# taz.de -- Ausstellung „Welto and the Sacred Bush“: Der Garten als kollekt… | |
> Die Ausstellung „Welto and the Sacred Bush“ in der Berlin Spore | |
> Initiative stellt karibische Gärten als kommunale Alternative zu | |
> Monokultur vor. | |
Bild: Das Myzel-Pop-up-Labor von „San Nou“ von Aurélie Derard & Mawongany … | |
Aufmerksamkeit wird groß geschrieben im Haus der Spore Initiative in | |
Berlin-Neukölln. Das manifestiert sich schon in den großen, von hohen | |
Fenstern eingefassten Räumlichkeiten des vor zwei Jahren erst | |
fertiggestellten Hauses. Man schaut von innen auf den turbulenten Verkehr | |
der Hermannstraße, fühlt sich zugleich umhegt von der nach | |
Nachhaltigkeitskriterien errichteten Gebäudehülle – viel Holz sowie Steine | |
aus Abbruchhäusern – und konzentriert sich auf das, was nach innen geholt | |
wurde. | |
Im Falle von der neuen Gruppenausstellung „Welto and the Sacred Bush“ | |
handelt es sich vor allem um Objekte und Organismen aus der karibischen | |
Inselwelt. Annalee Davis, Künstlerin aus Barbados, hat etwa eine Fülle von | |
Blättern aus Martinique nach Berlin gebracht und sie wie eine geometrische | |
Explosion an der Wand angeordnet. „Es ist eine Art Mandala. Wenn du Stress | |
hast, kannst du einfach hierher kommen, dich hinsetzen und auf die Blätter | |
schauen. Es wird dich beruhigen. Denn jedes einzelne Blatt ist so | |
individuell, hat seine ganz eigene Form. Und ja, du kannst das als eine | |
Explosion ansehen, vielleicht aber auch als eine Darstellung von Frieden | |
oder als Zeichen für die Durchdringung von allem in der Welt, die uns | |
umgibt“, meint Davis. Die meisten Blätter hat sie im Garten der Initiative | |
Permactivie im Norden von Martinique gesammelt. In Vorbereitung der | |
Berliner Ausstellung hielt sie sich im Rahmen einer Residenz dort auf. | |
Thema ist der karibische Garten. Der gehe über das Anlegen von Beeten und | |
ästhetisch reizvollen Pflanzeninseln weit hinaus, betont Davis gegenüber | |
der taz: „Es ist eine Praxis, die sich aus der Geschichte der Sklaverei und | |
des Widerstands gegen die Sklaverei speist.“ | |
Ursprünglich handelte es sich um kleine Flächen, die [1][versklavte | |
Menschen] nutzten, um Obst und Gemüse für den eigenen Gebrauch anzubauen, | |
aber auch Heilkräuter und Pflanzen, denen spirituelle Wirkkräfte | |
zugeschrieben wurden. „In ihrer Vielfalt stellten sie auch eine Alternative | |
zu den Monokulturen der Plantagen dar, die sich auf cash crops wie | |
Zuckerrohr oder Bananen beschränkten“, sagt Davis. Weil sich Menschen in | |
den Gärten gemeinsam um die Pflanzen kümmerten, sich aber auch über ihre | |
Alltagsprobleme austauschten, wurden sie zunehmend zu Orten, an denen der | |
Wille zu kollektivem Widerstand wuchs. | |
## Die Verbindung mit der Erde | |
Diese Praxis greift die Initiative Permactivie ganz bewusst auf. „Es ist | |
eine Mischung aus Permakultur und Aktivismus. Wir bekommen organische | |
Abfälle aus den umliegenden Ortschaften und machen Kompost daraus. Den | |
benutzen wir in unserem Garten“, sagt Marcel Jean-Baptiste, Künstler und | |
Koordinator von Permactivie. Auf die Frage, welche Pflanzen dort angebaut | |
werden, muss er schmunzeln. „Wir werden oft gefragt, was wir dort anbauen. | |
Für mich geht es aber mehr um die Verbindung mit der Erde, was dort wächst, | |
welche Arten von Verbindung hergestellt werden“, sagt er der taz. | |
Auf die gemeinschaftlichen Praktiken zwischen Menschen, Pflanzen und Boden | |
gehen zwei Videoinstallationen der französischen Filmemacherin Florence | |
Lazar ein. In „125 Hectares“ dokumentiert sie eine Initiative von | |
Kleinbäuer*innen in Martinique, die seit 1983 125 Hektar Land besetzt | |
haben und dort mit diversifizierter Fruchtfolge eine Alternative zu den | |
üblichen Monokulturen schaffen. Sie sind allerdings auch von steigenden | |
Bodenpreisen sowie der Vergiftung des Bodens durch [2][das | |
Schädlingsbekämpfungsmittel Chlordecon] bedroht. Die dramatischen Folgen | |
der Vergiftung durch Chlordecon arbeitet Lazar in „Tu Crois Que La Terre | |
Est Chose Morte“ in Gesprächen mit Kräuterkundigen und Buschmedizinexperten | |
auf. | |
Bis heute spürbare Folgen der Kolonisierung der Karibik werden im Kontext | |
der Ausstellung auch auf andere Weise deutlich. Die in Barbados ansässige | |
Davis etwa kam erst durch das Berliner Projekt in Kontakt mit Permactivie. | |
Und weil die Verkehrsanbindungen zwischen den Inseln extrem schlecht sind, | |
brauchte sie für den Weg von Barbados nach Martinique länger als mancher | |
Direktflug von den Inseln nach Europa dauert. | |
3 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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