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# taz.de -- Konservative Wende in der Kulturpolitik: Jetzt zeigt sich, wer Dive…
> Der politische Wind dreht sich und als Erstes müssen marginalisierte
> Gruppen daran glauben. War Vielfalt in Kultur und Medien nur ein
> Marketingtrick?
Bild: Die Branche wackelt
Die Zeit der Diversitätspolitik ist vorbei. Das ist überall zu spüren. Ich
hatte gehofft, dass das mal passiert, aber nicht so. Meine Hoffnung war,
dass sie bald überflüssig sein würde. Wenn niemand mehr marginalisiert
wird, muss man nicht mehr ständig an der Inklusion von Marginalisierten
arbeiten. Man braucht nicht mehr sichtbar zu machen, was schon sichtbar
ist. Wenn es gerecht zugeht, muss man in einem Bereich nicht mehr für
Gerechtigkeit kämpfen, sondern nur noch an deren Erhalt arbeiten, und das
setzt Kräfte frei, die wir an anderer Stelle gut gebrauchen können.
Einfach sein zu können und einfach machen zu können, ohne dabei Identität
verhandeln zu müssen, ist übrigens etwas, das sich nicht nur diejenigen
wünschen, die ständig aufgefordert werden, ihre Privilegien zu checken. Ich
weiß. Das ist nervig. Noch nerviger ist es, dauernd die eigene
Diskriminierungserfahrung und Perspektive betonen zu müssen. Auch wenn ich
mich häufig kritisch zu einigen diversitätspolitischen Positionen äußere,
weiß ich, dass diese Bewegung viel erreicht und ermöglicht hat: Es wurden
Zugänge geschaffen, mehr Vielfalt, Sichtbarkeit, die [1][Anerkennung
verschiedener Lebensrealitäten und Multiperspektivität]. Doch dieser
Prozess ist nicht abgeschlossen.
Die Fortschritte erkennt man besonders in Kultur und Medien. Doch wie ich
aus meiner Arbeitserfahrung, Diskussionen unter Kolleg*innen und auch
mit Blick auf aktuelle Spielpläne sagen kann: Die Branche wackelt. Teils
aus vorauseilendem Gehorsam. Lange hat man sich rebellisch gegeben, um nun
bei der ersten Gelegenheit vor konservativer Kulturpolitik einzuknicken.
## Schlimmer als die Verunsicherung ist die Erleichterung
Das geht besonders schnell, wenn man ständig Angst hat, dass es sonst kein
Geld mehr gibt. Manche sind einfach verunsichert: Vielleicht kann man ja
mehr Leute ansprechen, wenn man das mit dem Gendern sein lässt und weniger
PoC abbildet. So erreicht man Publikum außerhalb der Bubble und überzeugt
sie mit Kunst … für was eigentlich?
Wenn ich tiefer in diese Gespräche gehe, merke ich etwas, das viel
trauriger ist als das bisschen Opportunismus: Diversität ist anstrengend.
Diversitätsagent*innen, Sensitivity-Reader und Inklusionsbeauftragte
wegzukürzen ist auch eine Erleichterung. Wieso soll man sich mit
Regisseur*innen um Antirassismus-Klauseln in Verträgen streiten und ein
Publikum einladen, das dann über Cultural Appropriation diskutieren will?
Wenn man erklärt, eine Kultureinrichtung ist offen für alle, wird man nach
Repräsentation, Content Notes, Unisex-Toiletten und Audiodeskription
gefragt. Wenn nicht, dann nicht.
Was sich mittlerweile verändert hat, ist, dass Institutionen nicht mehr von
der Politik dazu aufgefordert werden, sich zu öffnen. [2][Und auch die Zeit
der Geldtöpfe für Antidiskriminierung und Diversitätsentwicklung geht
vorbei]. Und so zeigt sich, wem es ernst war mit der Vielfalt und der Kunst
für alle – und wo Diversität nur ein Marketingtrick war.
Für Künstler*innen, Kulturinteressierte mit Diskriminierungserfahrung und
ihre Verbündeten heißt das: Wir müssen nun wieder Lobbyarbeit in eigener
Sache, aka Identitätspolitik, betreiben, um sichtbar zu bleiben und
Kulturangebote zu bekommen. Dabei haben wir eigentlich Besseres zu tun. In
Kultur und Medien muss man sich nun stabil dem Druck von rechts
entgegenstellen, ohne jemanden fallen zu lassen.
18 Sep 2025
## LINKS
[1] /Bildungsreferentin-ueber-Kolonialismus/!6097056
[2] /Sparplaene-des-Senats/!6049776
## AUTOREN
Simone Dede Ayivi
## TAGS
Kolumne Diskurspogo
Kulturpolitik
Diversität
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Verdrängung
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