| # taz.de -- Die Kunst der Woche: Umgestaltung der Dinge | |
| > Billy aus dem Häuschen, Espresso der Langsamkeit: Diese Woche ändern sich | |
| > die Verhältnisse mit Werken von Krys Huba und Atiéna R. Kilfas. | |
| Bild: Installationsansicht, Krys Huba, „All of those records; tell me, bee“… | |
| Für die Darstellung des Standardisierten, mit dem wir uns umgeben, mit und | |
| in dem wir uns einrichten, hat Künstler*in Krys Huba ein Material | |
| gefunden, das sich dafür wie kaum ein anderes eignet: Billy Regale. Huba | |
| sucht die Ikea-Möbel auf Kleinanzeigen, bei eBay oder auf der Straße, | |
| benutzt mit Vorliebe solche Exemplare, die Spuren des Gebrauchs zeigen, die | |
| abgelebt oder ausgeblichen sind. | |
| In Hubas Ausstellung „All of these records; tell me bee“ im | |
| [1][Künstlerhaus Bethanien] entdeckt man sie wieder, als Elemente von Raum | |
| einnehmenden Installationen. Zusammengebaut sind sie dort freilich nicht | |
| nach Bedienungsanleitung, zeigen lässt sich an den Pressspanbrettern eben | |
| auch, wie leicht sich Dinge auseinandernehmen und umgestalten lassen. | |
| Fast wie Gebäude wirken die Regalkonstruktionen. Behausungen und wie diese | |
| von ihren Bewohner*innen angeeignet werden, ist etwas, was Huba | |
| umtreibt. Nicht nur, was Menschen betrifft. Zu jener, bereits im | |
| Ausstellungstitel benannten fiktiven Figur „bee“ etwa, haben Huba unter | |
| anderem ein paar Röhrchen aus einem Insektenhotel inspiriert, die im „Lost | |
| & Found“ des Atelierhauses gelandet waren. Bee ist nun unter anderem eine | |
| von zwei Personen, die sich in Hubas zur oder während der Arbeit an der | |
| Ausstellung entstandenen Texten im Dialog über das sich Finden und sich | |
| Zurechtfinden unterhalten. Und der Grund, warum man bei den gelblichen | |
| Latexschichten, die Huba an den Billy-Wänden befestigt hat, sofort an | |
| Bienenwachs denken muss. | |
| Überhaupt spielt Huba mit Assoziationen, mit vertrauten Bildern – indem | |
| Huba in die Billy-Wände Zeichen und Texte ritzt etwa, wie vielleicht fast | |
| jede*r damals im Jugendzimmer, und diese als Latexabdrücke ausstellt. Oder | |
| indem dey Fundstücke, Alltagsdinge, Kitschiges liebevoll platziert. Via | |
| Malerei wiederum widmet Huba sich Subjekten, malt Körperteile, Oberkörper | |
| vor allem, die sich binären Geschlechterkategorien entziehen und mal mehr, | |
| mal weniger an Schmetterlinge erinnern. Ein Wesen, das sich transformiert, | |
| das für Übergänge steht. Darum eben geht es stets bei Huba, um | |
| Veränderlichkeit, Fluidität. „All of these records; tell me bee“, zweites | |
| Kapitel der Reihe „Becoming B“ im Künstlerhaus Bethanien, spürt queerer | |
| Identität nach, fragt nach Zugehörigkeiten, subtil, poetisch, leichtfüßig. | |
| ## Das Schnelle verlangsamt | |
| Der allmorgendliche Spielbetrieb in der heimischen Küche: Kaffee aufbrühen, | |
| in die Tasse gießen, ein Stück Zucker hineinpurzeln lassen. Dazu der Blick | |
| auf die Titelzeilen der Tageszeitung. Atiéna R. Kilfas hat in ihrer | |
| Ausstellung in der [2][Galerie Neu] – es ist ihre erste in der Berliner | |
| Galerie – die Requisiten dafür in Szene gesetzt. Hochglänzend wie Werbung | |
| in glossy Magazinen sind die Fotografien des Inneren einer Porzellantasse. | |
| Einmal drei, einmal sechs nebeneinander, „Espresso Adagio“, den Moment, in | |
| dem die Tasse gefüllt wird, in die Länge gezogen, der schnelle Kaffee | |
| extrem verlangsamt. So nah und reduziert, dass es fast abstrakt wirkt. Auf | |
| den ersten Bildern ist kaum zu erkennen, was man da eigentlich sieht. | |
| „Schau genau hin“, das ist es, was die Künstlerin ihrem Publikum auf | |
| unterschiedliche Art und Weise zuzuraunen scheint. | |
| Atiéna R. Kilfas, ars-viva-Preisträgerin 2024, 1990 in Frankreich geboren, | |
| mittlerweile in Berlin lebend, arbeitet mit Fotografie, Video, Skulptur und | |
| Installation, untersucht (westliche) Bildtraditionen, visuelle Archetypen, | |
| filmische Konventionen, dechiffriert die Rolle von Bildern im Film, | |
| hinterfragt, wie diese ein Zeitgefühl schaffen, Ideen vermitteln, | |
| Perspektiven lenken. | |
| Bei den beiden motorisierten, auf Aluminium übertragenen Zeitungen ist das | |
| mit dem genauen Hinschauen allerdings ein wenig kompliziert. Die zwei | |
| Zeitungstitel im Tabloid-Format drehen sich so schnell um sich selbst, dass | |
| man die Schlagzeilen kaum lesen kann. Wie in alten Filmen oder wie im | |
| Trickfilm, wenn die Neuigkeiten hereinprasseln. Man muss einen Trick | |
| anwenden, sie mit dem Smartphone aufnehmen, dann auf Pause drücken. | |
| Einem Film Noir scheint indes die Szene entsprungen, die ein schwarz-weißer | |
| Stummfilm zeigt, den man erst sieht, wenn man hinter eine Wand geht: ein | |
| älterer Herr in einem altmodisch-eleganten Büro. Sein Kinn hat er wie zum | |
| Nachdenken auf die Hand gestützt, ernst schaut er in die Kamera. Oder | |
| nicht? Etwas stimmt nicht, der Schein trügt. Man muss weiterschauen, um das | |
| herauszufinden. Was es ist, sei an dieser Stelle nicht verraten. Viel | |
| besser ist es, es mit den eigenen Augen in der Galerie zu sehen. | |
| 12 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://bethanien.de | |
| [2] https://galerieneu.net | |
| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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