| # taz.de -- Kunstkollektiv im Flutgraben: Mondsüchtig und radikal neugierig | |
| > Die Gruppenausstellung „Moonstruck“ des Kunstkollektiv KUNZTEN im | |
| > Flutgraben e. V. zeigt erfrischend neue Perspektiven der Berliner | |
| > Kunstszene. | |
| Bild: Ausstellungsansicht von „Moonstruck“ mit einer Installation von Jonat… | |
| Biegt man zwischen den aufgetürmten Baucontainern am Ende der | |
| Puschkinallee auf den schrabblig-verschotterten Flutgraben ein, vorbei an | |
| Clubs und vollgesprühten Architekturen, steht man am Ende vor einer | |
| schweren, bestickerten Stahltür. „Projektraum“ steht auf der Klingel, die | |
| Steintreppe nach oben ist schmutzig, eine Scheibe zersprungen, eine Öffnung | |
| durch Holz ersetzt, der Geruch des brackigen Kanals und von ausgetreten | |
| Zigaretten hängt in der Luft. | |
| Allen, die in Berlin aufwuchsen oder so früh kamen, dass sie in ebensolchen | |
| Gebäuden die Nächte durchtanzten, steht kurz das Herz still: Es gibt sie | |
| noch, die guten Orten. Im ersten Stock befinden sich Räumlichkeiten des | |
| Flutgraben e. V.s, ein gemeinnütziger, selbst organisierter Kunstverein und | |
| eine Ateliergemeinschaft. | |
| Für wenige Tage (noch bis 20. 7.) ist hier die Gruppenausstellung | |
| „Moonstruck“ zu sehen, die das Kollektiv KUNZTEN organisiert. Sieben | |
| Positionen bespielen die Räume, kuratiert von den drei jungen Männern Luis | |
| Bortt, Maximilian und Leopold Schaefer. | |
| In den hellen Räumen über dem Wasser finden sich Arbeiten vom recht frisch | |
| an der UdK absolvierten Maler-Shooting-Star Ferdinand Dölberg, der | |
| etablierten feministischen Fotografin Jenna Westra, fragil-irritierende | |
| Skulpturen von Coco Schütte, technisch schwer einzuordnende | |
| Airbrush-Mischtechnik Zeichnungen voll freundlich-unheimlicher Nachtwesen | |
| aus der Feder Sarah Neumanns, irre leuchtende Malereien auf Samt von Amrita | |
| Dhillon, die in ihrer düsteren Strahlkraft fast projiziert wirken, mit | |
| entschiedenem Pinsel gemalte Portraits Schwarzer Frauen von Zandile | |
| Tshabalala und sehr berlinerische Arbeiten des Monica-Bonvicini-Schülers | |
| Jonathan Joostens, der veraltete Cowboyfiguren in Glasfaser auf die Wände | |
| bannt und damit urdeutsche Heldennarrative zwischen Joseph Beuys und Caspar | |
| David Friedrich anruft. | |
| ## Spiegel einer Szene | |
| Gruppenausstellungen in Berliner Projekträumen sind oft der Spiegel einer | |
| Szene, eines Freundeskreises, eines Kollektivs. Die bei KUNZTEN kuratierte | |
| Mischung ist ungewohnt, im ersten Moment lediglich verbunden in ihrer | |
| Generation. Bortt und die Brüder Schäfer kamen selbst erst vor wenigen | |
| Jahren zum Kunstgeschichtsstudium aus Baden-Württemberg nach Berlin. | |
| Aus mangelndem Zugang zu einer abgeschlossen wirkenden Kunstszene erfanden | |
| sie KUNZTEN – ein Wortspiel aus Kunst und „Netzwerken“. Was als online | |
| Magazin mit Interviews in Künstlerateliers begann, wurde bald auch eine | |
| Plattform für eigene Ausstellungen, die sich aus der Menge der dort | |
| gefeaturten Künstler:innen ergab. | |
| „Wir verstehen unsere Ausstellungen als Plattformen für Werke, die die | |
| Besuchenden berühren und als kulturelle Orte, an denen unterschiedliche | |
| Denkweisen und Perspektiven aufeinandertreffen“, heißt es in KUNZTENS | |
| Selbstbeschreibung und trifft erstaunlicherweise das Projekt tatsächlich | |
| ins Herz. Die Ausstellung ist erfrischend divers und ungewohnt in ihrer | |
| Zusammenstellung. | |
| Der Blick der Kuratoren von außerhalb lässt eine Schau entstehen, in der | |
| tatsächlich die Werke miteinander in Dialog treten. „Es ging uns immer um | |
| die Kunst, nicht darum, wer wen kennt“ sagt Bortt. Man glaubt es sofort und | |
| hofft, es wird noch ein bisschen so bleiben. | |
| „Moonstruck“ – Mondsüchtig ist ein passender Titel für die kleine, dabei | |
| hochprofessionelle und hochwertige Schau, deren Besuch einen tatsächlich | |
| ganz taumelig-romantisch fühlen lässt. Und dabei ist es nicht wie so oft in | |
| Berlin die Nostalgie, die einen berauscht, sondern das Glück, dass es doch | |
| noch Nischen gibt, für Neues, Junges, Unangepasstes und radikal | |
| Neugieriges. | |
| Flutgraben e. V., am Flutgraben 3, 12435 Berlin, tägl. 12–19 Uhr, bis | |
| 20.Juli | |
| 17 Jul 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Hilka Dirks | |
| ## TAGS | |
| zeitgenössische Kunst | |
| Kunst Berlin | |
| Kollektiv | |
| Kunst | |
| Karibik | |
| Berlin Ausstellung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Berliner Kunstraum CCA im Portrait: Ein Ort, der bleibt | |
| Das von Fabian Schöneich gegründete CCA Berlin hat sich zum progressiven | |
| Kunstort entwickelt. Nun ist eine Ausstellung für den Turner Prize | |
| nominiert. | |
| Ausstellung „Welto and the Sacred Bush“: Der Garten als kollektive Widersta… | |
| Die Ausstellung „Welto and the Sacred Bush“ in der Berlin Spore Initiative | |
| stellt karibische Gärten als kommunale Alternative zu Monokultur vor. | |
| Finanzielle Unsicherheit in der Kunst: Eine toxische Beziehung | |
| Frust, Förderanträge und finanzielle Unsicherheit: Ungeschönt dokumentiert | |
| die Ausstellung „Fight or Flight II“ Erfahrungen von FINT*-Künstler*innen. |