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# taz.de -- Linke Grabenkämpfe: Mut zur Zustimmung
> „Kopflinke“ wie „Bauchlinke“ haben viele Strömungen. Die stärkste
> Fraktion im Netz aber ist die Abgrenzungslinke.​ Warum es so schwer ist,
> anderen recht zu geben.
Bild: Gut, dass endlich wieder Menschen gegen den Druck von rechts demonstriere…
Ich schätze Menschen, die die eigene Bewegung skeptisch beobachten,
analysieren und hinterfragen. Doch inzwischen nimmt die kritische
Betrachtung mehr Raum ein als das Selbermachen und die Unterstützung für
Positionen, die man teilt: Problematisierung und Abgrenzung dominieren. Das
Verhältnis von Macher*innen zu Kritiker*innen kippt.
Statt seine Stadtbild-Aussage zurückzunehmen, hat Merz danach lieber Frauen
für seinen Rassismus instrumentalisiert. Dagegen gingen Frauen (nicht nur
weiße) auf die Straße. Ich gebe zu: [1][Ich bin genervt von dieser
Fokusverschiebung]. Doch gleichzeitig bin ich erleichtert, dass endlich
wieder Menschen gegen den Druck von rechts demonstrieren.
Ich selbst habe mich dann weiter mit der Perspektive von Migrant*innen
und PoC beschäftigt und einen Radiobeitrag vorbereitet – über deren
satirische Reaktionen auf Tiktok. Denn die Aufmerksamkeit gehört den
Betroffenen, und ich teile das, von dem ich finde, dass die Öffentlichkeit
es sehen soll. Damit habe ich mich jedoch alleine gefühlt. Denn um mich
herum verbrachten immer mehr Leute ihre Zeit damit, „Töchter“ zu
kritisieren, statt Stimmen von Betroffenen zu verstärken oder
antirassistische Demos zu organisieren.
## Affirmatives ist suspekt
Der Drang, andere zu belehren, scheint größer als der, selbst mit gutem
Beispiel voranzugehen oder die Aufmerksamkeit auf Betroffene zu lenken:
Negativbeispiele ziehen besser. Verneinung bekommt am meisten Zustimmung.
Ich merke das an Reaktionen auf eigene Beiträge. „Gut, dass du das
problematisierst“, ist eine häufigere Reaktion als „Diese Aktion feiere ich
auch!“. Affirmatives ist suspekt. Es könnte irgendwo darunter etwas
Problematisches liegen.
Gibt es generell mehr Kritiker*innen als Macher*innen? Denn während
Instagram motzte, haben meine Zusammenhänge außerhalb des Internets einfach
weitergearbeitet.
[2][Einige Netzdebatten und Zerwürfnisse] sind für Aktivist*innen und
Organizer, die Menschen in Städten und Dörfern zusammenbringen wollen und
die sich in Vereinen, Selbstorganisationen oder in der Lokalpolitik
engagieren, kaum der Rede wert. Nicht nur, weil die Zeit fehlt, sondern
auch, weil es aus der Praxis ein Verständnis dafür gibt, dass viele gerade
auf der Suche nach einem Weg sind, [3][um der Gesamtscheiße am besten zu
begegnen].
Alle suchen nach Strategien, Verbündeten und etwas, das ihnen Kraft gibt,
weiterzumachen. Kampagnen oder Aktionen, mit denen man nicht mitgehen kann,
werden dann eher als etwas diskutiert, das in diesem oder jenem Aspekt
nicht funktioniert. Aber man schaut sich das Potenzial an.
Ich selbst bin dadurch großzügiger geworden gegenüber all den Versuchen um
mich herum. Und ich habe gelernt: Wenn ich ins direkte Gespräch gehe, ist
die Antwort meistens, dass andere Aktivist*innen selbst nicht
hundertprozentig zufrieden sind mit dem, was sie da tun. Sie wollten nur
handeln, bevor sie nichts machen.
Es lohnt sich, mehr Zeit aufzuwenden, selbst Protest zu organisieren und
sich nicht an Haltungen und Praktiken anderer abzuarbeiten. Ich habe mir
vorgenommen, mehr Raum zu schaffen und Reichweite zu generieren für
Engagement, das ich unterstützenswert finde.
31 Oct 2025
## LINKS
[1] /Kompromisse-in-der-Politik/!6096285
[2] /Linker-Protest-im-Internet/!6108133
[3] /Umgang-mit-Krisen/!6117425
## AUTOREN
Simone Dede Ayivi
## TAGS
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