| # taz.de -- Atelierbesuch bei Evelyn Kuwertz: Sie hat auch Berlin gestaltet | |
| > Evelyn Kuwertz ist eine viel zu selten ausgestellte Künstlerin. Im Museum | |
| > Ephraim-Palais ist momentan eines ihrer Berlinbilder zu sehen. | |
| Bild: Porträt von Evelyn Kuwertz heute in ihrem Atelier, mit Bildern aus der R… | |
| Älter wirken sie, fast wie Erwachsene, die beiden Mädchen in ihren bunten | |
| Kleidern. Aufrecht stehen sie da, umgeben von graubraunen Häuserwänden, | |
| halten sich an den Händen, blicken ernsthaft von der Leinwand. „Türkische | |
| Mädchen“, 1983, eine Ölmalerei der Berliner Künstlerin Evelyn Kuwertz, zu | |
| sehen momentan im Ephraim-Palais. Man muss sie etwas suchen, sie hängt auf | |
| einer sogenannten Freistelle in der Sammlung zur Stadtgeschichte, gehört | |
| aber zu einer [1][Sonderausstellung zu Berliner Hinterhöfen.] | |
| In einem Hof auf der Oranienstraße hatte Kuwertz sie zufällig entdeckt. So | |
| steht es im Text zum Bild. Kuwertz hatte die Kinder gebeten, sie | |
| fotografieren zu dürfen, auch, weil diese sie an ihre Nachkriegskindheit | |
| erinnerten, als ihre Familie, die aus der Steiermark nach Berlin gezogen | |
| war, als fremd wahrgenommen wurde. | |
| Das ist es vielleicht, was den Zauber der Berlinbilder Evelyn Kuwertz’ | |
| ausmacht: Sie erzählen immer auch von der Künstlerin selbst und ihrer | |
| Beziehung zu ihrer Stadt. | |
| Szenenwechsel: Ein Wagon der U-Bahn-Linie 1, Bahnhof Gleisdreieck. Sitzend | |
| im Vordergrund: ein Herr mit dunklem Haar und Schnauzbart, konzentriert in | |
| einer Zeitung lesend, ihm gegenüber eine Dame mit Kopftuch, sich an ihrer | |
| Handtasche festhaltend. Weitere vereinzelte Großstadtmenschen. | |
| Evelyn Kuwertz hat das Bild für den Besuch in ihrem Atelier in | |
| Berlin-Tempelhof in der Mitte des Raumes aufgestellt. „Bahnhof | |
| Gleisdreieck“, 1979, Öl und Acryl auf Leinwand. Die Künstlerin ist gerade | |
| dabei, ihr Werk zu sortieren, wünscht sich einen Katalog, der alles | |
| zusammenfasst. | |
| Zu sehen bekommt man ihre Arbeiten selbst in Berlin nur selten. Der Gang | |
| ins Ephraim-Palais ist daher dringend empfohlen, auch um den Rest der | |
| [2][Ausstellung „Berliner Höfe – Zwischen Alltag, Arbeit und Begegnung“]… | |
| besuchen. 2026 wird die Galerie im Körnerpark Kuwertz’ feministisches | |
| Engagement in einer Gruppenausstellung vorstellen. Noch ein guter Anlass, | |
| sich mit [3][ihrem Werk] zu beschäftigen, das zuletzt etwas in | |
| Vergessenheit geraten ist. | |
| Kritischer Realismus | |
| In den 1970er und 80ern malte sie bevorzugt die West-U-Bahn, die | |
| Ost-S-Bahn, Bahnhöfe – den S-Bahnhof Schöneberg etwa, „den Lichteinfall | |
| durch die trüben teilweise zerbrochenen Glasfenster, die Architektur“ – im | |
| Stil des kritischen Realismus. Aufflatternde Tauben, treppensteigende junge | |
| Frauen, Wartende am Gleis, Selbstporträts. | |
| Später weckten andere urbane Bauten ihr Interesse: Bunker. Der Hochbunker | |
| in der Pallasstraße. Der Atombunker in der Uhlandstraße unter dem | |
| Ku’damm-Karree. Sie malte Menschen bei der Besichtigung, gruppiert in der | |
| mächtigen Architektur. Immer wieder mit Bedeutung aufgeladene Orte. Die | |
| Oberbaumbrücke zwischen Ost- und Westberlin. Der Landwehrkanal, wo Rosa | |
| Luxemburg ermordet wurde. | |
| „Es geht mir auch um die Assoziationen, die ein Ort auslöst“, sagt Kuwertz. | |
| „Ich gebe ihn nicht nur wieder, sondern interpretiere ihn, auch emotional.“ | |
| Der Blick einer Malerin auf ihre Stadt und auf sich selbst in ihrer Stadt. | |
| Der See am Potsdamer Platz | |
| Mit der Wende zog es sie in den Osten. Eines der ersten Bilder jener Zeit – | |
| sie kramt es hervor, platziert es an der Wand: der Potsdamer Platz von | |
| einem Hochhaus aus von oben fotografiert. Niemandsland. Festgehalten mit | |
| Tempera und Öl auf Leinwand. Zwischen 1992 und 95 entstand ein vierteiliges | |
| Bild zur Baustelle, die sich ebenda breitmachte. Hohe Kräne umgeben von | |
| Wasser, dahinter die Skyline. | |
| Fasziniert habe sie, wie durch die Bauarbeiten mit einem Mal ein See | |
| entstanden war, durch das Grundwasser, das in die Baugruben schoss. Andere | |
| Bilder der Zeit zeigen die Neukonstruktion des Hotel Adlons, die Entkernung | |
| ganzer Straßenzüge, den Umbau der Stadt, für den Kuwertz eine eigene | |
| Ausdrucksweise fand: Sie kippte Fassaden, legte sie wie halbtransparente | |
| Layer davor. „Das war meine Interpretation des Wandels von Berlin Mitte.“ | |
| In dem quadratischen Raum im Tempelhof, in einem [4][Atelierhaus des BBK], | |
| das sie vor wenigen Jahren erst bezog, überlagern sich die Arbeiten und mit | |
| ihnen die Zeiten. Wehmütig könnte einen der Blick auf das Berlin der | |
| Vergangenheit stimmen, gerade jetzt, wo Berlin schon wieder dabei ist, sich | |
| rasant zu verändern. | |
| Berlin als malerisches Thema | |
| Ihre Umgebung habe immer direkten Einfluss auf sie gehabt, sagt die | |
| Künstlerin. „Entweder es wirkt auf mich oder nicht. Wenn eine Situation im | |
| Gedächtnis bleibt, dann fange ich an zu skizzieren und eine Bildidee | |
| entwickelt sich, sie wird umfangreicher und führt zu einem größeren, oft | |
| auch zu mehreren Bildern.“ Berlin war für Kuwertz lange das alles | |
| dominierende Thema, heute fällt ihr zu ihrer Stadt nichts mehr ein. | |
| Sie habe ja auch viel gemacht. Berlin war ihre Wirkungsstätte, nicht nur | |
| als Malerin: „Berlin hat mich gestaltet, aber ich habe auch Berlin | |
| gestaltet.“ Was sie meint, hat mit der Wahrnehmung und der Repräsentation | |
| von Frauen in der Kunst zu tun, damit, was es bedeutet, Künstlerin und | |
| Feministin zu sein. Heute wie damals, weil das heute anders wäre ohne eine | |
| wie sie. | |
| Evelyn Kuwertz ist 1945 in Österreich geboren, aufgewachsen aber in | |
| Westberlin. Als Tochter einer Arbeiterin und eines Mechanikers, erschien | |
| eine Laufbahn als Künstlerin außer Reichweite. Erst machte sie eine | |
| Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin, arbeitete vier Jahre in | |
| dem Beruf, bewarb sich dann doch an der Hochschule der Künste und wurde | |
| aufgenommen. | |
| 1969 war das, zur Zeit der Studentenbewegung. Politisiert sei sie da schon | |
| gewesen, sagt sie, sie wollte nicht bei irgendwem studieren – „Wir wollten | |
| eine freie Klasse“. Wir, damit meint sie sich selbst, ihre Freundin und | |
| Kommilitonin Antonia Wernery und sechs Kommilitonen. Hermann Bachmann, | |
| dessen Meisterschülerin sie später wurde, sei damals der einzige Professor | |
| gewesen, der sie unterstützte – funktioniert habe dieses Projekt nicht. | |
| Erst mit Georg Kiefer, der als Gastdozent an der Hochschule über | |
| Projektarbeiten referierte, eröffneten sich Möglichkeitsräume. Zu Kuwertz | |
| und Wernery stieß Brigitte Mauch, die Ausstellungsdesign studierte. | |
| Stereotypen aufgefächert | |
| In ihrem Projekt erstellten die drei ein Environment mit großen Bildtafeln | |
| „Zur Situation von Frauen in Familie und Gesellschaft“. Stereotype | |
| Darstellungen von Frauen in den Medien, Alltagssexismus, aufgefächert nach | |
| den Rollen als Mutter, Ehefrau, Sexualobjekt, Hausfrau, bildlich umgesetzt | |
| in vielerlei Techniken, Siebdruck, Collagen, Zeichnungen. | |
| „Nach anfänglichem Misstrauen wurden wir von den Professoren respektiert. | |
| Wir haben auch unglaublich viel gearbeitet“, erzählt Kuwertz. Den größten | |
| Raum gab es dafür, groß genug auch, um dort zwischendurch Karate zu üben. | |
| Geplant war eine Ausstellung 1973 in der Landesbildstelle, kurz vor der | |
| Eröffnung wurde diese jedoch vom damaligen Berliner SPD-Schulsenator Gerd | |
| Löffler verboten, „wegen sittlicher Bedenken“. Anstoß nahm er an der | |
| Darstellung einer Vergewaltigung in der Ehe, damals legal wohlgemerkt. | |
| Als Ersatz bauten sie die Ausstellung für einen Tag in der HdK auf – ein | |
| Skandal. Auch später wurden die Tafeln nie institutionell ausgestellt. | |
| Frustrierend sei das gewesen. „Wir waren sehr jung und unerfahren. Wir | |
| konnten das nicht so vermarkten wie ein Baselitz, als dessen ‚große Nacht | |
| im Eimer‘ verboten wurde. So klug waren wir nicht“, sagt sie. Aufbewahrt | |
| hat sie zum Glück alles, in der Galerie im Körnerpark wird ein Teil davon | |
| zu sehen sein. Mehr als 50 Jahre später. | |
| Vergessene Frauen der Kunstgeschichte | |
| 1977 folgte ein Ausstellungsprojekt, das eröffnen konnte, trotz Hürden. | |
| Gemeinsam mit Renate Gerhardt und [5][Sarah Schumann] hatte sich Kuwertz | |
| auf die Suche nach den vergessenen Frauen der Kunstgeschichte gemacht, | |
| historischen wie zeitgenössischen. „Künstlerinnen international 1877 – | |
| 1977“, war ein NGbK-Projekt, es brauchte jedoch zwei Anläufe, um den | |
| Vorschlag durchzubekommen. | |
| „Zu unpolitisch“, „nicht relevant“ hätten die männlichen Mitglieder d… | |
| Idee gefunden: „Es war wie an der Hochschule, die Männer haben das gar | |
| nicht wahrgenommen.“ Kuwertz und ihre Mitstreiterinnen mobilisierten | |
| Frauen, die extra für die Abstimmung in die NGbK eintraten. Die Ausstellung | |
| zeigte 182 Künstlerinnen, nur Frauen, das war damals neu. „Wir waren die | |
| ersten in Deutschland, die Frida Kahlo zeigten“, Kuwertz sagt es mit Stolz. | |
| Und auch etwas Trotz. | |
| Gegenwind hatten sie von allen Seiten bekommen. Von Zurechtweisungen | |
| spricht Kuwertz. Sie hätten damals nur gehört, was fehlen würde, sagt sie: | |
| „Wenn man überlegt, welche Mittel wir zur Verfügung hatten, wie klein die | |
| Gruppe der Frauen war, die dieses Projekt erarbeiteten, war das im Grunde | |
| ein Wahnsinn.“ | |
| In den 1980ern gehörte Kuwertz dann zu den Mitinitiatorinnen des | |
| „Verborgenen Museums“, das in den Sammlungen Berliner Museen nach Werken | |
| von Künstlerinnen forschte. Auch damit hatte sich bis dahin niemand | |
| beschäftigt. Und daran erinnern muss man mittlerweile leider auch wieder: | |
| Seit 2022 hat das Museum keinen Ort mehr. Übernommen wurde es von der | |
| Berlinischen Galerie, gehört hat man von ihm seitdem nichts mehr. | |
| 9 Aug 2025 | |
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| [2] /Ausstellung-ueber-Berliner-Hinterhoefe/!6098180 | |
| [3] https://evelyn-kuwertz.berlin/ | |
| [4] /Sorge-um-Arbeitsraeume-fuer-Kuenstler/!6069078 | |
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| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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