| # taz.de -- Wissenschaftlerin über Öko-Horror-Roman: „Der Klimawandel hat e… | |
| > Im Roman „Auslöschung“ schlägt die Umwelt zurück. Sonka Hinders über … | |
| > auflösende Grenzen – zwischen Ländern, aber auch zwischen Mensch und | |
| > Natur. | |
| Bild: Die Umwelt erscheint im Roman „Auslöschung“ als unheimlich: Sie läs… | |
| taz: Frau Hinders, warum ist es heute interessant, über den | |
| Science-Fiction-Roman „Auslöschung“ aus dem Jahr 2014 nachzudenken? | |
| Sonka Hinders: In dem Buch geht es um Aktuelles wie Umweltthemen und | |
| Klimawandel. Der [1][US-amerikanische Autor Jeff VanderMeer] hat gesagt, | |
| dass er durch die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zu dem Roman inspiriert | |
| wurde. Und da kann man ja heute gut anknüpfen. | |
| taz: Sie ordnen den [2][Roman ins Genre „Öko-Horror“] ein. Was meinen Sie | |
| damit? | |
| Hinders: Die Umwelt erscheint im Roman als unheimlich, weil sie sich nicht | |
| von Menschen kontrollieren lässt, sondern im Gegenteil selber in den | |
| Menschen eingreift. Für die Menschen ist die Idee solch einer | |
| unkontrollierbare Ausbreitung gruselig. Und der Roman gibt der Umwelt eine | |
| Autonomie, die wir in der realen Welt gar nicht sehen. | |
| taz: Liegt der Witz bei dem Roman also darin, dass die Umwelt | |
| zurückschlägt? | |
| Hinders: Ja, alle Menschen, die auf Expeditionen in eine geheimnisvolle | |
| Zone geschickt werden, verschwinden, werden getötet oder sind total | |
| verändert, wenn sie wieder auftauchen. Damit entspricht dieser Roman sehr | |
| gut der Monstertheorie. Diese besagt, dass Monster immer bestehende Ängste | |
| und gesellschaftliche Tabus verkörpern, die als das Andere dargestellt | |
| werden, das von der Gesellschaft ausgegrenzt wird, aber gleichzeitig auch | |
| immer ein Teil dieser Gesellschaft bleibt. Ich denke, man kann das als eine | |
| Analogie zum Klimawandel lesen, der ebenfalls etwa Monströses an sich hat. | |
| taz: Diese Science-Fiction Geschichte spiegelt für Sie also die realen | |
| Verhältnisse in den USA von heute? | |
| Hinders: Tatsächlich ist sie ja gar nicht so weit entfernt von dem, wie wir | |
| leben. Denn wie wir leben, wird ja tatsächlich sehr stark durch die Umwelt | |
| beeinflusst. Der menschliche Körper funktioniert zum Beispiel nur mit der | |
| Hilfe von Mikroben, die in ihm sind. Der Mensch ist also nicht so singulär | |
| und abgetrennt von der Umwelt, wie wir denken. Und das wird durch die | |
| Überzeichnung in dem Roman klargemacht. | |
| taz: Warum ist der Roman für Sie auch literaturwissenschaftlich betrachtet | |
| wichtig? | |
| Hinders: Es geht in dem Text auch um verschiedene Denkmuster davon, wie | |
| sich die USA als Land entwickelt haben. In dem Roman geht ja eine | |
| Forschungsgruppe auf eine Expedition, und im Selbstverständnis der USA | |
| haben Expeditionen einen sehr hohen Stellenwert. Als die europäischen | |
| SiedlerInnen in Amerika ankamen, sind sie immer weiter in das Land | |
| eingedrungen. Sie gingen dann in den „Wilden Westen“, den sie besiedeln | |
| wollten. Natürlich haben sie dabei völlig ignoriert, dass da schon andere | |
| Menschen waren. | |
| taz: Ist dieses Denken für Sie eine der Quellen der in den USA so typischen | |
| Allmachtsfantasien? | |
| Hinders: Ja, es setzt sich etwas fort, wenn über die mögliche | |
| [3][Kolonialisierung des Weltalls] gesprochen wird. [4][Leute wie Elon | |
| Musk]: „Wir ziehen jetzt auf den Mars“. Da wird ein ähnliches Vokabular | |
| verwendet. Die Besiedelung des Weltraums wird als die Lösung für die | |
| Klimakatastrophe angesehen, weil man ja einfach woanders hingehen kann. | |
| taz: Welche Assoziationen hat der Roman sonst noch bei Ihnen geweckt? | |
| Hinders: Ich denke da auch an den Vietnamkrieg, in dem das Militär der USA | |
| das [5][Umweltgift „Agent Orange“] abgeworfen hat, um Bäume zu entlauben. | |
| Aber hinterher hat man dann gesehen, dass auch Menschen dadurch geschädigt | |
| wurden. Und die Fabrik, in der „Agent Orange“ in den USA hergestellt wurde, | |
| ist heute ein sogenannter Lost Place, weil die Amerikaner dort auch ihr | |
| eigenes Land und den Fluss, der durch dieses Gebiet fließt, vergiftet | |
| haben. Bis heute darf man dort die Fische nicht essen. Da wurden Grenzen | |
| aufgelöst – zwischen den einzelnen Ländern, aber auch zwischen Mensch und | |
| Natur. | |
| 26 Oct 2025 | |
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| Wilfried Hippen | |
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