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# taz.de -- Trumps Kulturkampf gegen die Linke: Hier spricht die Antifa
> Per Dekret will der US-Präsident nun gegen seine Gegner vorgehen. Eine
> Einordnung und Stimmen aus US-amerikanischen Antifa-Gruppen.
Die Woche nach der christlich-nationlistischen Trauerfeier für den
ermordeten rechten Agitator Charlie Kirk markiert den wohl größten
autoritären Generalangriff auf die politische Linke in den USA seit der
McCarthy-Ära. Am Montag [1][erklärte Präsident Donald Trump „die Antifa“
zur terroristischen Organisation], und am Donnerstag veröffentlichte das
Weiße Haus ein [2][Memorandum], in dem Justizministerium,
Heimatschutzministerium und Finanzministerium angewiesen werden, gegen alle
Organisationsformen vorzugehen, die politische Gewalt von links fördern
oder finanzieren – und das sind nach dem Duktus des Memorandums praktisch
alle, die gegen den laufenden autoritär-faschistischen Staatsumbau
aufbegehren.
„Die Antifa“ zum Hauptfeind zu erklären, geht weit in Trumps erste Amtszeit
zurück. Schon am Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar 2017 hatte es in
Washington DC am Rande friedlicher Proteste auch gewaltsame Ausschreitungen
eines Schwarzen Blocks gegeben. Und als es nach der Ermordung George Floyds
durch Polizisten im Mai 2020 zu landesweiten Protesten kam, die in einigen
Städten in handfest Riots mündeten, kündigte Trump erstmals an, „die
Antifa“ zur terroristischen Organisation erklären zu wollen. Im Unterschied
zu heute hatte er damals ein Justizministerium, das ihm erklärte, dass
„Antifa“ keine Organisation ist, sondern eine Idee, unter der sich
selbstorganisierte lose Gruppen zusammenfinden – und das eine solche
Einstufung ohnehin nicht einfach per Dekret getroffen werden kann.
Antifa-Gruppen gibt es, genau wie in Europa, tatsächlich auch in den USA.
Als sich im August 2017 in Charlottesville im Bundesstaat Virginia unter
dem Motto „Unite The Right“ rassistische, antisemitische und
Neo-Nazi-Gruppen, Militias, KuKluxClan und Alt-Right aus den gesamten USA
zu einer Demonstration versammelten, wurde der Grad der Vernetzung und des
Aufschwungs der Rechtsextremen durch den Wahlsieg Donald Trumps deutlich.
Als dann noch ein Rechtsextremer mit seinem Auto in eine Gruppe
Gegendemonstrat*innen fuhr und die 32-jährige Heather Heyer tötete
und Trump anschließend davon sprach „auf beiden Seiten“ in Charlottesville
gebe es „very fine people“, war das für viele junge Leute ein direkter
Aufruf zur antifaschistischen Organisation.
Die war in den Jahren zuvor etwas zurückgegangen. Zwar war nach dem
Wahlsieg des ersten schwarzen US-Präsidenten Barack Obama 2008 laut den
Beobachtungen des [3][Southern Poverty Law Centers] die Anzahl der
sogenannten Hate Groups sprunghaft angestiegen. Aber zumindest die
organisierte Nazi-Szene schien 2002 mit dem Tod von William Pierce, dem
Begründer der größten Nazi-Vereinigung National Alliance und Autor des als
Roman geschriebenen Terroraufrufs „The Turner Diaries“ an Bedeutung
verloren zu haben. Pierce' „Roman“ hatte den bis heute folgenschwersten
inländischen Terrorakt in den USA inspiriert, den Bombenanschlag auf das
Bundesgebäude in Oklahoma City im April 1995, bei dem 168 Menschen getötet
wurden. Aber das schien Geschichte.
Spätestens mit der „Unite the Right“-Demo von Charlottesville und der
impliziten Unterstützung, die rechte Gruppierungen wie „Proud Boys“ oder
„Oath Keepers“ durch Trump erhielten, änderte sich der Fokus. Praktischer
Antifaschismus, der Strukturen und Akteure identifiziert und ihnen das
Leben schwer macht, wurde wieder wichtiger, neue Antifa-Gruppen entstanden.
Aber wie in Europa auch ist es konservativer Medienberichterstattung
gelungen, ein Bild von „Antifa“ zu zeichnen, das mit Schutz bedrohter
Menschen nichts, mit Straßengewalt hingegen alles zu tun hat. Die losen
Strukturen, in denen Antifagruppen organisiert sind, will Trump jetzt zum
Generalangriff auf alle nutzen, die eben vielleicht auch „Antifa“ sein
könnten. Es wird an der Gesellschaft bis weit in die politische Mitte
liegen, jetzt solidarisch zusammenzustehen.
Colorado Springs Anti-Fascists, Colorado
Trumps Einstufung der Antifa als terroristische Organisation ist vor allem
Propaganda für seine Anhängerschaft. Denn die hat einiges an Vertrauen in
ihn verloren, nachdem er sich öffentlich von vielen distanzierte, die
[4][mit seinem alten Freund Jeffrey Epstein] verbandelt sind.
Rechtlich erlaubt Trumps Dekret keine neuen Befugnisse für die Polizei. Sie
soll die Antifa einfach noch stärker ins Visier nehmen. Was das in der
Praxis heißt, ist schwer zu sagen. Aber die Absicht ist, die amerikanische
Linke insgesamt immer weiter zu unterdrücken. Für die amerikanische Rechte
ist jeder, der auch nur ansatzweise links oder progressiv ist, Antifa.
Deshalb wissen wir nicht, liegt der Fokus auf sogenannten Antifa-Gruppen
wie unserer? Oder eher auf bekannteren Gruppen und Netzwerken der Linken,
die sich öffentlichkeitswirksam gegen [5][ICE-Razzien] oder für die
[6][Beendigung des Völkermords in Gaza] einsetzen? Das wird nur die Zeit
zeigen.
Ich bin aktiv geworden, nachdem [7][Heather Heyer 2017 in Charlottesville,
bei einer großen Mobilisierung von White Supremacists namens „Unite The
Right“ ermordet wurde]. Viele der Gruppen, die damals dabei waren, haben in
Colorado gestickert und Veranstaltungen organisiert. Ich habe ihre
Aufkleber entfernt und die Mitglieder identifiziert. Darüber bin mit
anderen lokalen Antifaschist*innen in Kontakt gekommen und habe mich
den Colorado Springs Anti-Fascists angeschlossen. Wir setzen alles daran,
anonym zu bleiben. Nur so können wir uns trotz der Repressionen sicher
genug fühlen, um weiterzumachen.
Wir haben eine Reihe Nazis zu enttarnen, und Trumps Dekret wird uns dabei
nicht stoppen. Aber wir sind dabei unsere Taktik anzupassen. Das Land
bewegt sich immer weiter nach rechts. Wenn wir in der Vergangenheit einen
White Supremacist als Mitglied einer Neonaziorganisation entlarvt haben,
dann hat das zu sozialen Konsequenzen wie dem Verlust des Arbeitsplatzes,
dem Rausschmiss aus Vereinen und vielem mehr geführt. Heute sind solche
negativen Konsequenzen seltener. Es erfordert mehr Aufwand, um sie zu
erreichen. Deshalb arbeiten wir daran, effektivere Druckkampagnen
aufzubauen. Sam, 27 Jahre
Antifascists 615, Nashville, Tennessee
Antifascists 615 wurde ursprünglich als Reaktion auf die erste
Trump-Regierung im Jahr 2016 gegründet und um sich gegen den Aufstieg der
damaligen „Alt-Right“-Bewegung in den Vereinigten Staaten zu wehren.
Wir sind jetzt seit fast einem Jahrzehnt aktiv, haben hier und da unser
Image geändert, aber nie aufgehört, auf die Straße zu gehen. Erst 2024
geriet die Lage hier in Nashville außer Kontrolle. Mehrere
neofaschistische Gruppen organisierten Demos und griffen unsere Leute an,
manchmal im Abstand von nur wenigen Wochen.
Rechtlich gesehen haben wir einen Beistand und auch juristische Hilfe in
Bereitschaft, für den Fall, dass es zu schwereren Repressionen kommt. Trump
hat schon im Laufe der Jahre, [8][gerade nach dem Tod von George Floyd]
2020, harte repressive Maßnahmen gegen Demonstrierende ergriffen. Für
uns ist es also einfach die zweite Runde.
Wir müssen bei Protesten auf der Straße sehr aufmerksam sein und kritisch
darüber nachdenken, wie wir unsere Arbeit fortsetzen, jetzt nach der
Ermordung von Charlie Kirk, die die Faschisten für ihre Rekrutierung und
Mobilisierung instrumentalisieren.
Screwston Anti-fascist Committee, Houston, Texas
Dieses Dekret kommt zwar jetzt zu einem Zeitpunkt, an dem die politischen
Spannungen in unserem Land zugenommen haben. Es ist aber wichtig zu wissen,
dass es nicht das erste Mal ist, dass Trump die „Antifa“ als
„terroristische Vereinigung“ bezeichnet hat. Schon im Mai 2020 hat er eine
solche Erklärung abgegeben, wenn auch über Twitter.
Die [9][Verordnung an sich] hat nicht unbedingt eine Bedeutung. Es ist eher
ein Zugeständnis an Trumps Anhänger*innenschaft. Wir müssen uns jedoch
auf eine verstärkte Überwachung von Antifaschist*innen einstellen.
Die vage Formulierung des Dekrets sowie die allgemeine Bezeichnung der
Opposition als „Antifa“ sind besorgniserregend. Sie dienen Trump und seinen
Beamt*innen als Vorwand, jede Opposition gegen sein Regime
strafrechtlich zu verfolgen.
Wir beobachten eine zunehmende Unterdrückung von Protestbewegungen in
diesem Land. Vor einigen Monaten wurden Radikale Linke im Norden von Texas,
nach einer Lärmdemonstration vor einer [10][ICE-Einrichtung, also einer
Migrationsbehörde], mit einer Reihe von Anklagen konfrontiert. In den
darauf folgenden Wochen wurden Familienangehörige und Freund*innen der
Demonstrierenden von Strafverfolgungsbehörden und dem FBI schikaniert.
Einige wurden wegen „Behinderung der Justiz“ angeklagt.
All das und die Verurteilung von Casey Goonan zu 20 Jahren Haft sind
Beispiele dafür, wie die Regierung versucht, Befreiungsbewegungen zu
unterdrücken. Wir haben unterschiedliche Beweggründe,
Antifaschist*innen zu sein. Einige von uns gehören zu marginalisierten
Gruppen, die Ziel von Gewalt durch [11][White Supremacists] sind. Andere
sind selbst weiße Menschen, die sich gegen die White Supremacy (dt. weiße
Vorherrschaft), die sie erlebt haben, auflehnen. Wir alle teilen die
ernsthafte Sorge über eine zunehmende Organisierung von Faschist*innen
in diesem Land und wollen dagegen mobilisieren.
Faschist*innen werden unermüdlich eine Bewegung organisieren, die
Millionen von Menschen schaden wird. Wir müssen vorbereitet sein, um
dieser Bedrohung entgegentreten zu können, wo immer sie auftritt. Wie
bisher werden wir uns gegen White Supremacy und für die Verteidigung
unserer Gemeinschaften organisieren. Wir lassen uns von den Erklärungen
eines narzisstischen Autoritären nicht einschüchtern. Wir werden weiterhin
gegen die wachsende Bedrohung durch den Faschismus kämpfen. Unser Leben und
unser Wohlergehen sind in Gefahr. Unabhängig davon, ob wir uns organisieren
oder nicht.
„Nichts ist wichtiger, als den Faschismus zu stoppen, denn der Faschismus
wird uns alle stoppen.“ (Fred Hampton)
Late Night Anti-Fascists
Für uns ist Trumps Verbot von „Antifa“ ein pauschaler Vorwand, der als
Waffe eingesetzt werden kann, um Menschen ihre Rechte zu entziehen. Antifa,
kurz für Antifaschismus, ist keine Organisation, sondern eine dezentrale
Bewegung. Sie hat keine Anführer und keine Struktur und ist eher eine
Ideologie. In den letzten Jahren ist es der extremen Rechten gelungen, das
Narrativ von „Antifa“ als Feindbild zu etablieren – denn für Faschisten …
sie ein Feind. Und auch wenn es gelegentlich militante Proteste gegen
rechtsextreme Akteure gab, besteht die Arbeit der Aktivist*innen meist
aus friedlicher Gemeinschaftsorganisation/Mobilisierung, Aufklärung oder
Forschung.
Dass Trump die „Antifa“ als „inländische Terrororganisation“ bezeichne…
wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf. Am besorgniserregendsten ist, dass
dieses Label pauschal für alle Proteste gegen die Einwanderungsbehörde ICE
oder die Regierung Trump verwendet werden könnte. Die Menschen haben das
Recht, sich zu versammeln. Die Menschen haben das Recht, ihre Meinung zu
sagen. Aber diese Regierung respektiert weder das Gesetz noch die Rechte
der Menschen.
Nachdem wir immer wieder beobachtet hatten, wie Hass sich vom Internet auf
die reale Welt ausbreitet, haben wir uns an Recherchen beteiligt, die
rechtsextreme Personen im Internet enttarnen. Wir wollten etwas dagegen
unternehmen, weil die Radikalisierung der Rechtsextremen immer wieder zu
Massenerschießungen führte. Wie bei der großen Mobilisierung „Unite the
Right“. Wir halten es für wichtig, unsere Gemeinschaften vor den Menschen
zu warnen, die diesen Schaden anrichten. All die
Neonazi-Propaganda-Accounts werden von Menschen mit Namen und Gesichtern
betrieben. Worte sind wichtig, denn Ideen manifestieren sich in Taten. Wenn
diese Ideen darin bestehen, „Minderheiten loszuwerden“, wird das in der
realen Welt so passieren. Es geschieht bereits. Die Lage eskaliert schnell.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht klar, wie effektiv es überhaupt noch ist,
kleinere Akteure zu entlarven. Die Social-Media-Landschaft ist so sehr mit
Hass übersät, dass das Anprangern eines Einzelnen nur ein Tropfen auf den
heißen Stein ist. Wir planen, uns weiterhin friedlich zu engagieren, aber
wir sind noch dabei, uns neu zu orientieren und den sichersten Weg dafür zu
finden. Wir geben nicht auf. Wir brauchen Menschen, die sich dem Kampf
anschließen, bevor sie als nächstes dran sind. Denn hier wird es nicht
aufhören.
Conejo Valley Antifaschists, Conejo Valley, Kalifornien
Trumps Antifa-Verbot ist bedeutungslos. Man kann Menschen nicht verbieten,
gegen Faschismus zu sein. MAGA-Faschisten werden versuchen, das Dekret zu
nutzen, um die Regierung als Waffe gegen Gedanken- und Meinungsfreiheit
einzusetzen. Doch das wird den Antifaschismus nicht stoppen.
Literatur und Punkrock haben meinen persönlichen Aktivismus in meinen
frühen Teenagerjahren inspiriert. Aber wir alle haben unterschiedliche
Geschichten darüber, warum wir diese Arbeit machen.
Und wie geht es jetzt weiter? Wir werden den Faschismus weiter bekämpfen,
weil wir keine Wahl haben. Wir wählen Faschismus und Leid oder Freiheit und
Gerechtigkeit. Es ist eine ziemlich einfache Entscheidung. Leon
26 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/09/designating-antifa-…
[2] https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/09/enforcing-the-death…
[3] https://www.splcenter.org/
[4] /Affaere-um-Sexualstraftaeter-Epstein/!6101365
[5] /Migrationspolitik-USA/!6109028
[6] /Proteste-gegen-Gaza-Krieg-an-US-Unis/!6005863
[7] /Getoetete-Anti-Nazi-Aktivistin-in-den-USA/!5439525
[8] /Prozess-gegen-Moerder-von-George-Floyd/!5866403
[9] /Nach-Tod-von-Charlie-Kirk/!6114832
[10] https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-proteste-texas-nationalgarde…
[11] /White-Supremacists-in-den-USA/!5439889
## AUTOREN
Bernd Pickert
Clarissa Hofmann
Stefan Hunglinger
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