| # taz.de -- Verbot queerer Symbole im Parlament: Kein Regenbogen am Bundestag | |
| > Mehrere Abgeordnete mussten auf Anweisung der Bundestagsverwaltung | |
| > Regenbogenflaggen abnehmen. Kritik gibt es von Grünen, Linken und auch | |
| > aus der SPD. | |
| Bild: Die Regenbogenflagge als Zeichen für Solidarität mit queeren Menschen | |
| Berlin taz | Am Samstag findet im Berliner Regierungsviertel der | |
| diesjährige Christopher Street Day statt. Die Vorfreude trübt jedoch, dass | |
| queere Menschen weltweit [1][in einen Kulturkampf von rechts] geraten und | |
| auch in Deutschland wieder um die mühsam erstrittene Sichtbarkeit kämpfen | |
| müssen. Die Diskussionen darüber machen auch [2][vor dem Bundestag nicht | |
| Halt]. | |
| Anfang des Monats hatten [3][Vorgänge im Parlament für Schlagzeilen | |
| gesorgt]. Nachdem die Abgeordnete Stella Merendino (Linke) eine | |
| Regenbogenfahne aus ihrem Büro hängte und an ihrer Tür einen Aufkleber | |
| anbrachte, erhielt sie eine Mail der Bundestagsverwaltung: Sie solle die | |
| Gegenstände wieder abnehmen. Dieser Aufforderung [4][sei sie nachgekommen], | |
| erklärte Merendino bei ZDF Frontal. Später sei die Polizei des Bundestages | |
| vorbeigekommen, um dies zu überprüfen. | |
| Lina Seitzl von der SPD erlebte ähnliches, sie sprach im Tagesspiegel von | |
| einer „Jagd auf Regenbogenfahnen“. Insgesamt sieben Mal seien | |
| Abgeordnetenbüros wegen Zurschaustellung von Regenbogensymbolen ermahnt | |
| worden, gab die Verwaltung an. | |
| Die Maßnahme sende „das fatale Signal, dass queere Sichtbarkeit im | |
| parlamentarischen Raum unerwünscht sei – und das ausgerechnet in einer | |
| Zeit, in der queeres Leben in Deutschland und weltweit zunehmend unter | |
| Druck gerät“, moniert die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws gegenüber der | |
| taz. | |
| ## Der Vorfall passt scheinbar ins Bild | |
| Auch aus der Regierungsfraktion SPD gibt es Kritik. Es sei grundsätzlich | |
| bedenklich, „dass Abgeordnete aufgefordert werden, Regenbogenfahnen aus | |
| ihren Büros zu entfernen“, so Rasha Nasr. „Die Aufgabe der | |
| Bundestagspolizei sollte es aus meiner Sicht nicht sein, ein sichtbares | |
| Bekenntnis zu Vielfalt und Akzeptanz zu ahnden.“ | |
| Dass der Vorfall überhaupt öffentlich diskutiert wurde, liegt auch daran, | |
| dass er ins Bild passt, das die Union zuletzt abgegeben hat. Schließlich | |
| verärgerte die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) die | |
| LGBT-Community kurz nach Beginn ihrer Amtszeit im März mit einigen | |
| Entscheidungen: Die Hausleitung untersagte [5][der queeren Gruppe der | |
| Bundestagsverwaltung die Teilnahme] am Berliner CSD – unter Verweis auf die | |
| Neutralitätspflicht. | |
| Klöckner entschied außerdem, die Regenbogenflagge nur noch am 17. Mai, dem | |
| Internationalen Tag gegen Homophobie, auf dem Reichstagsgebäude hissen zu | |
| lassen, und nicht mehr am CSD, der [6][von Klöckners | |
| Stellvertreter*innen Omid Nouripour (Grüne) und Josephine Ortleb (SPD) | |
| eröffnet] wird. Für [7][Empörung sorgte] auch Bundeskanzler Friedrich Merz, | |
| der die Entscheidung seiner Parteifreundin mit den Worten unterstützte, der | |
| Bundestag sei „ja nun kein Zirkuszelt“. | |
| Die Verwaltung beruft sich in der Begründung der Maßnahme auf die | |
| Hausordnung des Bundestages. Dort steht in §4 („Verhalten in Gebäuden“), | |
| Absatz 2: „Es ist nicht gestattet, Spruchbänder oder Transparente zu | |
| entfalten, Informationsmaterial zu zeigen oder zu verteilen, es sei denn, | |
| es ist zur Verteilung zugelassen.“ | |
| Und weiter: „Das Anbringen von Aushängen, insbesondere von Plakaten, | |
| Postern, Schildern und Aufklebern an Türen, Wänden oder Fenstern in den | |
| allgemein zugänglichen Gebäuden des Deutschen Bundestages sowie an Fenstern | |
| und Fassaden dieser Gebäude, die von außen sichtbar sind, ist ausnahmslos | |
| nicht gestattet.“ | |
| ## Hausordnung wurde von Schäuble angepasst | |
| Insbesondere die äußere Sichtbarkeit, zum Beispiel über das Reichstagsufer | |
| oder der Paul-Löbe-Allee, scheint dabei relevant. Mehrere Abgeordnete | |
| berichten der taz, dass ihre nicht von außerhalb einsehbaren Büros | |
| jedenfalls bislang nicht beanstandet worden seien – obwohl dort | |
| Regenbogenflaggen hängen würden. | |
| Der zweite Passus war erst im Dezember 2018 unter dem damaligen | |
| Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble angefügt worden. Der | |
| Linken-Abgeordnete Michel Brandt hatte zuvor anlässlich eines Staatsbesuchs | |
| des türkischen Präsidenten Erdoğan auf DINA4-Papier gedruckte Abbildungen | |
| von Zeichen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG an die zur | |
| Straße gerichteten Fenster seiner Abgeordnetenräume geklebt. | |
| Brandt befand sich zum Zeitpunkt nicht in seinem Büro. Die | |
| Bundestagspolizei verschaffte sich Zugang zu den Räumlichkeiten und nahm | |
| die Plakatierungen ab. Der Fall ging bis vor das Bundesverfassungsgericht, | |
| weil Brandt seine Rechte als Abgeordneter verletzt sah. Das Gericht stellte | |
| 2020 fest: Schäuble, dem die Bundestagspolizei untersteht, [8][handelte | |
| rechtswidrig] – auch weil die Beamten nicht versucht hatten, Rücksprache | |
| mit Brandt zu halten. Abgeordnete hätten das Recht, so Karlsruhe, ihre | |
| Büros „ohne Beeinträchtigungen durch Dritte“ zu nutzen. | |
| Das Recht auf Öffentlichkeitsarbeit der Parteien werde nicht eingeschränkt, | |
| heißt es Schäubles Neuformulierung von 2018, „soweit eine Anbringung | |
| unmittelbar an der Bausubstanz, beispielsweise an Türen, Wänden oder | |
| Fenstern“, unterbleibe. | |
| ## Verwaltung spricht von „üblichem Verfahren“ | |
| Laut Bundestagsverwaltung seien die aktuellen Vorfälle Routine. „Es handelt | |
| sich um ein übliches, seit Einführung im Jahr 2018 praktiziertes Verfahren | |
| zur Umsetzung der Regelung der Hausordnung“, teilte ein Sprecher auf | |
| taz-Anfrage mit. Einen Zusammenhang mit der neuen Hausleitung unter | |
| Präsidentin Klöckner gebe es nicht, ebenso wenig habe es neue Anweisungen | |
| gegeben. | |
| Manche Abgeordnete nehmen im Bundestag dennoch ein verändertes Klima wahr. | |
| „Ich merke persönlich, wie sich der Wind im Parlament gedreht hat“, sagte | |
| die queerpolitische Sprecherin der Grünen, Nyke Slawik. | |
| Auch die Linksfraktion sieht queere Vielfalt im aktuellen Klima | |
| grundsätzlich gefährdet. „Es geht um mehr als eine Flagge“, sagte die | |
| Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek der taz. „Es geht um Sichtbarkeit | |
| von und Solidarität mit queeren Menschen.“ Die Gewalt gegen LGBT-Personen | |
| sei zuletzt „explosionsartig gestiegen.“ Sie fordert von der | |
| Bundesregierung mehr Engagement für queere Menschen – etwa im Bereich der | |
| Jugendarbeit. | |
| Auch Slawik appelliert an die Union: CDU und CSU müssten „Farbe bekennen“, | |
| konkret durch Zustimmung zweier Vorlagen, die aktuell im Bundesrat liegen | |
| würden: einer Erweiterung des Diskriminierungsverbots in Artikel 3 des | |
| Grundgesetzes um die „sexuelle Identität“ und [9][einer Reform des | |
| Familienrechts]. Die Union solle aufhören, queerfeindlichen Ressentiments | |
| nachzueifern, so die Grünen-Abgeordnete weiter: „Es ist ein gefährliches | |
| Spiel mit dem Feuer und es spaltet die Gesellschaft.“ | |
| 21 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Pride-Month-Weltweit-/!6097907 | |
| [2] /CSD-Absage-des-Bundestags/!6091532 | |
| [3] /Hausordnung-des-Bundestags/!6100371 | |
| [4] https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/queerfeindlichkeit-csd-angriff-… | |
| [5] /Queere-Sichtbarkeit/!6091515 | |
| [6] https://csd-berlin.de/aktuelles/bundestagsvizeprasidentinnen-ortleb-und-nou… | |
| [7] /Berliner-CSD-Vorstand-zu-Sicherheitslage/!6094856 | |
| [8] /Bundestagspolizei-in-Linken-Buero/!5693349 | |
| [9] /Abstammungsrecht-und-Neuwahlen/!6059501 | |
| ## AUTOREN | |
| Sönke Gorgos | |
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