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# taz.de -- Das YAAM will sich neu aufstellen: „Wir wollen in Zukunft den Mar…
> Das YAAM ist einer der letzten Freiräume – und soll es bleiben. Ein
> langfristiger Mietvertrag macht es möglich. Ein Gespräch über die
> Neuausrichtung.
Bild: Ein bunter Ort zwischen Glas und Kommerz: Das YAAM am Friedrichshainer Sp…
taz: Eka Neumann, das YAAM ist derzeit geschlossen. Die große Konzerthalle,
die Platz für bis zu 500 Menschen bietet, ist nach wie vor gesperrt, weil
die Ufermauer zur Spree unterspült ist und der Sanierung harrt. Zuletzt
hatte es mit dem Mietvertrag für 20 Jahre mit der Option auf Verlängerung
gute Nachrichten gegeben. Wie ist der Stand der Dinge?
Eka Neumann: Der Mietvertrag wurde schon im Frühjahr letzten Jahres
unterschrieben. Derzeit befindet sich das [1][YAAM] in einem Prozess der
Neuausrichtung. Gleichzeitig sind finanzielle Herausforderungen
aufgetreten. Weil die Halle nicht mehr betrieben werden konnte, und auch
durch die Coronasituation, die für viele Veranstaltungsorte einen
Einschnitt bedeutete. Die große Halle brachte die Haupteinnahmen, dort
fanden Konzerte und andere Events statt, und sie ermöglichte ein
ganzjähriges subkulturelles Angebot. Ohne die Halle wurde es [2][zu einem
Saisongeschäft], besser gesagt zu einem Sommergeschäft. Der Sommer musste
die Kosten für das ganze Jahr einspielen, auch für die sozialen Aktivitäten
wie Sport- und Jungendangebote. Eine Herausforderung.
taz: Sie begleiten den Prozess der Neuausrichtung des YAAM, wie soll die
aussehen?
Neumann: Das [3][SO36] war ja als Retter in der Not eingesprungen und hatte
die Bewirtschaftung im YAAM übernommen. Nun kann der Verein das wieder
alleine organisieren, und das ist Teil des neu zu organisierenden
Prozesses. Und dann will sich das YAAM programmatisch neu ausrichten.
taz: Was bedeutet das genau?
Neumann: Das YAAM will auch wieder jüngere Generationen ansprechen. Will
sich sozusagen neu erfinden.
taz: Ist das nötig? Oder anders gefragt: Wo kommt der Wunsch her für so
eine Neuausrichtung?
Neumann: Das geht ja auch anderen Initiativen so: Wenn sich ehrenamtliches
Engagement über Jahrzehnte zieht, waren da mal junge Leute am Start. Und 20
Jahre später sind die Akteure dann nicht mehr so jung, haben Familie oder
können auch nicht mehr so aktiv wie damals sein.
taz: Es gibt aber immer noch den Verein?
Neumann: Ja, und der ist sehr lebendig, da sind viele Leute aktiv. Aber das
YAAM ist ein Ort mit einem Tagesgeschäft, was professionelle Strukturen
braucht. Da ist eine Neuausrichtung gut. Es sollen neue Leute eingebunden
und auch ein breiteres Publikum erreicht werden. Die Zeiten ändern sich.
taz: Dieser Wunsch nach einer Neuausrichtung kommt also aus dem Verein
selbst? Es war keine Bedingung des Bezirks bei der Verlängerung des
Mietvertrages?
Neumann: Nein, gar nicht. Das ist der Wunsch aus dem Verein, sich wieder
jünger aufzustellen und auch wieder mehr Angebote für Familien unterbreiten
zu können und neue Communitys ins YAAM auf dieses wunderschöne Gelände an
der Spree zu holen.
taz: Das so zentral gelegen ist.
Neumann: Ja, es bietet urbanen, zugänglichen Raum, direkt am Ostbahnhof,
zwischen dem ganzen Stahl- und Glasfassaden, der genutzt und gestaltet
werden darf.
taz: Dass es das YAAM an diesem Ort – sagen wir mal: einem Filetstück –,
weiter gibt, ist an sich schon eine Erfolgsgeschichte! Das YAAM kennt sich
ja aus mit Umzügen. Doch nun gibt es einen Mietvertrag für 20 Jahre mit der
Option auf Verlängerungen.
Neumann: Ja, das ist ein totaler Erfolg. Und gleichzeitig eine Chance für
den Fortbestand urbaner Subkultur und die Möglichkeit, dort längerfristig
zu gestalten. Die Unsicherheit zuvor hatte das YAAM sicher auch ein
bisschen gehemmt, wenn man nicht weiß, wie lange man den Ort noch bespielen
kann. Längerfristiges Planen und Investieren fiel da schwer. Die Sperrung
der Halle kam erschwerend hinzu. Das alles bremste. Und mit der neuen
Sicherheit kann es nun innovativ vorangehen.
taz: Wenn Sie von neuen Communitys sprechen, wen meinen Sie da?
Neumann: Es geht darum, weitere afrikanische und afro-diasporische und
BiPoC-Communitys zu erreichen wie bislang, aber auch darum, ein
vielfältigerer Ort zu werden. Queerer könnte das YAAM auch werden. Und auch
andere Communitys, die marginalisiert sind, die das YAAM vielleicht noch
nicht so auf dem Schirm haben, sind eingeladen, den Ort mitzugestalten und
anzunehmen. Wir gehen aktiv auf verschiedene Vereine und Initiativen zu
taz: Die vietnamesische zum Beispiel auch?
Neumann: Ja, auch da sind wir offen. Das YAAM hat immer wieder Anfragen von
verschiedenen Communitiys, man würde im YAAM gern dies und das machen.
Damit ist es ein Ort, der offen ist, Brücken baut und vernetzt.
taz: Wie weit ist dieser Prozess? Wann gab es dazu den Startschuss?
Neumann: Im Herbst letzten Jahres ging es los. Die Saison fängt
üblicherweise im April oder Mai an, je nachdem wie das Wetter ist. Das ist
ja bald, daher sind wir gerade stark am Machen. Aller spätestens am 1. Mai
geht’s richtig los.
taz: Wie konkret sind die Ideen schon? Gibt es bereits neue
Veranstaltungsformate?
Neumann: Jetzt gerade beginnt die Veranstaltungsplanung, die Jahresplanung.
Es gibt dann neue Sportangebote und ein breites Musikangebot von Reggae
über Dancehall bis zu Amapiano, um nur ein paar zu nennen, viel Live-Musik,
daneben Kunst, Urban Gardening und Workshops. Wir gucken uns auch die
Initiativen an, die sich auf unserem Aufruf zur Mitarbeit hin gemeldet
haben, lernen sie kennen, loten gemeinsam aus, was es für Formate möglich
sind, was sie einbringen können, wo wir sie unterstützen können …
taz: Das klingt nach einem zeitraubenden Unterfangen.
Neumann: Das braucht auf jeden Fall viel Zeit und Ressourcen. Es geht eben
um Neues. Neu gestaltet wird zum Beispiel auch der Afrikanisch-Karibische
Foodmarket. Was eine Besonderheit des Prozesses im YAAM ist: Es handelt
sich um einen sehr breit aufgestellten Verein, die rund 60 Menschen, die da
miteinander arbeiten sind sehr divers.
taz: Das Problem mit der sanierungsbedürftigen Uferwand und der deshalb
gesperrten Konzerthalle aber bleibt vorerst bestehen?
Neumann: Ja, deshalb ist es wichtig, dass die Uferwandsanierung kommt. Die
wurde versprochen und war eigentlich schon für den Herbst vergangenen
Jahres angedacht. Nun soll diese Uferwandsanierung im Herbst 2025 kommen,
das ist unser letzter Stand. Das ist ein komplexeres Unterfangen, weil der
Bezirk und das Bundeswasserstraßenamt dafür zuständig sind. Es wäre toll,
wenn das endlich passieren würde.
taz: Wie schauen Sie als Soziologin auf das YAAM? Wie beurteilen Sie die
Wichtigkeit eines solches Projektes für die Stadt – gerade in diesen
Zeiten?
Neumann: Das YAAM ist ein Safer Space! Ein sehr wichtiger Ort. Und ein Ort,
der seine eigenen Einnahmen generieren und diese dann in Kunst und Kultur
und ins ganze Projekt stecken kann, und damit unabhängig ist – auch abseits
von Haushaltsgeschichten und politischen Beweggründen in wechselnden
Regierungen. Wir können hier dauerhaft etwas entwickeln, ganz ohne die
Zwänge anderer Organisationen, die diese eventuell in den nächsten
Haushaltsjahren haben werden.
taz: Das YAAM war ja schon in der Vergangenheit ein sehr wichtiger Ort für
viele Menschen.
Neumann: Ja, ein Ort, wo Mensch Luft holen kann, eine Freifläche, ein Ort
der ganze Generationen mitgeprägt hat. Ein urbaner, ein politischer Ort,
zum gemeinsam feiern. Hier lässt sich die Basis legen, weitere Dinge zu
entwickeln, gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Und das kann noch viel mehr
genutzt werden. Dieses Potenzial sehe ich im YAAM.
taz: Das YAAM bietet Raum dafür – im wahren wie im übertragenen Sinn.
Neumann: Ja, genau so. Ich sehe das YAAM noch stärker als Markt …
taz: YAAM heißt ja auch so und ist eine Abkürzung für Young African Art
Market. Bleibt der Name eigentlich so?
Neumann: Ja, der bleibt. Und wir wollen den Marktcharakter stärker betonen.
Märkte, wie es sie an vielen Orten gibt – im Sinne von: Du kommst her und
gehst eigentlich als andere Person wieder weg, denn du hast etwas erlebt,
gehört, gesehen, du hast vielleicht eine neue Info bekommen oder etwas
erworben … Markt ist im afrikanischen wie auch im urbanen Berliner Kontext
etwas Soziales. Du triffst dort Menschen, die du kennst. Gleichzeitig sind
ja Markthändler:innen Menschen, die sehr innovativ sind. Märkte
reagieren ganz schnell auf Dinge, die sich verändern, was geht, was nicht,
was ist ein neuer Trend, oder sie versuchen einfach mal was Neues,
probieren es aus. Und wenn es nicht läuft, dann eben nicht. Nächster
Versuch. Und in diesem Sinne denken wir auch das YAAM.
taz: Ein Markt der Möglichkeiten?
Neumann: Genau. Wir probieren mal was aus, verwerfen es vielleicht wieder,
adaptieren es – gleichzeitig ist es ein so energiegeladener Ort, der neue
Impulse gibt und aufnimmt. Ein Ort, wo die Menschen aus ihrer Vereinzelung
geholt werden können und andere Menschen aus anderen Kontexten sehen. Auch
BiPoC-Communitys sind ja sozial ganz unterschiedlich aufgestellt, haben
ganz unterschiedliche Ressourcen, unterschiedliche Zugänge und Privilegien
– im YAAM trifft das alles aufeinander, man kann sich vernetzen und davon
profitieren, weil ein Austausch stattfinden und Ideen und Projekte
entwickeln werden können. Selbstbestimmt und selbst organisiert. Ja, das
ist politisch.
12 Feb 2025
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[3] /Das-Yaam-bekommt-Hilfe-aus-Kreuzberg/!6007393
## AUTOREN
Andreas Hergeth
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