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# taz.de -- Asylverfahren in der EU: Gerichte können sichere Herkunftsstaaten …
> Der Europäische Gerichtshof stoppte Manöver von Italiens Regierungschefin
> Meloni. Sie versuchte, die Kontrollrechte der Gerichte auszuhebeln.
Bild: Die italienische Ministerpräsidentin Meloni dürfte sich nicht über das…
Freiburg taz | Die italienische Regierung kann „sichere Herkunftsstaaten“
per Gesetzesdekret festlegen. Das entschied jetzt der Europäische
Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Allerdings können nationale Gerichte die
Einstufung der Regierung auch dann kontrollieren, wenn sie per Gesetz
erfolgte. Das hat auch Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage.
Konkret ging es um den Fall von zwei Männern aus Bangladesch. Diese wurden
im Oktober 2024 von der italienischen Küstenwache im Mittelmeer gerettet
und [1][anschließend nach Albanien gebracht.] Dort will die italienische
Regierung die Asylverfahren aller Flüchtlinge aus als „sichere
Herkunftsstaaten“ eingestufte Länder abwickeln.
Ein Gericht in Rom ordnete jedoch die Überstellung der beiden Männer nach
Italien an, weil die Einstufung von Bangladesch als sicherer Herkunftsstaat
zweifelhaft sei. Die italienische Regierungskoalition hatte die Einstufung
„sicherer Herkunftsstaaten“ per Gesetz eigentlich eingeführt, um die
Kontrolle der Gerichte auszuschalten. Da auch andere italienische Gerichte
ähnlich entschieden, war das ambitionierte Albanien-Modell der
konservativen Regierungschefin Giorgia Meloni vorerst gescheitert. Sie
hatte in Abstimmung mit der linken Regierung Albaniens dort zwei große
Lager errichten lassen, die faktisch aber nur an insgesamt fünf Tagen in
Betrieb waren.
Auf Vorlage des römischen Gerichts entschied jetzt der Europäische
Gerichtshof über grundlegende Fragen im Fall der beiden Bangladescher.
Dabei ging es nur um die Einstufung von sicheren Herkunftsstaaten, nicht um
die Zulässigkeit von EU-Asylverfahren in Nicht-EU-Staaten wie Albanien.
## Keine einheitliche Liste für „sichere Herkunftsstaaten“
Eine EU-Asyl-Richtlinie sieht schon seit 2013 vor, dass EU-Staaten
bestimmte Staaten als „sichere Herkunftsstaaten“ einstufen können. Es gibt
dabei keine einheitliche EU-Liste. Anträge von Personen aus diesen Staaten
dürfen beschleunigt erledigt werden. Die Asylbehörden können dann vermuten,
dass der Asylantrag unbegründet ist. Allerdings kann ein Antragsteller aus
einem sicheren Herkunftsstaat die Vermutung für seinen konkreten Fall
widerlegen.
Der EuGH hat nun zur Einstufung von Staaten als „sichere Herkunftsstaaten“
mehrere Grundsatzfragen geklärt. So kann die Einstufung per Gesetz
erfolgen. In Deutschland ist das schon lange üblich, in Italien wurd es
erst jüngst eingeführt. Dennoch können Gerichte bei der Prüfung von
konkreten Asylanträgen auch die Einstufung des Herkunftsstaats überprüfen.
Das ist in Italien relevant für die Verfahrensfrage, ob das Asylverfahren
in Albanien durchgeführt werden darf.
Dabei muss die Regierung schon bei der Einstufung eines Staates alle
Quellen nennen, auf die sie die Einstufung als „sicher“ stützt. Prüfende
Gerichte können aber auch andere Quellen, etwa Informationen von NGOs,
hinzuziehen, so der EuGH.
## Sicher für alle Bevölkerungsgruppen
Wenn ein Herkunftsstaat als „sicher“ eingestuft wird, muss dies für das
gesamte Staatsgebiet und alle Gruppen der Bevölkerung gelten, also zum
Beispiel auch für ethnische Minderheiten oder Homosexuelle. Diese
Anforderung gilt allerdings nur noch zeitlich begrenzt. In der Reform des
[2][Gemeinsamen EU-Asylsystems] (GEAS) haben die EU-Staaten nämlich
bestimmt, dass ab Juni 2026 auch Staaten als „sichere Herkunftsstaaten“
eingestuft werden können, wenn bestimmte Gebiete und bestimmte Gruppen
nicht sicher sind. Die EU-Kommission will diesen Punkt der neuen
EU-Verfahrensverordnung sogar noch zeitlich vorziehen, die EU-Staaten und
das EU-Parlament haben dies aber noch nicht beschlossen. Der EuGH zeigte
hierzu aber keine Bedenken.
Bezüglich des Staates Bangladesch hatten italienische Gerichte Zweifel, ob
das gesamte Staatsgebiet sicher ist. Hierzu äußerte sich der EuGH nicht,
sondern überließ die Prüfung den italienischen Gerichten. Das Manöver der
italienischen Regierung, die sicheren Herkunftsstaaten per Gesetz
festzulegen, um die italienischen Gerichte auszuschalten, ist damit
gescheitert.
Das EuGH-Urteil hat auch Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage. Dort
können schon seit einer Grundgesetzänderung 1992 „sichere Herkunftsstaaten�…
per Gesetz bestimmt werden. Die deutsche Regelung war quasi das Vorbild für
die EU-Richtlinie von 2013. Derzeit sind in Deutschland 10 Staaten als
sichere Herkunftsstaaten festgestellt: Albanien, Bosnien und Herzegowina,
Georgien, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Moldau, Senegal,
Serbien.
Nach dem EuGH-Urteil können nun auch deutsche Verwaltungsgerichte bei der
Prüfung einer Asyl-Klage die Einstufung eines Staates als „sicherer
Herkunftsstaat“ prüfen. Bisher konnte diese Prüfung nur das
Bundesverfassungsgericht vornehmen, da die Einstufung per Gesetz erfolgte.
## Bundesregierung plant Reform
Die Bundesregierung will die Einstufung künftig aber ohnehin per
Rechtsverordnung vornehmen. Dann müsste der Bundesrat nicht mehr zustimmen,
indem bisher die Grünen oft blockierten. Das EuGH-Urteil steht dieser
Reform nicht entgegen. Der EuGH hält die Einstufung von „sicheren
Herkunftsstaaten“ per Gesetz für möglich, aber nicht für zwingend.
Die Einstufung als „sicherer Herkunftsstaat“ hat in Deutschland vor allem
symbolische, abschreckende Bedeutung, weil die Vermutung ja widerlegbar
ist. Die Beschleunigung des Asylverfahren wurde von der Bundesregierung
einmal auf zehn Minuten beziffert. Dagegen hat die weitere
Grundgesetzänderung von 1992, wonach die Einreise über einen [3][„sicheren
Drittstaat“] das Asylrecht unwiderleglich ausschließt, das deutsche
Asylgrundrecht 1992 faktisch abgeschafft. Das Asylrecht beruht in
Deutschland seitdem fast nur noch auf EU-Recht.
1 Aug 2025
## LINKS
[1] /Abschiebelager-in-Albanien/!6062179
[2] /Europaeische-Asylrechtsreform-Geas/!6003865
[3] /Schaerfere-EU-Asylregeln-beschlossen/!6010732
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Asylverfahren
sichere Herkunftsländer
GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem)
EuGH
Italien
Bosnien-Herzegowina
Giorgia Meloni
Migration
Asyl
EU-Recht
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