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# taz.de -- Steigende Staatsausgaben für Wohnkosten: Grund ist nur die Explosi…
> Merz will weniger Wohnkosten für Bedürftigen erstatten. Eine taz-Analyse
> zeigt, dass die längst zusammenrücken. Mietenkontrolle wäre effektiver.
Bild: Sonnenuntergang in Berlin: 24 Prozent mehr vom Staat bezahlte Wohnkosten …
Berlin taz | Der Vorstoß von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), [1][die
vom Staat erstatteten Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger zu begrenzen],
sorgt weiter für heftige Debatten. Scharfe Kritik kam am Freitag selbst vom
Koalitionspartner. „Wir müssen endlich aufhören, zu glauben, dass wir den
Staat auf Kosten der Bürgergeldbezieher sanieren könnten. Das ist
schlichtweg falsch“, sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf dem Portal
t-online.
Tatsächlich sind [2][die Wohnkosten, für die der Staat aufkommt], ein hoher
Kostenfaktor. [3][Laut der Bundesagentur für Arbeit] wurde im März dieses
Jahres 1,75 Milliarden Euro an Kosten für die Unterkunft anerkannt. Das war
1,15 Prozent mehr im Vorjahresmonat. Und sogar 24 Prozent mehr als vor fünf
Jahren.
Doch woran liegt der Anstieg der Kosten? Um das zu analysieren, hat sich
die taz [4][die Zahlen der Bundesagentur] näher angeschaut.
Naheliegend wäre zum Beispiel der Verdacht, dass es wegen wachsender Armut
immer mehr Leistungsempfänger:innen gibt. Aber das ist nicht der Fall.
Die Zahl der „Bedarfsgemeinschaften mit anerkannten Kosten der Unterkunft“
liegt seit einigen Jahren recht konstant bei gut 2,7 Millionen. Aktuell ist
sie gegenüber dem Vorjahr sogar um 1 Prozent zurückgegangen.
Ein häufig in der Debatte genanntes Argument ist, dass die Menschen in zu
großen Wohnungen leben würden, die vom Amt bezahlt werden. Aber auch das
lässt sich nicht von den Zahlen der Bundesagentur belegen.
## Genutzte Wohnfläche ist seit Jahren konstant
Im Schnitt verfügt die typische Bewohner:in einer Bedarfsgemeinschaft
über gut 35 Quadratmeter Wohnfläche. Dieser Wert ist seit Jahren sehr
stabil, mit sogar einer leichten Tendenz nach unten.
Zwar gab es im März auch 180.000 Bedarfsgemeinschaften, die auf mehr als
100 Quadratmetern lebten. Darunter waren sogar 15.000
Ein-Personen-Haushalte, also Menschen, die ganz allein in einer vom Staat
finanzierte großen Wohnung lebten. In den meisten Fällen dürften dies aber
ältere Menschen sein, deren Kinder ausgezogen und deren Partner verstorben
sind, bei denen ein Umzug in eine kleinere Wohnung wegen der rasant
gestiegen Mieten keine Kostenersparnis bringen würde.
Insgesamt ist aber zu erkennen, dass Menschen in den Bedarfsgemeinschaften
immer mehr zusammenrücken. Oder zusammenrücken müssen. So sank die Zahl der
geförderten 40 bis 60 Quadratmeter großen Wohnungen in den letzten 10
Jahren um fast 20 Prozent, die der 60 bis 80 Quadratmeter großen gar um
fast 25 Prozent.
Einen Zuwachs gibt es nur bei den Bedarfsgemeinschaften, die auf engstem
Raum leben – auf weniger als 20 Quadratmetern. Ihr Zahl ist seit 2015 um 64
Prozent auf über 70.000 gestiegen.
Überwiegend hausen in diesen Miniunterkünften einzelne Personen, aber nicht
nur. Laut Bundesagentur gab es im März 7.000 Bedarfsgemeinschaften mit 3
oder mehr Personen, die weniger als 20 Quadratmeter zur Verfügung hatten.
Darunter sogar 1.183, die sich mit 6 oder mehr Menschen auf diesem Miniraum
quetschen mussten. Da bleiben kaum 3 Quadratmeter pro Person.
Wieso steigen dann dennoch die Kosten für den Staat? Die Zahlen der
Bundesagentur lassen nur einen Schluss zu: Schuld ist der extreme Anstieg
der Mieten in den letzten Jahren.
Im März 2015 lag die anerkannte Miete je Quadratmeter noch bei 5,53 Euro.
Fünf Jahre später war sie schon 6,84 Euro gestiegen. Und im März dieses
Jahres lag sie bei 8,19 Euro. Mithin ein Anstieg um fast 50 Prozent in den
letzten 10 Jahren.
Hinzu kommen die ebenfalls stark gestiegenen Nebenkosten. Die
Betriebskosten stiegen seit 2015 um mehr als 35 Prozent. Bei den Heizkosten
gab es einen extremen Anstieg um fast 45 Prozent, der zudem nahezu
ausschließlich in den letzten drei Jahren zu Buche schlug – also seit dem
Angriff Russlands auf die Ukraine.
## Von niedrigeren Mieten würde der Staat profitieren
Anders gesagt: würde sie die Mieten wirksam begrenzen, könnte die
Bundesregierung weitere Kostensteigerungen für die Unterkunft verhindern.
Aktuell ist das aber schwierig. Zwar gilt in extrem angespannten Gebieten
[5][die Mietpreisbremse]. Aber in Anspruch nehmen können sie nur die
Mieter:innen selbst. Die müssten ihre Vermieter:innen auf eigenes
Risiko verklagen, ohne davon im Erfolgsfall profitieren zu können. So ist
es wenig verwunderlich, dass das niemand macht.
Zugleich ist absehbar, dass die staatlichen Aufwendungen in den kommenden
Jahren weiter dramatisch steigen. Denn bei jeder neu angemieteten Wohnung
werden ja die exorbitant gestiegenen Mietpreise verlangt – und bisher auch
von den Behörden anerkannt.
Wenn wie von Merz vorgeschlagen, nur die Höhe der anerkennbaren Mietkosten
gedeckelt würde, hätte das vor allem den Effekt, dass Bedarfsgemeinschaften
gar keine oder allenfalls unzureichende Wohnungen finden würden. [6][Die
Alternative, Sozialleistungsempfänger:innen in die Obdachlosigkeit
zu schicken] und dann womöglich in Heimen unterbringen zu müssen, ist aber
nicht nur moralisch verwerflich, sondern meist noch viel teurer.
18 Jul 2025
## LINKS
[1] /Merz-im-ARD-Sommerinterview/!6100749
[2] /Wohnen-und-Buergergeld/!6101127
[3] https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche…
[4] https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche…
[5] /Verlaengerung-der-Mietpreisbremse/!6093248
[6] /Wohnen-und-Buergergeld/!6101127
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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