Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Klimakrise in der Literatur: Können Bücher uns retten?
> Am Mittwoch beginnt die Frankfurter Buchmesse. Immer mehr Autor*innen
> schreiben über das Leben auf einem erhitzten Planeten.
Bild: Gar nicht fiktiv, sondern ganz real: Zwei Frauen mit Baby fliehen vor Sta…
Leipzig taz | Sie habe gar kein Buch über die Klimakrise schreiben wollen,
sagt die nigerianische Autorin Abi Daré. Eigentlich hatte sie von Frauen,
Mädchen und [1][sozialer Ungleichheit in ländlichen Regionen von Nigeria]
erzählen wollen.
„Aber je tiefer ich vordrang, desto mehr erkannte ich, wie der
Umwelt-Kollaps alles durchdringt“, meint Daré. In ihrem Roman „And so I
Roar“ (dt. Und so brülle ich) muss die 14-jährige Adunni aus der Stadt in
ihr Dorf zurückkehren, um an einem Ritual teilzunehmen, das ihr Dorf von
den Auswirkungen des Klimawandels schützen soll. Daré gewann damit in
diesem Mai den ersten „Climate Fiction Prize“. Der Preis wurde ins Leben
gerufen, um Literatur zur Klimakrise und damit auch die Krise selbst mehr
in die den Fokus zu rücken.
Diese fiktive Klimaliteratur hat auch einen Namen: Climate Fiction oder
kurz Cli-Fi. Die Bezeichnung ist eine Anlehnung an Science Fiction und die
dazugehörige Kurzform Sci-Fi. Climate Fiction ist noch ein relativ junges
Genre, 2008 wurde es von dem Reporter Dan Bloom geprägt.
Zuerst fielen darunter vor allem Geschichten, die – oft dystopische –
Zukunftsbilder von einer Welt mit fortschreitendem Klimawandel zeichneten.
Einige der Cli-Fi-Erzählungen sind auch genauso fantastisch wie Sci-Fi.
Andere, wie „Das Flugverhalten der Schmetterlinge“ von Barbara Kingslover,
das beschreibt, wie Klimaveränderungen Monarchfalter beeinflussen, sind
sehr viel näher an der Realität.
## Ein Platz für Klimagefühle wie Angst und Trauer
Der Autor Uwe Laub hat im vergangenen Jahr den Verein Climate Fiction
Writers Europe gegründet. Er meint, Climate Fiction sei in der
deutschsprachigen Literaturszene „völlig unterrepräsentiert“ und viele
Verlage würden „grüne Themen“ meiden. Das will Laub ändern. Für die
Frankfurter Buchmesse, die am Mittwoch beginnt, [2][hat er deswegen eine
Podiumsdiskussion organisiert].
Die Geschichten, die Laub selbst schreibt, finden oft im Setting der
Klimakrise statt – beispielsweise der Bestseller-Thriller „Sturm“ von 201…
in dem es um Wettermanipulationen geht.
Für die Literaturwissenschaftlerin Julia Hoydis, die an der Universität
Graz zu Klimawandel-Narrativen in kulturellen Darstellungen forscht, ist
das Genre wichtig: „Kommunikation zum Klimawandel scheitert seit Jahren,
Literatur kann Menschen anders und emotionaler erreichen“, meint sie.
Climate Fiction könne auch ein Raum sein, in dem Klimagefühle wie Angst und
Trauer einen Platz finden.
Das Genre boomt richtig, es gibt immer mehr literarische
Veröffentlichungen, die die Klimakrise in den Mittelpunkt stellen.
Aufmerksamkeit bekommen haben beispielsweise das 2023 erschienene
„Umlaufbahnen“ von Samantha Harvey oder „Das Ministerium der Zeit“ von
Kaliane Bradley, das im vergangenen Jahr erschien. Auffällig ist, dass
CliFi mittlerweile oft zeitlich viel näher an der Gegenwart spielt als
klassische SciFi-Geschichten.
Der Bestseller „Das Ministerium für die Zukunft“ von Kim Stanley Robinson
wurde 2020 veröffentlicht und spielt im Jahr 2025. Es diskutiert die Frage,
ob Klimaschutz den Einsatz von Gewalt rechtfertigt und fühlt sich an vielen
Stellen fast hyperrealistisch an.
## Realität überholt Fiktion
Weil die Klimakrise eine zunehmend größere Rolle in unserem Leben spiele,
sei es logisch, dass sie auch in der Literatur wichtiger werde, meint
Wissenschaftlerin Hoydis. „Klima ist nicht nur ein wissenschaftliches
Thema, sondern auch ein kulturelles, das viel mit unserem Miteinander zu
tun hat“, sagt sie.
Die mehr als 50 Autor*innen von Climate Fiction Writers Europe arbeiten
deshalb daran, Geschichten zur Klimakrise bekannter zu machen. Neben dem
Auftritt auf der Buchmesse bereitet der Münchner Verein einen
Schreibwettbewerb vor. Uwe Laub ergänzt: „Die wenigsten Menschen kaufen
hochkomplexe Sachbücher, aber wenn man die Klimakrise in eine spannende
Geschichte packt, dann bleibt schon was hängen.“
Wie groß der Einfluss von Cli-Fi als Ergänzung zu klassischer
Wissenschaftskommunikation tatsächlich ist, steht nicht fest: [3][Eine
Studie] kam zu dem Ergebnis, dass die Lektüre von Cli-Fi kurzfristig sowohl
die Überzeugung erhöht, dass der Klimawandel real und menschengemacht ist,
als auch das Bewusstsein für die Risiken verstärkt, die damit einhergehen.
Langfristig lasse dieser Effekt aber nach. Hinzu kommt: Häufig erreicht
Cli-Fi laut Hoydis oft Menschen, die sich sowieso schon mit dem Thema
beschäftigen.
Aktuell überholt die Realität an einigen Stellen schon die Fiktion – die
Klimakrise liegt nicht mehr in ferner Zukunft, häufigerer Starkregen oder
ungekannte Dürren und Hitzewellen sind längst da. Eine Hitzewelle in
Indien, wie sie „Das Ministerium für die Zukunft“ beschriebt, hat im
vergangenen Jahr [4][tatsächlich] mehr als 700 Menschen getötet.
Literaturwissenschaftlerin Hoydis fragt sich deshalb, wie lange man Cli-Fi
als Genre überhaupt noch klar abgrenzen kann. Texte, die mit der Gegenwart
oder der Zukunft zu tun haben, müssten schon jetzt fast unausweichlich die
Klimakrise thematisieren. „Die warnende Funktion von Cli-Fi rückt deswegen
in den Hintergrund“, meint sie.
Auch die Möglichkeit, die Klimakrise etwa noch mit technischen Lösungen
aufzuhalten, werde seltener beschrieben. „Stattdessen beschreibt Literatur
jetzt immer mehr eine Welt mit Adaptation, in der die Überlebenden
klarkommen müssen“, sagt Hoydis. Was sie allerdings vermisst – und da
kommen Fiktion und Realität wieder näher zusammen – sind hoffnungsvollere,
utopische Erzählungen von einem positiveren Ausgang der Klimakrise.
13 Oct 2025
## LINKS
[1] /Krise-in-Nigeria/!6099473
[2] https://uwelaub.de/de/19-10-2025-frankfurter-buchmesse/
[3] https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/17524032.2020.1814377
[4] https://www.downtoearth.org.in/climate-change/seeing-red-india-had-over-700…
## AUTOREN
Lisa Kuner
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Literatur
Science-Fiction
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
Social-Auswahl
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
Autorin
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wissenschaftlerin über Öko-Horror-Roman: „Der Klimawandel hat etwas Monstr�…
Im Roman „Auslöschung“ schlägt die Umwelt zurück. Sonka Hinders über si…
auflösende Grenzen – zwischen Ländern, aber auch zwischen Mensch und Natur.
Feministische Folklore aus Katalonien: Frauen, die den Teufel umarmen
Der neue Roman der katalanischen Autorin Irene Solá tanzt durch die
Jahrhunderte – widerspenstig, vulgär und zugleich poetisch.
Fiona Sironics nominiertes Romandebüt: Es gibt ein Leben nach dem Aussterben
„Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft“ von
Fiona Sironic ist Coming-of-Age-Roman und Climate Fiction zugleich.
Katharina Hagena über das Schreiben: „Man erreicht Menschen über Schicksale…
Bestsellerautorin ist Katharina Hagena schon, jetzt wird sie außerdem
Naturführerin. Ein Gespräch über Krötentunnel und ihren Blick auf
Literatur.
Klimawandel in der Literatur: Apokalypse ciao
Die Klimakrise kommt längst in Kunst und Kultur vor. Ein Blick auf die
Klima-Fiktion zeigt: Der Trend geht weg vom Weltuntergang, hin zur
Ermutigung.
Autor über die Klimakrise in Romanen: „Es wird Leid geben und Gewalt“
Literatur, die realistisch bleiben will, muss den Klimawandel behandeln.
Ein Gespräch mit dem Science-Fiction-Autor Kim Stanley Robinson.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.