| # taz.de -- Progressive Projekte in der Provinz: „Wir machen laut hier, bis u… | |
| > Rechte behaupten, ihre „Heimat“ zu lieben. Ein Besuch in Vorpommern | |
| > zeigt, wer wirklich was fürs Hinterland tut. Und, hilft das gegen rechts? | |
| Bild: „Vorpommern bleibt stabil“: Pablo Himmelspach von der Hinterlandgang … | |
| Demmin/Vorpommern taz | „Davon halte ich nichts. Und jetzt habe ich zu | |
| tun“, beendet die Verkäuferin in der menschenleeren Tankstelle am | |
| Ortseingang von Demmin das Gespräch, noch bevor es begonnen hat. Weder | |
| reden noch ein Brötchen verkaufen möchte sie. Die Frage der taz-Reporterin | |
| lautete, wie die Frau das antifaschistische Musikfestival findet, das | |
| gerade um die Ecke läuft. | |
| Die Hansestadt Demmin liegt in Vorpommern, ungefähr in der Mitte zwischen | |
| Rostock und Usedom. Sie hat rund 10.000 Einwohner. Bei der Bundestagswahl | |
| im Februar wurde hier die AfD stärkste Kraft, bei der Landratswahl im Mai | |
| [1][unterlag der AfD-Mann erst in der Stichwahl] dem CDU-Kandidaten. Wer | |
| hier ankommt, muss nicht lange warten, bis der Ort seinem Ruf als Nazi-Nest | |
| Ehre macht. Über den Gehweg stiefeln Glatzen, Laternen sind mit | |
| rechtsextremen Stickern gepflastert. | |
| Schnell ins Auto, runter von der Tankstelle, rein in den Wald. Wenige | |
| Fahrminuten entfernt, auf einer Waldbühne aus DDR-Zeiten, steigt am letzten | |
| Julisamstag das Festival „100 Tage Sommer“. Genauso wie beim | |
| [2][berühmteren Open-Air „Jamel rockt den Förster“] nahe Wismar will man | |
| damit ein Zeichen gegen rechts setzen. Hier in Demmin treten Acts auf wie | |
| die Band Habitat, deren Sänger blind ist und der in einem Song seiner | |
| Mutter Respekt zollt, oder auch die Greifswalder Techno-DJ Faustina Fausta, | |
| die Tracks mit Titeln rausbringt wie „Burn Patriarchy“. | |
| Rund 520 Festival-Tickets wurden dieses Jahr verkauft, Platz wäre hier | |
| locker für dreimal so viele Menschen. Die meisten haben einen Bezug zur | |
| Region, selbst wenn sie heute woanders wohnen. Die Jugend aus dem Ort | |
| drückt sich noch an den Treppen herum, die meisten Sitzreihen, die sich von | |
| der Bühne den Hang hochziehen, sind leer. | |
| Mittdreißiger, die aus Berlin gekommen sind, trinken Sekt und tragen linke | |
| Szeneklamotten – man könnte fast meinen, man ist im Adidas-Outlet gelandet. | |
| Hinter ihnen, in der vorletzten Reihe sitzt Bernd Ehrlich. Der 73-jährige | |
| IT-Fachmann wohnt in einem Dorf namens Boldekow, nahe Anklam. „Ich bin | |
| heute gekommen, weil ich etwas gegen die Rechten habe“, erklärt er gleich. | |
| „Die AfD schimpft über Ausländer, dabei sind wir das Bundesland mit den | |
| wenigsten Ausländern.“ | |
| Ehrlich ist aus Thüringen zugezogen. Seit 20 Jahren lebt er in Vorpommern, | |
| aber 100 Prozent zugehörig fühlt er sich immer noch nicht. Seine Prognose | |
| für die im nächsten Jahr anstehende Landtagswahl ist düster. „Wenn bis | |
| dahin nicht mehr passiert – also Dinge wie dieses Festival –, wenn man den | |
| Leuten hier nicht mehr bietet, versinkt dieses Land im braunen Morast“, | |
| fürchtet er. Er ist einer der Menschen, „die etwas bieten“. Doch das trägt | |
| er nicht vor sich her, will erst gar nicht damit herausrücken. | |
| ## Musik: „Fick dein Yoga, Vorpommern bleibt Kampfsport“ | |
| Die Sonne versinkt hinter den Bäumen. Albert Münzberg und Pablo Himmelspach | |
| von der „Hinterlandgang“ betreten die Bühne – und plötzlich entsteht da… | |
| eine riesige springende Menge. Die beiden Rapper wuchsen bei Demmin auf, | |
| heute mit Ende zwanzig, sind sie Zimmerermeister und Student der | |
| Politikwissenschaft. | |
| In einem Song über die Wende necken sie die taz, später erzählen sie, wie | |
| sie als Kinder in der Peene, die durch Demmin fließt, gebadet haben. Und | |
| jeder, der diese Gegend kennt, versteht, warum Menschen sich für sie | |
| einsetzen. Die beiden Rapper waren es, die dieses Festival vor vier Jahren | |
| ins Leben gerufen haben. | |
| Es dämmert, Pyros werden gezündet, roter Rauch steigt auf. Eine Frau in | |
| bauchfreiem Top und Collegegirl-Minirock singt mit: „Zwischen geplatzten | |
| Träumen und Größenwahn. Wir machen laut heute, bis uns hier jeder hören | |
| kann.“ Sie steht neben ihrer Freundin auf einer Sitzbank und schwenkt eine | |
| riesige Fahne, auf der steht „Provinz Jugend Antifa“. Die Reporterin | |
| schießt ein Foto. Darf das in der taz abgedruckt werden? „Klar, wenn man | |
| meinen Schlüpper nicht sieht“, lacht die Anfang Dreißigjährige. | |
| Dann singt sie weiter: „Fick deinen Yogakurs, Vorpommern bleibt Kampfsport. | |
| Faschos an der Tanke, doch unsre Gang ist die Antwort.“ Die Frau heißt | |
| Hjördis, ist Ärztin, vor sieben Jahren von Westdeutschland nach Vorpommern | |
| gezogen – und geblieben. „Weil ich mich in die Gegend verliebt habe.“ Sie | |
| mag die Landschaft genauso gern wie die Leute. Als Teil der Festival-Crew | |
| hat sie den ganzen Tag mitgeholfen. Zu erledigen waren unter anderem: | |
| Aufbau, Abendkasse, Einlass, Bar, Awareness und Standbetreuung. | |
| An einem dieser Stände kann man Klamotten mit Siebdrucktechnik verschönern. | |
| Dahinter steht [3][„De Loite“, eine Initiative für Inklusion und Vielfalt | |
| aus dem nahegelegenen Ort Loitz]. Einige Meter weiter messen vor allem | |
| Männer, aber auch ein paar Frauen, ihre Kräfte an einer Klimmzugstange. Für | |
| jedes erfolgreiche Hochziehen geht ein Euro an den örtlichen Sportverein | |
| Aserkopdo aus dem Ort Borrentin, der neben Akrobatik und Yoga auch | |
| Disziplinen wie Gaukelei und Feuerkunst im Angebot hat. Auch [4][die | |
| Rostocker Gruppe „Sea-Eye“], die sich für die Rettung Geflüchteter aus | |
| Seenot engagiert, und viele andere sind vor Ort. | |
| ## Soziologe: Was nützen solche Projekte? | |
| Mit einem „ganz klaren Ja“ beantwortet Christian Ulbricht die Frage, ob | |
| solche Projekte etwas im Kampf gegen rechts nützen. Er leitet in Anklam das | |
| [5][Regionalzentrum für demokratische Kultur], das vom Land gefördert wird. | |
| Der promovierte Soziologe stammt selbst aus der Gegend um Demmin. Ulbricht | |
| weiß, dass Menschen mit gefestigt rechtem Weltbild sich nicht durch | |
| einzelne Kulturveranstaltungen umstimmen lassen. | |
| Aber: Noch gibt es in Mecklenburg-Vorpommern, wo nächstes Jahr | |
| Landtagswahlen anstehen, eine relevante Zahl an Menschen, die nicht AfD | |
| wählt. Damit das so bleibt und diese Menschen gestärkt werden, seien solche | |
| Projekte essenziell. „Sie geben Hoffnung. Sie ermöglichen einen positiven | |
| Ausblick auf die Zukunft. Sie lassen die Leute spüren, dass sie selbst | |
| etwas gestalten können“, betont Ulbricht im Gespräch mit der taz. | |
| Doch auch Aktivitäten, die nicht auf den ersten Blick antifaschistisch | |
| daherkommen, seien wichtig. Ein gutes Beispiel dafür ist das Engagement des | |
| 73-jährigen Festivalbesuchers Bernd Ehrlich. Nachdem er eine vegane Pasta | |
| mit Chili verspeist und die Reporterin nachgebohrt hat, was er denn nun | |
| treibt, erzählt die Frau an seiner Seite: „Bernd ist [6][Silversurfer].“ | |
| Das heißt, Ehrlich gibt kostenlose Schulungen für ältere Menschen im | |
| ländlichen Raum, in denen er Fragen zu Smartphone, Computer und Internet | |
| beantwortet. Für dieses Ehrenamt hat er zunächst selbst Schulungen besucht, | |
| gefördert vom Bundesprogramm Digitalisierung im Alter. | |
| ## IT-Schulungen: Silvesurfer Bernd Ehrlich | |
| „Mal will einer wissen, ob er auf seinen Rechner noch das neue Windows | |
| draufkriegt, mal geht es darum, wie man eine Antwort von ChatGPT per | |
| copy/paste auf den Merkzettel überträgt“, nennt Bernd einige Fragen, mit | |
| denen die Menschen zu ihm kommen. Über seine Schulungen informiert er mit | |
| einem gelben Zettel, den er im Dorfladen „Konsum“ aushängt. Wenn sich | |
| darauf genug Leute eintragen, reserviert Ehrlich einen Raum im Gemeindesaal | |
| – er war schon in Lassan, Penzlin oder Görmin. | |
| „Das ist ein grandioses Projekt“, findet Soziologe Ulbricht. Erstens beuge | |
| es Frustration vor, denn es vermittle den Menschen: Ach, es liegt gar nicht | |
| an mir, wenn es mit dem Handy nicht gleich klappt, sondern das ist einfach | |
| eine neue Technologie, die man erst lernen muss. | |
| Neben dem Technischen hält Ulbricht solche Schulungen auch mit Hinblick auf | |
| die Demokratie für sinnvoll: Je einsamer die Menschen sind, insbesondere im | |
| ländlichen Raum, desto zugänglicher sind sie für Narrative, dass alles den | |
| Bach runtergehe. Zusammenkünfte wie diese sind ein Schritt gegen | |
| Einsamkeit. In der Gruppe könne man sich außerdem über das austauschen, was | |
| einem im Netz begegnet, oder kritisch über Technologien diskutieren. | |
| Silversurfer Bernd Ehrlich darf zwar keine Empfehlungen für bestimmte | |
| Programme aussprechen und gibt von sich aus keine Themen vor. „Aber bei | |
| Interesse verteile ich Broschüren der Bundesarbeitsgemeinschaft Senioren | |
| (Bagso).“ Die klären ältere Menschen beispielsweise darüber auf, wie sie KI | |
| nutzen, wie sie sich vor Phishing Mails oder dem Enkeltrick schützen | |
| können. | |
| Hält das die Faschisierung auf? „Natürlich nicht unmittelbar“, sagt | |
| Soziologe Ulbricht. „Aber das Internet oder Musik als ‚Tor zur Welt‘ | |
| ermöglichen, gerade Menschen im ländlichen Raum, an dieser Welt | |
| teilzuhaben.“ Derartige Projekte zum Anfassen, Mitmachen und Erleben seien | |
| – unabhängig vom jeweiligen Inhalt – auch deshalb wichtig, weil sie das | |
| Gefühl der Krise konterkarierten, das der rechte Populismus erzeugt. | |
| Als auf der Waldbühne in Demmin das Konzert der „Hinterlandgang“ vorbei und | |
| der euphorische Applaus verhallt ist, bildet sich am Merchandising-Stand | |
| sofort eine Traube aus Fans. Sie wollen Selfies mit der Gruppe. Während der | |
| 19-jährige Jannis und drei Freunde in der Schlange stehen, erzählen sie | |
| über ihren Alltag in der Provinz. Seine vollen Namen will hier niemand | |
| nennen. | |
| ## Alltag: Antifaschismus bei der Arbeit | |
| „Abends macht hier alles sehr früh zu, wenn ich dann noch etwas brauche, | |
| bleibt mir nur die Tanke. Wenn ich da hinlaufe und schon von Weitem eine | |
| Gruppe Jugendliche sehe, drehe ich sofort wieder um. Außer es sind | |
| Mädchen“, sagt Jannis. „Allein ist das zu gefährlich.“ Die Kids, die an | |
| solchen Orten in Gruppen rumhingen, seien alle rechts. | |
| „Aber ich bin links.“ Woher wissen andere das? „Das ist ganz einfach: Ich | |
| trage als einer der wenigsten keine rechten Klamotten“, erklärt der Student | |
| der sozialen Arbeit. [7][Als typisch rechts gelten hier zum Beispiel Marken | |
| wie New Balance, Fred Perry und Alpha Industries] sowie Polohemden mit | |
| Kragen und kurze Haare mit Seitenscheitel. Und außerdem kenne auf dem Land | |
| sowieso „jeder jeden“. | |
| Angesichts der erstarkenden extremen Rechten gehen er und seine Freunde zu | |
| Anti-Nazi-Demos, etwa am 8. Mai. An dem Tag meldet die neonazistische | |
| Partei „Die Heimat“, bis 2023 hieß sie NPD, stets einen „Trauermarsch“… | |
| Demmin an. Rund 200 Neonazis verharmlosen dabei [8][die Verbrechen des | |
| Nationalsozialismus und verbreiten einen geschichtsrevisionistischen | |
| deutschen Opfermythos]. „Dieses Jahr haben wir sogar geschafft, sie zu | |
| blockieren“, erzählt einer der Freunde stolz. | |
| Wäre es aus ihrer Sicht sinnvoll, gemeinsam eine Antifa-Gruppe zu gründen? | |
| „Vielleicht.“ Jannis zuckt mit den Schultern. Dass sie das nicht tun, | |
| obwohl sie alle sehr interessiert sind, habe zwei Gründe, sagt er. „Zum | |
| einen ziehen wir sowieso bald weg.“ | |
| Dass junge Menschen Ostdeutschland verlassen, ist aus Sicht des Anklamer | |
| Soziologen Christian Ulbricht keine Gefahr. Der entscheidende Punkt sei, | |
| [9][ob sie eines Tages wiederkämen.] Der heute 41-Jährige war selbst einige | |
| Jahre in der Welt unterwegs – von den USA über Kolumbien bis an die | |
| Universität Tel Aviv – und bezeichnet sich als „klassischen Rückkehrer“. | |
| „Es mag weit hergeholt klingen“, meint Ulbricht, „aber in Israel habe ich | |
| gesehen, wie gute Politik für die Diaspora funktioniert: Netzwerkpflege, | |
| Alumni-Vereine, Rückkehrer-Programme und so weiter.“ Dass der Kontakt nicht | |
| abreißt, sei wichtig, damit Menschen, während sie in der Welt ihren | |
| Horizont erweitern, weiterhin mitbekämen, was bei ihnen zu Hause passiere | |
| und darin im besten Fall Potentiale sähen, die eine Rückkehr für sie | |
| attraktiv machten. | |
| Jetzt, endlich! Beim Festival sind Jannis und seine Freunde an der Reihe: | |
| Sie schießen ein Selfie mit der Hinterlandgang, stecken die Köpfe über dem | |
| Smartphone zusammen, lachen über das Foto und wenden sich dann wieder der | |
| Reporterin zu. Sie erzählen, was sie noch alles machen: zu CSDs auf dem | |
| Land fahren, rechte Sticker von Laternen abkratzen, im Alltag Haltung | |
| zeigen. „Hier kann es schon ein großes Ding sein, bei der Arbeit den | |
| Hitlergruß eines Kollegen nicht zu erwidern“, erklärt einer. | |
| Und was ist der zweite Grund, dass sie sich nicht als Gruppe organisieren? | |
| Jannis blickt zu Boden. Nach einer kurzen Pause erzählt er – wie zur | |
| Entschuldigung: „Wir haben in Demmin noch einen vierten Kumpel, der links | |
| ist. Der wurde vor einer Weile an der Tanke beim Bierkaufen von einem | |
| stadtbekannten Nazi geschlagen. Ein paar Monate später war unser Kumpel | |
| dann wegen einer Sportverletzung im Kreiskrankenhaus. Als er nach der OP | |
| die Augen aufgemacht hat, hat er ins Gesicht des Krankenpflegers geschaut – | |
| das war der Nazi, der ihn einige Wochen vorher an der Tanke geschlagen | |
| hatte.“ | |
| Die Namen des Pflegers und des Krankenhauses sind der Redaktion bekannt, | |
| werden zum Schutz des Betroffenen aber nicht genannt. Zur Polizei gegangen | |
| sei er „wegen dieser einen Backpfeife natürlich nicht“, sagt er, als die | |
| taz bei dem jungen Mann nachfragt. „Das ist Demmin, was erwarten Sie?“ | |
| Das zeigt: Längst nicht alle rechten Straftaten werden angezeigt, viele | |
| landen in keiner einzigen Statistik. [10][Dennoch hat LOBBI, die | |
| Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer | |
| Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern, 2024 allein 150 rechts motivierte | |
| Angriffe dokumentiert.] Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum | |
| Vorjahr mit 113 Angriffen. | |
| Am häufigsten begingen Rechte demnach einfache (61 Fälle) und gefährliche | |
| Körperverletzung (35). Nötigungen beziehungsweise Bedrohungen erfasste | |
| LOBBI vergangenes Jahr 34 Mal. Das häufigste Motiv war Rassismus, gefolgt | |
| von Angriffen auf vermutete politische Gegner der extremen Rechten. | |
| Die Zunahme der Gewalt und das Erstarken der AfD hängen miteinander | |
| zusammen, davon sind alle überzeugt, mit denen die taz hier spricht. Bei | |
| einem AfD-Politiker aus dem Bundesland hat die Polizei erst vor wenigen | |
| Tagen [11][scharfe Waffen gefunden]. | |
| Das ist also der Vibe in Vorpommern. Umso dankbarer sind Jannis und seine | |
| Freunde der [12][Hinterlandgang], dass sie das 100-Tage-Sommer-Festival | |
| organisieren. „Nicht nur, weil wir die Acts feiern. Sondern auch, weil es | |
| hier einfach mal entspannt ist“, sagt Jannis. | |
| „Uns hat es auch mega Spaß gemacht“, sagt Organisator Albert Münzberg am | |
| nächsten Morgen. „Wir freuen uns jetzt schon aufs nächste Jahr.“ Er | |
| lächelt. Müde. Und zufrieden. Auch finanziell scheint sich alles | |
| auszugehen. Um das Festival zu veranstalten, braucht es rund 20.000 Euro. | |
| Was nicht durch Tickets oder Getränkeverkauf eingenommen wird, fördern | |
| Stadt und Land. Im Hintergrund bauen Hjördis und ein Dutzend weitere | |
| Freiwillige schon die Bühne ab. Hunde bellen, ein Transporter bremst | |
| scharf. „Albert, kommst du bitte mal?“, ruft eine ältere Frau. Der Sänger | |
| muss weitermachen. | |
| Auch der Soziologe Ulbricht hat eigentlich zu tun. Als die taz anruft, | |
| arbeitet er gerade an einem Vortrag, den er vor einer Partei halten soll. | |
| Trotzdem nimmt er sich anderthalb Stunden Zeit für das spontane Interview. | |
| Wenn seine Region sonst in überregionalen Medien auftauche, sei dies fast | |
| ausschließlich mit Themen wie [13][Tourismus oder Rechtsradikalismus] | |
| verbunden. „Das Narrativ, das auch hier in den Köpfen vorherrscht, ist das | |
| über den Abbau von Strukturen. Um dem etwas entgegenzusetzen, brauche es | |
| aber auch eine positive Erzählung – sei es über ein Musikfestival, sei es | |
| über Initiativen für den Nahverkehr.“ | |
| ## Nahverkehr: Teilhaben kann nur, wer hinkommt | |
| Die Initiative hier aus der Gegend, die Ulbricht meint, sammelt derzeit | |
| [14][Unterschriften für ein bezahlbares und besseres Rufbussystem] in | |
| Vorpommern-Greifswald. Diese meist kleineren Fahrzeuge kennt man hier als | |
| „Ilse-Bus“. Sie können per Telefon oder App bestellt werden, wenn kein | |
| regulärer Linienbus fährt. Die Initiative will erreichen, dass die Rufbusse | |
| mit dem Deutschlandticket kostenlos genutzt werden können sowie dass | |
| Strecken und Betriebszeiten ausgeweitet werden. | |
| Einer der Aktivisten ist Johannes Hecht. In einem Video auf Instagram | |
| erklärt der 40-Jährige: „Wenn man nicht von A nach B kommt, fallen | |
| Arztbesuche, Kultur, Sport, die Bibliothek und Amtsbesuche ins Wasser.“ | |
| Während die AfD immer so tue, als würde sie Politik für die Mehrheit der | |
| Menschen machen, behindere sie in erster Linie den Ausbau von Alternativen | |
| zum Auto, namentlich unseren Ilse-Bus, bemerkt Hecht, der sich auch in der | |
| Linkspartei und für andere Arten von Infrastruktur auf dem Land engagiert. | |
| Leider wolle die AfD das Geld, das SPD und Linke im Land für den Rufbus | |
| bereitstellen, von gut 14 Millionen Euro auf 7,6 Millionen kürzen. „Damit | |
| steht die AfD für eine Politik die viele [15][Menschen auf dem Land] | |
| ausgrenzt, da sie ihnen das Grundrecht auf Mobilität verwehrt.“ Viele | |
| Menschen, gerade ganz junge und ganz alte, haben kein Auto, erklärt Hecht, | |
| der in Wietzow bei Anklam aufgewachsen ist. | |
| Er kennt das Gefühl des „Abgehängtseins“ also im wahrsten Sinne des Worte… | |
| Zugleich ist dieser schwammige, von den Feuilletons gebetsmühlenartig und | |
| selbstzufrieden wiederholte Aspekt nicht der einzige Grund für das | |
| Abdriften des Ostens nach rechts. | |
| Wie die meisten seriösen Rechtsextremismus-Forschenden betont auch | |
| Soziologe Ulbricht: Der Erfolg der extremen Rechten ist „multikausal“, hat | |
| also viele verschiedene Gründe. Er ist deshalb überzeugt – „so vielfältig | |
| die Gründe für das Erstarken der extremen Rechten sind, so vielfältig | |
| sollten die demokratischen Antworten darauf ausfallen“. Und die gibt es | |
| hier in Vorpommern. | |
| 25 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Demokratisches-Buendnis-siegt-in-Meck-Pom/!6087141 | |
| [2] /Behoerden-gegen-Anti-Rechts-Festival-/!6105798 | |
| [3] https://de-loite.de/ | |
| [4] https://www.instagram.com/seaeyerostock/ | |
| [5] https://www.cjd.de/de/regionalzentrum-fur-demokratische-kultur-vorpommern-g… | |
| [6] https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/sm/Soziales/Senioren/Medienkomp… | |
| [7] /Rechtsextreme-Mode/!6105320 | |
| [8] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/demmin-wie-rechtsextreme-opfergedenk… | |
| [9] /Zurueck-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5795751 | |
| [10] https://lobbi-mv.de/rechte-gewalt-2024-besorgniserregende-dynamik/ | |
| [11] /Waffenfund-bei-AfD-Politiker-in-Jessnitz/!6102848 | |
| [12] https://www.instagram.com/hinterlandgang_official/ | |
| [13] /Dossier-Mecklenburg-Vorpommern/!vn5799951/ | |
| [14] https://www.openpetition.de/petition/online/besseres-rufbussystem-volle-an… | |
| [15] /Protesttag-in-Mecklenburg-Vorpommern/!6007593 | |
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