | |
| vergessenen Fleck. Sie gackern, fauchen, furzen und gebären, haben Sex mit | |
| Tieren und Teufeln, unerschrocken und vulgär umarmen sie das Abnormale, das | |
| vermeintlich Böse, das Animalische. | |
| ## Altertümlich und zeitgenössisch zugleich | |
| Mit ihrer Verknüpfung von feministischer Mythologie, katalanischer Folklore | |
| und [4][magischem Realismus] erschafft Solà etwas Originelles, altertümlich | |
| und zugleich ins Heute ragend. Sie wandelt durch die Zeit, verschiebt | |
| Gegenwarten innerhalb weniger Sätze und erzeugt feine Gleichzeitigkeiten | |
| zwischen Figuren, die Jahrhunderte trennen. | |
| Ihre Prosa wechselt zwischen sanften Beschreibungen und ernsten Parataxen, | |
| macht Gewöhnliches poetisch, etwa an der Stelle, als Bernadeta Käse | |
| herstellt: „In aller Stille, ohne dass man es mitbekam, verwandelte sich | |
| die Milch in eine feste Masse, kompakt und seidig, die Bernadeta | |
| zerschnitt. Anschließend tauchte sie die Arme in dieses trübe Blut, lau wie | |
| Brühe und weiß statt rot. Ein geronnener Teich des Vergessens, in dem sich | |
| die Hände verloren, bis die Formen gefüllt wurden. Danach triefte alles.“ | |
| 260 Seiten reichen aus, um von diesen surrealen Existenzen erfasst zu | |
| werden. Wie die Vergangenheit nur durch ein paar Sätze von der Gegenwart | |
| getrennt ist, scheinen es auch die Frauen von den Lesenden zu sein. Gar | |
| glaubt man, sie kichern und gackern zu hören. | |
| 17 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Amelie Sittenauer | |
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