| # taz.de -- Datenmüll verbrauchen: Noch 148.713 Mails checken | |
| > Das Mail-Postfach quillt über, das nervt und verschwendet Ressourcen. | |
| > Leert also eure Postfächer! Das befreit auch den Kopf. | |
| Bild: So viele Mails, wie Tim Bendzko in seinem Song zu lesen hat, liegen bei u… | |
| In einem meiner Postfächer liegen 7.697 ungelesene Mails. Weil die meisten | |
| Mails eben nichts Wichtiges mit sich bringen, sondern unnötige Angebote, | |
| unschöne Reminder und leider auch Verzweiflung über die eigene Unfähigkeit | |
| zu organisieren. [1][Das britische Ministerium für Umwelt, Ernährung und | |
| Agrarangelegenheiten springt jetzt allen zur Seite, die sich – wie ich – | |
| selbst nicht zum digitalen Ausmisten aufraffen können und fordert: Löschen | |
| Sie ihre alten Mails – für die Umwelt]. Danke. | |
| Die aktuelle Wasserknappheit in England wurde bereits als „national | |
| bedeutsam“ eingestuft, die Wasserstände vieler Flüsse und Stauseen sinken | |
| immer weiter, und Anfang der Woche hat sich deswegen eine nationale | |
| Dürregruppe getroffen. Dabei rausgekommen ist auch ein Appell an die | |
| Bevölkerung. „Löschen Sie alte E-Mails und Bilder, denn Rechenzentren | |
| benötigen große Mengen an Wasser, um ihre Systeme zu kühlen.“ [2][Auch wenn | |
| Expert*innen darauf hinweisen, dass das Löschen von Mails weniger spart | |
| als etwa eine reduzierte Gartenbewässerung]. Schaden wird es nicht. Wie | |
| viel Wasser Rechenzentren verbrauchen, hängt vom Kühlsystem und der | |
| Umgebungstemperatur ab. [3][Laut der schweizerischen Handelszeitung] sind | |
| es zwischen ein und neun Liter Wasser, die pro kWh Serverenergie verdampft | |
| werden. Also: höchste Zeit, jetzt endlich mal digital aufzuräumen. | |
| Auf meinem Handy sind über 350 Tabs geöffnet, von denen einige immer wieder | |
| nachladen, also wieder Energie ziehen. Auf meinem Laptop über 70. Warum? | |
| Weil ich Angst habe, Informationen zu verlieren. Den Online-Artikel, den | |
| wollte ich doch dringend noch lesen! Die Dokumentationsseite linker | |
| Wohnkultur, die hat mir eine Freundin geschickt. Vor 6 Jahren, klar. Aber | |
| ich brauche den doch! | |
| ## Wie sehr kann man sich optimieren? | |
| „Does it spark joy?“, fragte Aufräumprofi Marie Kondō in ihrer Serie von | |
| 2019. Damals wurde das Ausmisten und der Minimalismus mal wieder so richtig | |
| modern. Ein bisschen zu Recht, ein bisschen aber als überhebliche | |
| Angeberei: Schau nur, wie toll ich mich von Dingen trennen kann, wie | |
| optimiert ich bin. Digital funktioniert die Frage nicht unbedingt. Viele | |
| meiner über 400 geöffneten Tags bereiten Freude. Oder würden sie, wenn ich | |
| sie denn nun wirklich endlich läse. Was ich auch nicht lese: den Newsletter | |
| vom konservativen Lokalmedium. Und die Ankündigung der Neuerscheinungen vom | |
| Comic-Verlags in meinen Mails? Ich gehe eh lieber in den Buchladen. | |
| Abmelden! | |
| Eine Mail zu senden, zieht Energie. Bei einer kurzen Mail sind es 0,3 Gramm | |
| CO2, die draufgehen, wenn sie länger ist oder Anhänge hat, ist es | |
| entschieden mehr. Nur fürs Senden. Bitte entscheiden Sie sich jetzt nicht | |
| deswegen für einen Brief! Der kommt auf 20 Gramm CO2. Viel wichtiger ist | |
| die Überlegung: Muss ich diese Mail schicken? Wirklich an so viele | |
| Menschen? Wirklich mit Foto? Hinzu kommt dann noch das Aufbewahren. Während | |
| die Psyche schon extrem davon profitieren kann, wenn es keine ungelesenen | |
| Mails mehr gibt, tut es der Umwelt vor allem gut, wenn wir sie löschen. Am | |
| besten wäre es, wenn wir sie gar nicht erst bekommen. | |
| Leider müssen wir auch ans Thema Freizeit ran: Streaming wird seit Jahren | |
| immer wieder – zu Recht – für seine miese Ökobilanz kritisiert. Statt | |
| allein vor dem Laptop zu sitzen, braucht es eine Rückkehr zum Filmabend! | |
| Manches Streaming ist aber wirklich unnötig, sinnfrei in die Länge gezogene | |
| Zoom-Gespräche in der Arbeit etwa. Wer dabei seine Kamera ausschaltet, | |
| spart schon mal ein bisschen was an Energie (und Wasser), kann nebenbei die | |
| Augen verdrehen und Wäsche aufhängen. | |
| Außerdem müssen wir aufhören, Chat-Gruppen vollzuspammen. Das schadet der | |
| Umwelt und nervt. Manchmal hilft schon eine kleine Entscheidung. Schicke | |
| ich das Foto mit den Stachelschweinen oder das mit den Affen nach meinem | |
| Tag im Tierpark? Beide? Falsch! Die Antwort lautet: Stachelschwein. | |
| ## Die Cloud frisst und säuft | |
| Das heißt nicht, dass das Affenbild nicht auch Energie frisst. Denn wird es | |
| vielleicht automatisch in die Cloud geladen? Die Cloud ist praktisch. Sie | |
| lässt uns einfach Daten teilen und bewahren. Und sie frisst Energie und | |
| säuft unser Wasser. | |
| Die digitale [4][Raupe Nimmersatt heißt aber KI.] [5][Laut einer Studie] | |
| der University of California und der University of Texas von 2023 brauchte | |
| es 5,4 Millionen Liter Wasser, um ChatGPT-3 zu trainieren. 700.000 Liter | |
| davon allein für die Kühlung der Rechenzentren. Hinzu kommt das, was wir | |
| mit unseren Chat-Anfragen weglitern. Klar, wir alle dürfen rumspielen, Spaß | |
| haben, chatten. Aber wir sollten uns darüber bewusst sein, was das für | |
| unseren Planeten bedeutet und ein bisschen runterfahren. | |
| Doch es hilft nichts, wenn vor allem an Privatpersonen appelliert wird. | |
| Wichtig wären härtere Regelungen für Tech-Firmen. Damit sie | |
| ressourcensparender KI trainieren. Damit sie die Daten von Nutzer*innen | |
| kürzer aufbewahren, verarbeiten und teilen. Und wir löschen währenddessen | |
| unsere Mails! | |
| 15 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.gov.uk/government/news/national-drought-group-meets-to-address-… | |
| [2] https://www.srf.ch/news/international/wegen-duerre-in-grossbritannien-e-mah… | |
| [3] https://www.handelszeitung.ch/specials/institutionelle-anleger-2024/wasserm… | |
| [4] /Weshalb-der-globale-Stromverbrauch-in-2024-um-mehrere-Prozent-gestiegen-is… | |
| [5] https://arxiv.org/abs/2304.03271 | |
| ## AUTOREN | |
| Johannes Drosdowski | |
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