# taz.de -- Leak von Plänen der EU-Kommission: Weniger Vorsorge für die Liefe… | |
> Um die Kosten für Unternehmen zu senken, will die EU-Kommission | |
> Regelungen für Haftung und Klimaschutz entschärfen. | |
Bild: Es bleibt schwierig, Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen, wenn Zulief… | |
BERLIN taz | Europäische Unternehmen werden wohl weniger als bisher geplant | |
auf Menschenrechte und Umwelt in ihren Lieferketten achten müssen. Das geht | |
aus einem Dokument der EU-Kommission hervor, das am Samstag in die | |
Öffentlichkeit sickerte. Dem Vorschlag zufolge sollen unter anderem die | |
Regeln für Haftung und Schadenersatz bei Verstößen gegen die Rechte von | |
Beschäftigten abgeschwächt werden. | |
Laut der im vergangenen Jahr beschlossenen Europäischen | |
Lieferkettenrichtlinie sind [1][große europäische Unternehmen | |
mitverantwortlich] dafür, soziale und ökologische Rechte von Beschäftigten | |
ausländischer Zulieferfabriken zu schützen. Sie müssen sich darum kümmern, | |
dass etwa die Textilarbeiter:innen ihrer Lieferanten in Vietnam | |
Mindestlohn und Mindesturlaub erhalten. | |
Deutschen Stahl-, Aluminium- und Kupferproduzenten darf es nicht egal sein, | |
[2][ob Flüsse rund um Minen in Südamerika vergiftet werden]. | |
Wirtschaftsverbände argumentieren neuerdings, angesichts der ökonomischen | |
Stagnation müssten die Unternehmen von Verwaltungsaufwand und Kosten | |
entlastet werden. | |
Die Richtlinie soll wohl grundsätzlich so bleiben, wie sie ist, aber in | |
einigen Punkten sind deutliche Abschwächungen zu erkennen. Das Dokument | |
bildet offenbar den Vorschlag des federführenden EU-Kommissars Valdis | |
Dombrovskis ab. Die Verhandlungen scheinen weit fortgeschritten. Andere | |
EU-Generaldirektionen sollten sich bis Sonntag äußern. Änderungen sind wohl | |
noch möglich, bevor [3][EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den | |
Plan am Mittwoch dieser Woche vorstellt.] | |
## Zivilrechtliche Haftung für europäische Firmen soll „gelöscht“ werden | |
Die bisher festgelegte zusätzliche zivilrechtliche Haftung für europäische | |
Firmen soll „gelöscht“ werden, ist in dem Dokument zu lesen. Werden | |
beispielsweise Zulieferarbeiter:innen um ihren Lohn betrogen, wären | |
die europäischen Auftraggeber zwar weiterhin mit haftbar für diesen | |
Verstoß, aber den Geschädigten fiele es schwerer, ihre Rechte vor hiesigen | |
Gerichten durchzusetzen. Denn durch die Änderung müsste Deutschland seine | |
Haftungsregeln nicht so verschärfen, wie es die EU-Richtlinie bisher | |
vorsieht. | |
Dazu passt, dass nur noch die Interessen „relevanter“ Betroffener eine | |
Rolle spielen sollen. Eine mögliche Folge: Die Mithaftung europäischer | |
Firmen für Umweltverschmutzung könnte auf die unmittelbare Umgebung eines | |
Bergwerks beschränkt werden, während die Rechte weiter entfernt wohnender | |
Geschädigter unter den Tisch fallen. | |
Außerdem ist geplant, dass die hiesigen Auftraggeber sich im Wesentlichen | |
um ihre eigenen Aktivitäten, die ihrer Tochterfirmen und der „direkten“ | |
Lieferanten kümmern sollen. Die Zulieferer der Lieferanten blieben außen | |
vor. Eine wesentliche Forderung deutscher Wirtschaftsverbände würde damit | |
erfüllt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und zahlreiche Firmen | |
beklagen seit Langem, dass es für sie kaum möglich sei, etwa den letzten | |
Faden in der Textilproduktion bis zu seinem Ursprung zurückzuverfolgen. | |
Die Änderung der Richtlinie orientiert sich hier am deutschen | |
Lieferkettengesetz, das ebenfalls eine gewisse Beschränkung auf direkte | |
Zulieferer beinhaltet. Allerdings: Können den Auftraggebern durch | |
Recherchen von Gewerkschaften, Umweltorganisationen oder Medien | |
Rechtsverstöße bekannt sein, dürfen sie diese nicht ignorieren, auch wenn | |
sie sich tief in der Zulieferkette ereignen. | |
## Überprüfung von Zulieferern nur alle fünf Jahre | |
Die „Anwendung“ der Richtlinie soll im Übrigen von 2027 auf 2028 verschoben | |
werden. Die größten europäischen Unternehmen mit mehr als 5.000 | |
Beschäftigten müssten die Bestimmungen erst dann einhalten. Danach würde | |
wie bisher geplant die Größengrenze allmählich auf Firmen mit mehr als | |
1.000 Leuten sinken. | |
Neu wäre auch, dass die Betriebe ihre Lieferketten nicht jedes Jahr, | |
sondern nur alle fünf Jahre überprüfen müssten. Zudem sollen sie in | |
besonders schweren Fällen die Beziehungen zu ihren Lieferanten nicht mehr | |
„abbrechen“, sondern „aussetzen“, was eine mögliche Wiederaufnahme zu | |
beinhalten scheint. Schließlich wird die Verpflichtung abgeschwächt, die | |
Firmenpolitik mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang zu bringen und den | |
Ausstoß von klimaschädlichen Gasen entsprechend zu reduzieren. | |
„Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus will Ursula von der Leyen jetzt | |
zentrale Elemente des Gesetzes streichen“, kritisierte die grüne | |
EU-Abgeordnete Anna Cavazzini. „Das geht weit darüber hinaus, | |
Berichtspflichten zu vereinfachen, wie sie ursprünglich mal angekündigt | |
hatte.“ | |
Wenn die zivilrechtliche Haftung gestrichen oder die Sorgfaltsprüfung auf | |
den ersten Zulieferer reduziert werde, sei das „ein Kahlschlag am Gesetz“. | |
Armin Paasch von der katholischen Entwicklungsorganisation Misereor hält | |
die Änderungen für „Wettbewerb auf dem Rücken der Schwächsten und der | |
Umwelt“. | |
23 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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