| # taz.de -- Schau zu Emma Jungs Malerei in Zürich: Sie malen sich ins Unbewuss… | |
| > Das Cabaret Voltaire in Zürich entdeckt psychoanalytische Bildstudien | |
| > Emma Jungs, Gattin von C. G. Jung. Der wäre am 26. Juli 150 Jahre alt | |
| > geworden. | |
| Bild: Der Nabel der Welt: Ausstellungsansicht mit Rebecca Ackroyds „The World… | |
| Leicht könnte man vorbeigehen an dem sandfarbenen Haus. [1][Das Cabaret | |
| Voltaire liegt im Zürcher Niederdorf], mitten im touristischen Zentrum, wo | |
| sich in schmalen Gässchen Boutiquen und Cafés aneinanderreihen. Von außen | |
| erinnert eine Marmortafel an der Wand zur Spiegelgasse, an das, was sich | |
| dort im Jahr 1916 zugetragen hat, eine nur wenige Monate andauernde Episode | |
| in der Geschichte des Gebäudes, die dieses aber weltberühmt gemacht hat: | |
| „In diesem Haus wurde am 5. Febr. 1916 das Cabaret Voltaire eröffnet und | |
| der Dadaismus begründet“. | |
| Heute ist es an der Kunsthistorikerin Salome Hohl, den Geist von Dada | |
| lebendig zu halten, mit der Gegenwart in Beziehung zu setzen. Seit 2020 | |
| leitet sie als Direktorin das Haus, das vieles in einem ist: | |
| Künstlerkneipe, Bibliothek, Bühne und Ausstellungsraum. „Tage und Nächte“ | |
| heißt die aktuelle Sonderausstellung, die Werke der Psychoanalytikerin Emma | |
| Jung und der zeitgenössischen Künstlerin Rebecca Ackroyd zusammenbringt, in | |
| die inneren Welten von beiden hineinführt. Was Jungs Psychoanalyse und Dada | |
| verbindet? Das Unbewusste hervorholen wollen Beide. | |
| Bekanntschaft mit Ackroyd, geboren 1987, hätte man im vergangenen Jahr | |
| [2][während der Kunstbiennale in Venedig] gemacht haben können. Surreal | |
| anmutende Skulpturen aus Kunstharz und Alltagsmaterialien sowie Malerei | |
| hatte sie dort auf ihre „Mirror Stage“ gebracht. Im Winter folgte eine | |
| Einzelausstellung in der Kestner Gesellschaft in Hannover. Für die | |
| Zeichnungen, Malereien, Gedichte und weiteren Papierarbeiten Emma Jungs | |
| aber ist es eine Premiere. Nie zuvor wurden Werke Jungs irgendwo in einer | |
| Ausstellung gezeigt. | |
| Jung, geboren 1882, gestorben 1955, war sie die Frau von Carl Gustav Jung. | |
| Sie so einzuführen, fühlt sich nach dem Besuch von „Tage und Nächte“ ebe… | |
| notwendig wie falsch an. Dass sie weit mehr war als „die Frau von“, | |
| kommuniziert diese Schau erfolgreich. Andererseits ist es gerade spannend, | |
| Emma Jungs Arbeit, ihre Kosmologie, ihre symbolhaft aufgeladenen Bilder in | |
| Abgrenzung [3][zu dem nicht unumstrittenen C. G. Jung zu betrachten], | |
| dessen Geburtstag sich am 26. Juli zum 150. Mal jährt. | |
| Emma Jungs Werk wird gerade erst neu entdeckt, nicht nur im Zürcher | |
| Niederdorf: Bei Princeton University Press erschien kürzlich eine erste | |
| umfassende Publikation über das Schaffen Jungs, „Dedicated to the Soul“ | |
| (2025). Jungs erste Arbeit, das kann man einer lesenswerten Broschüre zur | |
| Ausstellung entnehmen, war eine psychologische Deutung des Märchens „Die | |
| zwei Brüder“. | |
| Seit 1910 war sie Teil der Zürcher Gruppe der Psychoanalytischen | |
| Vereinigung, später umbenannt in „Verein für Analytische Psychologie“, ab | |
| 1916 erste Präsidentin des von C. G. Jung angeregten Psychologischen Clubs. | |
| Im Fokus ihres beruflichen Interesses lag vor allem der Prozess der | |
| „Individuation“, der Entwicklung eines Menschen zur eigen- und | |
| selbstständigen Persönlichkeit also, was sich aus vielen ihrer Zeichnungen | |
| und Malereien herauslesen lässt. | |
| ## Vulkan unterm Sternenhimmel | |
| Vor Ort ist es noch interessanter, diese direkt zu studieren. Einem Kind in | |
| blauem Kleid begegnet man da unter anderem, das an eine schwere Holztür | |
| klopft oder dunklen Krähen gegenübersteht, einer Schutzmantelmadonna, die | |
| jedoch keine Menschen, sondern einen Baum voller Vögel und blühende Blumen | |
| unter sich birgt, einem Vulkan unterm Sternenhimmel, aus dem tiefblaue Lava | |
| fließt, Mauern und Gitterstäben, einem Skorpion, der auf ein Kreuz blickt, | |
| sodass sich die Form eines Schwerts – des Grals? – ergibt, einer züngelnden | |
| Schlange, Ornamentalem, Planetarem, Abstraktem. | |
| Als Kunst sind diese nicht entstanden, Jung zeichnete, malte, schrieb, um | |
| Zugang zu ihrem Unbewussten zu erlangen. So lesen kann man sie aber, | |
| Ähnlichkeiten zu Zeitgenossinnen wie Emma Kunz oder Olga Fröbe-Kapteyn | |
| ergeben sich da, oder auch zu [4][Hilma af Klimt]. | |
| Ackroyd wiederum hat sich in Vorbereitung intensiv mit Jungs Skizzenheften | |
| und Notizbüchern beschäftigt, mit ihrem „Schwarzen Buch“ besonders, das | |
| Haus der Jungs in Küsnacht besucht, hat sich nicht ganz freiwillig sogar an | |
| ihre Praxis angepasst: Nachdem Ackroyd ihr Atelier in Berlin verloren | |
| hatte, konzentrierte sie sich wie Jung aufs kleine Format, hielt in | |
| Zeichnungen Träume und Visionen fest. | |
| Wie Kommentare auf Jung wirken auch Ackroyds intensiv riechende Skulpturen | |
| aus Bienenwachs, zusammengesetzt aus Taucherköpfen, Füßen, Händen, Kameras, | |
| Sägeblättern. Scheinbar den Bezug zur Realität übernimmt schließlich ein | |
| Karussell gefundener Dias. Sie zeigen Knochenstrukturen oder den Weltraum, | |
| Dinge also, die zwar existieren, uns aber eher selten unter die Augen | |
| kommen. | |
| „Was begraben in der Tiefe, wie mag es ans Licht gelangen?“, so beginnt ein | |
| Gedicht Jungs auf einem Bildzyklus von 1917/18. Was Emma Jungs | |
| erstaunliches Werk betrifft, ist die Ausstellung hoffentlich ein erster | |
| Schritt. | |
| 25 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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