# taz.de -- Maßnahmen gegen Queerfeindlichkeit: Bundesländer sind unterschied… | |
> Queerfeindlichen Straftaten nehmen bundesweit zu. Die Bundesländer | |
> reagieren darauf auf unterschiedliche Weise. Gute Daten gibt es nur aus | |
> Berlin. | |
Bild: Demonstration im November 2022 in Bremen: Nach Gewalt gegen eine trans Fr… | |
Bremen taz | Am Abend des 30. Juni haben in Bremen zwei Jugendliche eine | |
trans Person angegriffen. „Die Täter schlugen mehrfach auf die am Boden | |
liegende Person ein und traten sie“, heißt es in einer Pressemitteilung der | |
Polizei vom darauf folgenden Mittwoch, und dass der Staatsschutz wegen des | |
Verdachts auf eine politisch motivierte Tat ermittle. Der Vorfall reiht | |
sich ein in die bundesweite Zunahme von [1][Straftaten, die sich gegen | |
queere Menschen richten] – und damit wie andere Formen von Hasskriminalität | |
gegen das Grundgesetz verstoßen. | |
[2][In 21.773 Fällen ermittelte die Polizei] [3][bundesweit im Jahr 2024] | |
wegen des Verdachts auf Hasskriminalität, das bedeutet einen Anstieg um 28 | |
Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders hoch war der Anstieg | |
frauenfeindlicher Taten (plus 73 Prozent), gefolgt von | |
Ausländerfeindlichkeit und Taten wegen „geschlechtsbezogener Diversität | |
(jeweils plus 34 Prozent). Das ist eine 2022 neu eingeführte Kategorie, um | |
transfeindliche Straftaten erfassen zu können. Diese landeten bis dahin | |
gemeinsam mit Frauenfeindlichkeit und Hasstaten gegen Homosexuelle in einer | |
Kategorie. | |
In Bremen wurden im vergangenen Jahr 26 Straftaten gegen Queere (zum | |
Beispiel trans oder homosexuelle Personen) registriert, wie Innensenator | |
Ulrich Mäurer (SPD) im Juni bei der Vorstellung des [4][Lageberichts zu | |
politisch motivierter Kriminalität] mitteilte. Das waren fünf mehr als im | |
Vorjahr; in fünf Fällen handelte es sich zudem um körperliche Gewalttaten. | |
Auch die Täterschaft wird erfasst. Allerdings wird der überwiegende Teil | |
„sonstigen“ Täter:innen zugeordnet. Sieben Taten gehen laut Innensenator | |
auf das Konto von „rechten“ Täter:innen, darunter ist keine Gewalttat. | |
Ungleich mehr queerfeindliche Straftaten wurden 2024 in Hamburg | |
registriert: [5][In 149 Fällen ermittelte die Polizei], darunter 38 | |
Gewalttaten, wie Innensenator Andy Grote (SPD) im Mai eine Linken-Anfrage | |
beantwortete. In der Auskunft fehlen Informationen über die Täter:innen, | |
dafür werden die Taten detalliert aufgelistet. Neben körperlicher Gewalt | |
finden sich Beleidigung, Bedrohung, Volksverhetzung, Belästigung und in | |
einigen Fällen der Diebstahl oder das Beschädigen von Regenbogenflaggen. | |
Hamburg hat knapp dreieinhalb Mal so viele Einwohner:innen wie Bremen. | |
Es ist unklar, ob es in Hamburg mehr solcher Taten gibt, ob sie häufiger | |
angezeigt oder von den Ermittlungsbehörden anders bewertet werden. | |
[6][Laut Bundeskriminalamt ist von einem ausgeprägten Dunkelfeld] | |
auszugehen. Queere Menschen seien „einem besonders hohen Gewaltrisiko | |
ausgesetzt“, insbesondere trans Personen. „Die meisten Straftaten werden | |
mutmaßlich nicht angezeigt.“ Um mehr Menschen zur Anzeige einer | |
queerfeindlichen Straftat zu motivieren, haben die Polizeien vieler Städte | |
Ansprechpersonen für Queere benannt. In Bremen gibt es darüber hinaus seit | |
Mai alle zwei Wochen eine „[7][queersensible Anzeigenaufnahme in | |
geschützten Räumen]“. | |
Das Angebot werde gut angenommen, schreibt ein Sprecher der Bremer Polizei | |
auf Nachfrage der taz. Etwa 20 bis 30 Gespräche und E-Mail-Korrespondenzen | |
seien seit der Einführung geführt worden. „Dabei geht es nicht nur um | |
konkrete Strafanzeigen – von denen wir bislang knapp eine Handvoll | |
aufgenommen haben – sondern auch um allgemeine Sorgen, Ängste und | |
Orientierungshilfen.“ Auch geflüchtete Personen hätten das Angebot genutzt. | |
Besonders erfreulich sei, dass auch aus polizeikritischen Teilen der | |
queeren Community positives Feedback komme. | |
In den Flächenländern gehen anteilig an der Bevölkerung sehr viel weniger | |
entsprechende Anzeigen ein. Niedersachsen hat vier Mal so viele | |
Einwohner:innen wie Hamburg und verzeichnete im vergangenen Jahr 209 | |
queerfeindliche Straftaten – doppelt so viele wie 2022 – also nur 60 mehr | |
als in Hamburg. Im Vergleich mit anderen Bundesländern sind dies allerdings | |
viele, wie aus einer [8][Auflistung des Verbands] „LSVD plus – Verband | |
Queere Vielfalt“ hervorgeht. | |
Zwar sei Niedersachsen mit seinen LSBTIQ*-Ansprechpersonen bei der Polizei | |
vergleichsweise gut aufgestellt – gleichzeitig sei aber nicht | |
gewährleistet, dass alle Einsatzkräfte für den Umgang mit queerfeindlicher | |
Gewalt ausreichend sensibilisiert seien, sagt Nico Kerski, Geschäftsführer | |
von Queeres Netzwerk Niedersachsen. „Viele queere Menschen haben in der | |
Vergangenheit negative Erfahrungen mit staatlichen Institutionen gemacht.“ | |
Grundsätzlich sei die Sorge groß, nicht ernst genommen oder gar beschämt zu | |
werden. | |
In Niedersachsen soll nach einem [9][Beschluss des Landtags] im November | |
eine Fach- und Meldestelle Queerfeindlichkeit aufgebaut werden, angesiedelt | |
bei Queeres Netzwerk Niedersachsen. Vorbild ist Nordrhein-Westfalen, das in | |
diesem Jahr [10][drei weitere Meldestellen gestartet hat]: Für | |
Antiziganismus, antimuslimischen Rassismus und für anti-Schwarzen, | |
antiasiatischen und weitere Formen von Rassismus. Diese Meldestellen haben | |
wie die bundesweit verbreiteten für Antisemitismus das Ziel, das Dunkelfeld | |
von nicht-angezeigten Straftaten zu erhellen. | |
## Mehr Vertrauen in zivilgesellschaftliche Strukturen | |
„Wir erleben, dass das Vertrauen in zivilgesellschaftliche Meldestrukturen | |
oft höher ist als in staatliche Institutionen“, sagt Nico Kerski vom | |
Queeren Netzwerk Niedersachsen. Parallel dazu sei es wichtig, Menschen zu | |
unterstützen, die eine Straftat anzeigen wollen. Deshalb fordert er eine | |
Verstetigung der finanziellen Förderung für Gewaltschutzprojekte. Bisher | |
gibt es nur jährliche Projektmittel, zum Beispiel für die Koordination und | |
Auswertung der Meldestelle, aber auch für Beratungsangebote sowie | |
[11][Sicherheitskonzepte für den Christopher Street Day (CSD]. | |
„Je mehr queerfeindliche Gewalt wir erleben, desto dringender wird der | |
Bedarf an stabilen Strukturen, die Unterstützung, Schutz und Beratung | |
gewährleisten“, sagt Nico Kerski. Und dass er sich noch vor fünf Jahren | |
nicht hätte vorstellen können, dass Rechte gegen den CSD demonstrieren, | |
Teilnehmende einschüchtern, bedrohen, beleidigen und verletzen. 2022 | |
[12][starb ein damals 20-jähriger trans Mann], nachdem ihn ein anderer Mann | |
bei der Parade in Münster niedergeschlagen hatte. „Früher war die | |
CSD-Teilnahme eine friedliche Demonstration und Party für queere | |
Menschenrechte“, sagt Nico Kerski. „Heute ist die Angst um die eigene | |
körperliche Unversehrtheit erschreckenderweise ein reales Szenario | |
geworden.“ | |
In Bremen hat die Bürgerschaft 2021 auch die Beauftragung einer Studie | |
beschlossen, die das Dunkelfeld queerfeindlicher Hasskriminalität erhellen | |
soll. Diese gibt es bisher nicht. Aufschluss geben soll eine 2025 zum | |
zweiten Mal unter Bremer Bürger:innen durchgeführte | |
Sicherheitsbefragung, die laut Innenbehörde unter Wahrung der Anonymität | |
auch die sexuelle Orientierung und die geschlechtliche Identität erhoben | |
hat. | |
Das ist kein Vergleich mit dem umfassenden Monitoring, das die Stadt Berlin | |
in Auftrag gegeben hat. Der [13][im Dezember veröffentlichte dritte | |
Bericht] enthält auch Erkenntnisse über die Täter: 2023 waren die | |
Tatverdächtigen queerfeindlicher Straftaten mit 87,3 Prozent „fast | |
ausnahmslos männlich“, heißt es darin. Bei Gewaltdelikten lag ihr Anteil | |
bei 92,4 Prozent. Am stärksten vertreten sei die Altersgruppe 30 bis 39, | |
die familiäre Migrationsgeschichte werde nicht erfasst. | |
Der Berliner Bericht enthält auch Informationen dazu, wie es mit den | |
Strafanzeigen weiterging. 40,7 Prozent der bei der Staatsanwaltschaft | |
eröffneten Verfahren mit bekannten Täter:innen wurden eingestellt, in | |
14,1 Prozent kam es zu einer Anklage. Zur Verurteilungsquote gibt es | |
[14][laut LSVDplus] bundesweit keine Daten. | |
In Berlin gibt es nach eigener Darstellung die europaweit einzige | |
Staatsanwaltschaft mit einer „Sonderzuständigkeit für die spezialisierte, | |
konzentrierte und opferorientierte Verfolgung homophober und transphober | |
Hasskriminalität“. In [15][Hamburg] und Bremen sind die | |
Strafverfolgungsbehörden zuständig für die Verfolgung allgemeiner | |
Hasskriminalität. | |
8 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Polizei-meldet-Ermittlungserfolg/!5878058 | |
[2] https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/PMKZahlen2024/PMKZ… | |
[3] https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/PMKZahlen2024/PMKZ… | |
[4] https://sd.bremische-buergerschaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZX5JO7Ub… | |
[5] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/90930/23_00316_queerfeindl… | |
[6] https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndL… | |
[7] https://www.polizei.bremen.de/ueber-uns/praesidialstab/ansprechperson-lsbti… | |
[8] https://www.lsvd.de/de/ct/2445-Queerfeindliche-Gewalt | |
[9] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_19_07500/05501… | |
[10] https://diskriminierung-melden.nrw/ | |
[11] /Berliner-CSD-Vorstand-zu-Sicherheitslage/!6094856 | |
[12] /Queerfeindlichkeit-in-Deutschland/!5880996 | |
[13] https://www.lsbti-monitoring.berlin/wp-content/uploads/Monitoring-2024_Que… | |
[14] https://www.lsvd.de/de/ct/2445-Queerfeindliche-Gewalt#strafrechtliche-verf… | |
[15] https://justiz.hamburg.de/staatsanwaltschaften/staatsanwaltschaft-hamburg/… | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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