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# taz.de -- Berliner Kunstraum CCA im Portrait: Ein Ort, der bleibt
> Das von Fabian Schöneich gegründete CCA Berlin hat sich zum progressiven
> Kunstort entwickelt. Nun ist eine Ausstellung für den Turner Prize
> nominiert.
Bild: „No place – for violence“: Protestbanner der Künstlerin Rene Mati�…
Kühl ist es dieser Tage im schattigen Vorbau der
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz, auf dem sich der
unverwüstliche Wasserklops erhebt. Noch ein paar Tage ist „Frühling“ im
[1][CCA]. So heißt die aktuelle Gruppenausstellung im Center for
Contemporary Arts, das nun seit zwei Jahren fest in den Räumen der Kirche
untergebracht ist.
Gleich im Eingang hängt eine Autotür an Stahlseilen von der Decke: „To Have
Been A Part (Where Are We Today …)“ heißt die Installation von Joshua
Tarelle Reid & Ross Alexander Payne, deren Ambient-Sound aus einem
eingebauten Lautsprecher in den Raum rieselt. „Dabei gewesen zu sein. (Wo
sind wir heute?)“.
Ein Titel, der nicht nur zur Arbeit des britischen Künstlerduos passt, das
sich mit der englischen Rave-Bewegung befasst, sondern auch zu einem Besuch
im CCA selbst, das sich in nur wenigen Jahren zu einem der interessantesten
Kunsträume Berlins entwickelt hat.
Kunst in den zentral angeordneten Räumen des Glasbaustein-Baus von Egon
Eiermann zu zeigen, ist kein leichtes Unterfangen – zu distinktiv ist die
Architektur. Gegen sie anzukuratieren, hat keinen Sinn; die Werke müssen
mit ihr kommunizieren, sich einfügen in die kammerartigen, holzvertäfelten
und durch Glaswände getrennten Zimmer.
## Eine neue Institution für Berlin
Etwa wie die Arbeit des schwer zu fassenden
Design-Kunst-Mode-Interior-Kollektivs BLESS, das mit einer seiner klugen,
ortsspezifischen Fototapeten und weirden Gebrauchsobjekten den zentralen
Ausstellungsraum um eine doppelte Perspektive erweitert.
Dass das CCA ausgerechnet hier ein neues Zuhause fand – in dem Bau, der
ursprünglich als Foyer der Kirche geplant war –, ist zwar ein glücklicher
Zufall, die Entscheidung, sich bei der Wahl des Orts im Stadtraum nach
Westen zu orientieren, dorthin, wo zwar viele Galerien, aber wenige
Institutionen sitzen, hingegen keineswegs.
Eine neue, gemeinnützige Kunstinstitution für Berlin sollte es sein, als
Kurator Fabian Schöneich das CCA 2022 – damals noch in Räumen in der
Schöneberger Kurfürstenstraße – gründete. Kein sammelndes Museum und auch
keine Verkaufsgalerie, sondern ein nicht profitorientierter Ort. Nicht nur
für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, sondern auch für Musik, Literatur
und Diskurs.
Mit internationalem unterstützenden Beirat, offen für alle und finanzierbar
auch ohne öffentliche Gelder. „Ein Experiment“, wie Schöneich sagt: „Me…
These war: Berlin ist groß genug für mehr Institutionen.“ Um das möglich zu
machen, sammelt der in Zürich ausgebildete Kunsthistoriker Spenden ein.
## Das liebe Geld
„Es war immer klar, dass es keine Anschubfinanzierung von der Stadt geben
wird – diese Art von Förderung existiert generell nicht. Es gibt eine
kleine Basisförderung, auf die man sich nach zwei Jahren bewerben kann, die
bei uns aber nicht greift, da sie für kleinere Projekträume mit Summen bis
20.000 Euro vorgesehen ist. Wir benötigen mindestens 100.000 Euro pro Jahr
und sind dafür zu groß. Die Stadt fördert nach dem Gießkannenprinzip – au…
wenn sie dem wahrscheinlich widersprechen würde.“
Schöneich aktiviert sein Netzwerk: Sammler, Galerien, Menschen, mit denen
er studierte und aus seinen beruflichen Stationen bei Hauser & Wirth, Witte
de With, der Kunsthalle Basel und seinen Jahren als Kurator des von Kaspar
König gegründeten Frankfurter Portikus. Schließlich erhält er genug Beträge
zwischen 1.000 und 20.000 Euro, um eine gGmbH zu gründen und mit
gesicherter Finanzierung für die ersten Jahre zu starten – und dabei
gleichzeitig eine größere inhaltliche Unabhängigkeit und Spontaneität zu
gewährleisten, als staatliche Gelder oft ermöglichen.
Inwieweit die Interessen der Spender:innen dabei berücksichtigt werden
müssen? „Es gibt keine inhaltlichen Bedingungen. Die Spender:innen
knüpfen keinerlei Vorgaben an ihre Unterstützung, viele finden es toll, bei
der Neugründung einer Institution dabei zu sein“, so Schöneich.
„Gleichzeitig suchen wir stetig nach neuen Unterstützer:innen, um uns für
die Zukunft abzusichern“, ergänzt er, mittlerweile gibt es einen
Freundeskreis für Förder:innen und Unterstützende.
Vormals eher versteckt im Stadtbild, Rücken an Rücken mit der Galerie
Heidi, eröffnet das CCA mit Arbeiten der 1985 verstorbenen Bildhauerin
Charlotte Posenenske. Es folgen Einzelausstellungen von Hanne Lippard und
He Xiangyu, [2][Gruppenausstellungen], das an verschiedenen Orten im
[3][Stadtraum verortete Literaturprojekt Displayed Words] und
Veranstaltungen. Das Programm ist international, schnell und übersichtlich.
Häufig wird nur ein Werk gezeigt, ergänzt durch Lesungen, Konzerte,
Diskussionen, Filmvorführungen.
## Ein Raum für die ganze Stadt
Der Eintritt im CCA ist kostenlos. Die Ausstellungstexte werden auf
Deutsch, Englisch und bei Einzelpräsentationen in den Herkunftssprachen der
ausgestellten Künstler:innen verfasst – was schnell die verschiedensten
kulturellen Communities der Stadt anzieht. Das multidisziplinäre Konzept
unterstützt dies. So sammelt sich auf den Eröffnungen mittlerweile eine
ganz eigene Mischung der Berliner Kulturszene.
In Berlin anzukommen, ist nicht leicht. Nicht nur Politik und Wirtschaft,
auch Kunst und Kultur umweht der sagenumwobene Duft des Klüngels. Den 1985
in Gera geborenen Schöneich scheint das nicht groß aufzuhalten. Mit
messerscharfer Höflichkeit und intelligentem Stoizismus siedelt er sein
Projekt einfach direkt über dem Klein-Klein des Berliner Kunstbetriebs an –
und ergänzt ihn so subtil um ein internationales, ernst gemeintes Haus.
Mit vollem Erfolg: Das CCA kooperierte mit dem Ausstellungsraum Para Site
in Hongkong, dem Festival Glasgow International und dem MoMA PS1 in New
York, wohin die Doppelausstellung von Enzo Camacho und Ami Lien reiste. Die
von Schöneich im ehemaligen Kranzler-Komplex präsentierte Künstlerin
Nazanin Noori war der unangefochtene Geheimtipp der letzten Art Week und
gewann vor wenigen Wochen auch den renommierten [4][Ars-Viva-Preis für
2026].
## Rene Matić' Ausstellung im CCA wurde für den Turner Prize nominiert
Und nun ist auch noch die britische Künstlerin Rene Matić mit ihrer
Ausstellung „As Opposed to the Truth“ für den [5][Turner-Preis nominiert] …
eine leise, intensive und poetische Auseinandersetzung mit nationaler
Identität, dem globalen Aufstieg der Neuen Rechten und der ihr
entgegenzustellenden Fürsorge.
Matić’ stille, beobachtende und zugleich analytische Arbeitsweise – etwa,
wenn sie ein doppelseitiges Protestbanner mit den Worten „No Place / For
Violence“ im Ausstellungsraum anbringt und damit auf Joe Bidens und Barack
Obamas Worte nach dem versuchten Attentat auf Donald Trump verweist –
entlarvt die Doppelmoral westlicher Rhetorik. Matić’ Ausstellung steht
exemplarisch für die künstlerischen und kuratorischen Intentionen des CCA.
Und spätestens jetzt auch als vollendete Beweisführung für Schöneichs
These: Berlin hat genug Platz für eine Kulturinstitution mehr. Es bleibt zu
hoffen, dass sie bleiben wird.
6 Jul 2025
## LINKS
[1] https://cca.berlin/de/
[2] /Sommerausstellung-des-CCA/!6023129
[3] /Flanieren-zwischen-Worten-und-Raeumen/!6077709/
[4] https://arsviva.kulturkreis.eu/
[5] https://www.tate.org.uk/press/press-releases/turner-prize-2025-shortlist-an…
## AUTOREN
Hilka Dirks
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Kunst
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