# taz.de -- Film „Tafiti – Ab durch die Wüste“: Ein Erdmännchen gegen R… | |
> Eine Coming-of-Age-Geschichte für Minis: Der Animationsfilm „Tafiti – Ab | |
> durch die Wüste“ übersetzt das Kinderbuch von Julia Boehme überzeugend. | |
Bild: Behutsame Annäherung in der Wüste: Tafiti (r.) trifft Pinselohrschwein | |
Tafiti begibt sich bei der Suche nach einer blauen Blume auf eine | |
Heldenreise. Da wird tief in die Kulturgeschichte eingetaucht: Die blaue | |
Blume ist eins der [1][Kernsymbole der Romantik] und die Heldenreise eins | |
der ältesten, allgegenwärtigen Erzählmuster. Schon sind wir bei Vorbildern | |
wie Novalis und Odysseus. Aber Tafiti ist ein Erdmännchen und der Held | |
eines animierten Kinderfilms. | |
Und zwar ein [2][Kinderfilm] für die ganz Kleinen. Zehnjährige werden diese | |
Geschichte mit niedlichen Tierchen, die komische Abenteuer erleben, schon | |
nicht mehr cool finden, aber die Filmemacher*innen haben sich genau | |
überlegt, was sie hier mit welchen Stilmitteln erzählen wollen. So fehlt | |
auch ein Furzgag nicht, denn kleine Kinder lieben es, über Körperfunktionen | |
zu lachen. Die Abenteuer wiederum sind nicht zu gefährlich, die | |
Spannungsbögen kurz – und die Filmfiguren entweder liebenswert oder | |
Schurken, die sich ständig lächerlich machen. | |
Die Geschichte ist gut konstruiert, und mit dem jungen Tafiti, der seinen | |
Platz in der Welt noch nicht gefunden hat, gibt es eine ideale | |
Identifikationsfigur. Tafiti ist der Held einer erfolgreichen | |
Kinderbuchreihe, die von der in Bremen geborenen Julia Boehme geschrieben | |
und von Julia Ginsbach illustriert wurde. Beide haben bei der Buchvorlage | |
des Films zusammengearbeitet. Ihr Vorlesebuch „Tafiti – Ab durch die Wüste… | |
(ab 5 Jahre) ist gerade vor ein paar Wochen erschienen. | |
Erzählt wird darin von einer Erdmännchen-Familie, die glücklich und sicher | |
in der „splendid isolation“ einer komfortablen Wohnhöhle lebt. Der | |
Patriarch trichtert seinen vielen Nachkommen ständig ein, dass alle anderen | |
Tiere Feinde sind, von denen sich ein Erdmännchen fernhalten sollte. Doch | |
dann trifft der neugierige Tafiti ein Pinselohrschwein mit dem Namen Pinsel | |
(alias Mr Piggy), der alles ins Chaos stürzt, sodass Papa Erdschwein von | |
einer Schlange gebissen wird und mit dem Tode ringt. Nur die Blüte der | |
blauen Blume kann ihn retten, aber die gibt es wohl gar nicht. Und wenn | |
doch, dann kann man sie nur in den fernen Bergen hinter der riesigen Wüste | |
finden, die noch kein Erdmännchen und erst recht kein Pinselohrschwein je | |
durchqueren konnte. | |
Pinsel ist der typische tollpatschige Begleiter eines klassischen Helden: | |
der Sam Hawkens von Old Shatterhand, der Hund Toto von Dorothy auf der | |
Reise nach Oz oder das Roboterpärchen aus „Star Wars“. Er macht alles | |
falsch, aber welches Kind hätte nicht gern solch einen treuen, guten | |
Freund? | |
Im Laufe der Reise merkt Tafiti, dass sein Vater unrecht hat, weil er | |
diesem Schwein vertrauen kann. Später schließt er auch noch Freundschaft | |
mit einer Kleinfamilie von Pelikanen (die allerdings als Fischfresser in | |
der Wüste gar nichts verloren haben) und entwickelt sich zu einem | |
kontaktfreudigen, empathischen Tier. Im Grunde ist ja jede | |
[3][Coming-of-Age-Geschichte] eine Heldenreise. | |
Animiert wurde „Tafiti – Ab durch die Wüste“ unter der Regie von Nina We… | |
und dem „Animation Director“ Timo Berg in einem klaren, sehr plastischen | |
Stil. Die Landschaften, durch die Tafiti und Pinsel wandern, wurden | |
fotorealistisch am Computer gebaut. | |
Auch die Tiere sind realistisch, also zoologisch und anatomisch korrekt, | |
gestaltet. Aufrecht stehen können deshalb nur die Erdmännchen und das | |
Pinselohrschwein nennt „Tafiti“ dann auch in einem Onliner, den allerdings | |
nur die erwachsenen Zuschauer*innen komisch finden werden, einen „stand | |
up artist“. Interessant ist auch, dass nur Tafiti mit einem roten Halstuch | |
ein Kleidungsstück trägt, also ein wenig menschenähnlicher als die anderen | |
Filmfiguren wirken soll. | |
Menschlich wirken die Tiere vor allem durch ihr Minenspiel. Auf dieser | |
Ebene ist die Animation auf einem sehr hohen, internationalen Niveau. | |
Freude, Trauer, Wut, Verlegenheit, Scham, Angst, Bosheit und Verliebtheit | |
machen die Gesichter der Tiere lebendig und dabei werden diese [4][Gefühle] | |
erstaunlich nuanciert und komplex ausgedrückt. | |
Einfallsreich ist auch die Filmmusik von Carsten Rocker, der viel mit | |
Zitaten arbeitet. Da erklingen bei Tafitis ersten Schritten in die Wüste | |
ein paar Klänge, die an „Lawrence von Arabien“ erinnern. Und wenn Schakale | |
vom Saft einer Melone in einen Drogenrausch versetzt werden, hört man eine | |
psychedelische E-Gitarre. Wenn sich eine winzige Elefantenspitzmaus und | |
eine riesige Elefanten-Dame ineinander verlieben, schmettert ein | |
italienischer Tenor eine Arie. Wie bei allen guten Familienfilmen gibt es | |
also eine Ebene, auf der auch Erwachsene ihren Spaß an diesem Film haben | |
können. | |
6 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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