# taz.de -- Europäische Lieferkettenrichtlinie: Umweltstandards als Wettbewerb… | |
> Die EU-Kommission will die Lieferkettenrichtlinie abschwächen, um | |
> Unternehmen zu entlasten. Laut Ökonom*innen würde dies mehr schaden | |
> als helfen. | |
Bild: Eine Näherin in Dhaka | |
Berlin taz | In einer [1][gemeinsamen Erklärung] haben am Montag über 90 | |
Ökonom*innen aus Europa für „eine zügige und ambitionierte Umsetzung“ | |
der europäischen Lieferkettenrichtlinie plädiert. Sie kritisierten | |
Abschwächungen, die die EU-Kommission vorgeschlagen hatte. Diese würden | |
„die Wirksamkeit der Richtlinie erheblich einschränken“. | |
EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen hatte im Februar das | |
[2][Omnibus-Paket zur Entlastung von Unternehmen] vorgestellt. Darin | |
enthalten ist unter anderem die Verschiebung der Richtlinie und die | |
Aufkündigung zentraler Elemente wie dem zivilen Klagerecht. Nach diesen | |
Plänen müssten Unternehmen nicht mehr die ganze Lieferkette, sondern nur | |
noch direkte Lieferanten auf Menschenrechtsverletzungen überprüfen – und | |
das nur alle fünf Jahre. | |
Von der Leyen begründete die Maßnahmen mit Bürokratieabbau und gleichen | |
Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen auf dem Weltmarkt. Das | |
Europaparlament stimmte der Verschiebung der Richtlinie um ein Jahr zu. | |
Über die inhaltlichen Aspekte wird nun verhandelt. Der deutsche | |
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat zuletzt jedoch Druck auf Brüssel | |
gemacht, [3][die Richtlinie komplett zu kippen]. | |
## Verschiebung der Lasten | |
Die Ökonom*innen schreiben, sie „lehnen ein Wettbewerbskonzept ab, das | |
die Externalisierung von Sozial- und Umweltkosten auf Kosten der Natur, des | |
Klimas, der Arbeitnehmer und anderer Betroffener entlang globaler | |
Lieferketten akzeptiert“. Es sei nicht akzeptabel, dass die Allgemeinheit | |
und künftige Generationen die ökologischen und sozialen Kosten | |
unverantwortlicher Unternehmenspraktiken tragen müssen. | |
Die Unterzeichnenden bestreiten außerdem, dass die Vorgaben zu | |
Nachhaltigkeit und Menschenrechten die europäische Wettbewerbsfähigkeit | |
behinderten. Hierbei spielten andere Faktoren eine wichtigere Rolle – wie | |
hohe Energiepreise, die US-Zollpolitik, eine schwache Nachfrage in Europa, | |
die auch von geringen Löhnen herrühre, Fachkräftemangel und restriktive | |
Migrationspolitik sowie Versäumnisse, in öffentliche Infrastruktur und | |
Erneuerbare zu investieren. | |
„Auf Grundlage zahlreicher Forschungsarbeiten erwarten wir in Europa wie | |
auch im Globalen Süden positive wirtschaftliche Effekte bei der | |
Durchsetzung von Menschenrechten und Umweltstandards“, erklärt Johannes | |
Jäger in einer Mitteilung der zivilgesellschaftlichen Initiative | |
Lieferkettengesetz. Jäger lehrt Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule | |
des BFI Wien und ist Mitinitiator der Erklärung. | |
## Sechs Beschwerden an die Bafa | |
Ebenfalls am Montag veröffentlichen die Menschenrechtsorganisationen ECCHR, | |
Brot für die Welt und Misereor [4][eine Bilanz aus ihren Erfahrungen mit | |
dem deutschen Lieferkettengesetz]. Die Organisationen haben in dreizehn | |
Fällen von unternehmensinternen Beschwerdemechanismen Gebrauch gemacht und | |
sechs Beschwerden an die zuständige Kontrollbehörde des | |
Lieferkettengesetzes Bafa eingereicht. | |
Die Organisationen betonen, dass das Lieferkettengesetz bereits Wirkung | |
zeige, es aber auch Nachbesserung brauche. Wenn die | |
EU-Lieferkettenrichtlinie abgeschwächt werde, sei dies nicht mehr möglich. | |
Die Organisationen heben positiv hervor, dass Betroffene in den | |
Lieferketten das Gesetz nutzen, „um ihren Rechten und Anliegen in den | |
Unternehmenszentralen und der Öffentlichkeit in Deutschland endlich Gehör | |
zu verschaffen“. Außerdem würden Unternehmen menschenrechtliche und | |
ökologische Risiken in ihren Lieferketten ernster nehmen. Einige | |
Unternehmen gingen dabei mit Gewerkschaften und NGOs in den Dialog, um | |
Maßnahmen auszuhandeln, zum Beispiel zum Schutz der Beschäftigten. | |
Die NGOs kritisieren jedoch, dass keines der Unternehmen bereit war, seine | |
Einkaufspraktiken zu hinterfragen, also mehr Geld in die Hand zu nehmen, um | |
etwa angemessene Löhne zu ermöglichen. | |
In der Analyse kritisieren die Organisationen auch, dass die | |
Lieferbeziehungen der Unternehmen noch nicht transparenter geworden seien. | |
Das erschwere Betroffenen, ihre Rechte durchzusetzen. In vielen Fällen | |
blieb auch die Reaktion der Unternehmen auf Beschwerden „wenig transparent, | |
unvollständig oder unverbindlich“, heißt es in der Analyse. | |
Auch das Beschwerdeverfahren der Kontrollbehörde Bafa sei den Stakeholdern, | |
also etwa Arbeitnehmenden oder Gewerkschaften in den Unternehmen, nicht | |
ausreichend bekannt. Die Organisationen bemängeln, dass es bisher nur einen | |
Fall gab, [5][als LKW-Fahrer in Deutschland über ausstehende Löhne | |
streikten], in dem das Bafa Verbesserung erreicht habe. „Das reicht nicht“, | |
schreiben die Organisationen in der Analyse. | |
19 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.fh-vie.ac.at/en/pages/research/research-projects/ficsc-eucsddd | |
[2] /Europaeische-Union/!6068575 | |
[3] /Menschenrechte-in-Lieferketten/!6087773 | |
[4] https://www.ecchr.eu/publikation/zwei-jahre-lieferkettengesetz-ein-erfahrun… | |
[5] /Prekaer-beschaeftigte-Lkw-Fahrer/!5971064 | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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