| # taz.de -- Diskriminierung von Frauen in Elternzeit: Hamburgerin zieht vors Ve… | |
| > Weil ihr die Elternzeit bei der Höhergruppierung nicht angerechnet wurde, | |
| > klagt eine Angestellte des öffentlichen Diensts vor dem | |
| > Verfassungsgericht. | |
| Bild: Machen beides immer noch eher Frauen: In der Kita arbeiten oder Elternzei… | |
| Hamburg taz | Weil sie durch ihre Elternzeit benachteiligt wird, hat eine | |
| Angestellte der Stadt Hamburg Klage beim Bundesverfassungsgericht | |
| eingereicht. [1][Die alleinerziehende Mutter zweier Kinder wehrt sich] | |
| dagegen, dass sie durch ihre elfmonatige Erziehungszeit später als | |
| turnusmäßig vorgesehen in eine höhere Gehaltsstufe eingruppiert wird. | |
| „Wir sehen hier eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung“, sagt ihre | |
| Anwältin Friederike Boll. Betroffen seien von solchen Fällen vor allem | |
| Frauen, die immer noch in weitaus höherem Maß Elternzeit in Anspruch nehmen | |
| als Männer. Dazu kommt, dass der Tarifvertrag der Länder für den | |
| öffentlichen Dienst nicht jede Auszeit gleich bewertet. | |
| Die Idee der turnusmäßigen Höherstufung ist, dass Leute mit der Dauer, über | |
| die sie einen Job machen, an Wissen und Erfahrung gewinnen. Nehmen sie eine | |
| Auszeit, stoppt sozusagen die Uhr. Allerdings sieht der Tarifvertrag | |
| Ausnahmen vor: Wer krank ist, darf bis zu 39 Wochen fehlen, ohne dass sich | |
| die Höherstufung verzögert, wer Wehr- oder Bundesfreiwilligendienst | |
| leistet, bekommt bis zu 23 Monate angerechnet. | |
| Die Elternzeit nicht auf die Laufzeit der Gehaltsstufen anzurechnen, werte | |
| Fürsorgearbeit ab und diskriminiere die Geschlechter, kritisiert Boll. | |
| Dabei gebe es Gesetze, „die genau vor einer Diskriminierung im | |
| Entgeltbereich schützen sollen“. Den Arbeitsgerichten wirft sie vor, diese | |
| nicht angewandt zu haben, obwohl sie durch die | |
| Antidiskriminierungsvorschrift in Artikel 3 des Grundgesetzes genau dazu | |
| verpflichtet seien. | |
| ## Hamburgerin klagt sich bis zum Bundesverfassungsgericht | |
| Bolls Mandantin J. klagt sich seit Anfang vergangenen Jahres durch die | |
| Instanzen. Das [2][Arbeitsgericht] und das [3][Landesarbeitsgericht wiesen | |
| ihre Klage] ab. Das Bundesarbeitsgericht hat ihre Beschwerde dagegen | |
| abgelehnt, dass das Landesarbeitsgericht auch keine Revision, also eine | |
| Überprüfung seines Urteils zulassen wollte. Gegen alle drei Entscheidungen | |
| wendet sich die Verfassungsbeschwerde. | |
| Die Gerichte hatten verneint, dass mit der Nichtanrechnung der Elternzeit | |
| Frauen diskriminiert würden – schließlich könnten sich ja auch Männer | |
| Elternzeit nehmen. Wer krank werde, habe das im Gegensatz zu einer | |
| Entscheidung für die Elternzeit nicht selbst in der Hand. | |
| Lange Krankheitszeiten seien überdies eher die Ausnahme; durch die | |
| Elternzeit ruhe das Arbeitsverhältnis und damit die Zeit, in der | |
| Berufserfahrung erworben werden könne, typischerweise erheblich länger. | |
| Auch J.s Argument, in der Elternzeit machten Mütter und Väter für das | |
| Berufsleben wertvolle Erfahrungen, mochten die Richter nicht folgen. Auch | |
| aus dem Hamburger Gleichstellungsgesetz ergebe sich nicht die Pflicht, | |
| Fähigkeiten und Erfahrungen aus der Elternzeit zu berücksichtigen – | |
| zumindes nicht unabhängig vom Anforderungsprofil der Stelle. | |
| ## Elternzeit ist kein Privatvergnügen | |
| Für die Klägerin J. sind die Argumente der Richter schwer erträglich. | |
| Elternzeit zu nehmen, sei eben kein Privatvergnügen. „Andere profitieren | |
| von dem Rentenvorteil, den wir erarbeiten“, sagt sie mit Blick darauf, dass | |
| die Kinder von heute die Beitragszahler von morgen sind. | |
| Auch dass Fürsorgearbeit im Tarifvertrag und von den Richtern nicht | |
| gewürdigt werde, ärgert sie: „Ich kriege die Krise, wenn ich Leute [4][vom | |
| Gender-Pay-Gap reden höre] oder davon, dass Care-Arbeit endlich anerkannt | |
| werden müsse.“ | |
| J. sagt, ihr und ihren Unterstützerinnen gehe es nicht ums Geld, nicht | |
| darum, dass sie ein Jahr verspätet eine höhere Gehaltsstufe erklommen hat, | |
| sondern um Gerechtigkeit. „Für mich persönlich war immer klar: Wenn das | |
| juristisch scheitert, werde ich das politisch durchsetzen“, sagt sie. | |
| Ihre Anwältin Boll begründet die Verfassungsklage damit, dass mit dem Fall | |
| „Grundsatzfragen zur Gleichstellung der Geschlechter, insbesondere von | |
| Frauen im Berufsleben aufgeworfen“ würden. Dazu gehöre die Frage, inwieweit | |
| Tarifparteien frei darin sind, bestimmte Gruppen zu begünstigen, wenn das | |
| zu unterschiedlichen Entgelten für Männer und Frauen führen könne. | |
| Auf dem Spiel stehe der Grundrechtsschutz von Leuten, die Elternzeit | |
| nehmen, sagt Boll. Die Anwältin will deshalb die Arbeitsgerichte dazu | |
| verpflichten, Gleichstellungsgesetze im Lichte des Artikel 3 anzuwenden und | |
| den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen, sprich: ihrer | |
| Mandantin rechtliches Gehör zu verschaffen. | |
| 5 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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