| # taz.de -- Lieferkettengesetz: Faire Wirtschaft in der Defensive | |
| > Das Bundesarbeitsministerium arbeitet aktuell an einem Gesetzentwurf, der | |
| > das Lieferkettengesetz verwässern soll. Wenn auch widerwillig. | |
| Bild: Das Lieferkettengesetz sollte vor giftigen Chemikalien schützen: Lederf�… | |
| Berlin taz | Es gab schon Reformen, an denen die Leute im | |
| Bundesarbeitsministerium lieber arbeiteten als an dieser. Gerade geht es | |
| darum, eine Politik zurückzudrehen, die das Haus jahrelang selbst | |
| vorantrieb. Was der ehemalige SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil zu Wege | |
| brachte, muss seine ebenfalls sozialdemokratische Nachfolgerin Bärbel Bas | |
| nun zum Teil wieder abräumen. Sehr bald soll der Entwurf zur | |
| [1][Abschwächung des Lieferkettengesetzes] vorliegen. | |
| Zwei Punkte spielen vor allem eine Rolle. Deutsche Unternehmen, deren | |
| ausländische Zulieferer sich Menschenrechtsverletzungen zuschulden kommen | |
| lassen, müssen dann nur noch in schweren Fällen mit Bußgeldern rechnen. Und | |
| die Firmen brauchen im Gegensatz zu heute keine Berichte mehr zu erstellen, | |
| ob sie das Gesetz auch wirklich anwenden. | |
| Diese Änderungen hat die Union in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt. | |
| Sie will das [2][Lieferkettengesetz verwässern], die SPD möchte es im | |
| Wesentlichen erhalten. Die Auseinandersetzung findet in Deutschland statt, | |
| parallel aber auch auf europäischer Ebene. Dort sind die EU-Kommission, | |
| einige Mitgliedstaaten und Parlamentarier dabei, Kernelemente aus der | |
| EU-Lieferketten-Richtlinie herauszuoperieren. | |
| Damit stehen Fortschritte infrage, die noch nicht alt sind. Das deutsche | |
| Gesetz beschloss der Bundestag im Sommer 2021, die EU-Richtlinie war 2024 | |
| fertig. Beide Regularien dienen demselben Zweck und ergänzen sich: Die | |
| Beschäftigten der weltweiten Zulieferer hiesiger Unternehmen sollen | |
| beispielsweise vernünftige Löhne erhalten, in sicheren Gebäuden arbeiten, | |
| die nicht zusammenbrechen und keinen gesundheitsschädlichen Chemikalien | |
| ausgesetzt werden. | |
| ## Wirtschaftsverbände waren schon immer dagegen | |
| Nun fallen die Gesetze der seit Jahren dauernden Konjunkturkrise zum Opfer. | |
| Wegen angeblich zu hoher Kosten zulasten der Firmen waren | |
| Wirtschaftsverbände wie die Vereinigung der deutschen Arbeitgeber schon | |
| immer dagegen. Der Rechtsdrift im Parteienspektrum spielt ebenfalls eine | |
| Rolle, in Deutschland wie auf EU-Ebene. | |
| Mit seinem kommenden Gesetzentwurf hält sich das Arbeitsministerium an den | |
| Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD. Aber vermutlich handelt es sich | |
| nur um einen ersten, kleinen Schritt. Denn auf Wunsch von CDU/CSU heißt es | |
| im Vertrag: „Wir schaffen das nationale | |
| Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ab.“ Stattdessen will die | |
| Bundesregierung ein Gesetz einführen, „das die europäische | |
| Lieferketten-Richtlinie bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt“. | |
| In dieser Richtung ereignete sich kürzlich ein Dammbruch. Ende Juni | |
| verabredete der Rat der Regierungen in Brüssel, die Zahl der europäischen | |
| Firmen stark einzuschränken, die die Richtlinie erfüllen müssen. Gilt diese | |
| augenblicklich für alle Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und 450 | |
| Millionen Euro Jahresumsatz, soll die Untergrenze künftig erst bei 5.000 | |
| Leuten und 1,5 Milliarden Euro Umsatz liegen. | |
| ## Zahl der geschützten Arbeitnehmer:innen sinkt | |
| Die Folge: Nur noch einige hundert Konzerne in Europa plus ihre | |
| ausländischen Lieferanten wären erfasst. Und die Zahl der [3][weltweit | |
| geschützten Arbeitnehmer:innen würde beträchtlich sinken.] | |
| Die deutsche EU-Vertretung in Brüssel erhob keinen Einwand gegen den | |
| Beschluss – wohl im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt in Berlin. Damit | |
| setzte sich die CDU-Seite über die gegenteilige Position der | |
| Sozialdemokraten hinweg, was erheblichen Ärger auslöste. Im | |
| SPD-Arbeitsministerium tröstet man sich nun aber, das letzte Wort sei noch | |
| nicht gesprochen. | |
| Tatsächlich ist das europäische Gesetzgebungsverfahren jedoch noch nicht zu | |
| Ende – der Trilog, die Konsensfindung zwischen Kommission, Rat der | |
| Regierungen und EU-Parlament folgt in diesem Herbst. Via EU-Parlament hofft | |
| die SPD, noch Boden gutzumachen. Allerdings erscheint fraglich, wie viel | |
| Druck die Sozialdemokraten aufbauen können. | |
| Denn die Europäische Volkspartei (EVP), der die Union angehört, hat | |
| neuerdings immer zwei Optionen. Einerseits kann sie sich auf die | |
| Mitte-links-Mehrheit von EVP, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen | |
| stützen. Andererseits kann sie Beschlüsse zusammen mit den erstarkten | |
| Rechten und Rechtsextremen herbeiführen – oder zumindest damit drohen. | |
| Damit sieht es für die Lieferketten-Richtlinie nicht gut aus. | |
| ## Menschenrechtsverstöße könnten für hiesige Firmen weniger Konsequenzen | |
| haben | |
| Das Lager der Unterstützer:innen starker Lieferkettengesetze sucht | |
| deshalb nach Hebeln und Argumenten. Eines ergibt sich aus einem Gutachten | |
| des vom Bundestag finanzierten Instituts für Menschenrechte. Demnach darf | |
| Deutschland den einmal erreichten Schutz von Menschenrechten nicht | |
| verschlechtern, wenn es nicht gegen den Sozialpakt der Vereinten Nationen | |
| verstoßen will. Der Abschwächung des deutschen Lieferkettengesetzes wären | |
| auf diese Weise Grenzen gesetzt. | |
| Außerdem haben einige Gewerkschaften und Organisationen einen Brief an die | |
| Bundesregierung geschickt, in dem sie vor der Abschwächung der europäischen | |
| Richtlinie und des deutschen Gesetzes warnen. Unter anderem kritisieren | |
| sie, dass die zivilrechtliche Haftung hiesiger Firmen für | |
| Menschenrechtsverstöße in ausländischen Fabriken eingeschränkt werden soll. | |
| Unterzeichnet haben etwa die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die IG Bau, | |
| Amnesty International und Oxfam. Schließlich plädierten auch hunderte | |
| Unternehmen dafür, den Kern der EU-Regulierung zu erhalten, selbst große | |
| wie Allianz, Ikea, Nestlé oder Vattenfall. Sie und ihre Lieferanten haben | |
| die menschenrechtlichen Regeln längst in ihre Geschäftspolitik eingebaut. | |
| 24 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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