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# taz.de -- Menschenrechte in der Lieferkette: Von nun an wieder Selbstkontrolle
> Die Bundesregierung hat zentrale Hebel zur Überprüfung des
> Lieferkettengesetzes abgeschafft – zum Beispiel die Berichtspflichten von
> Unternehmen.
Bild: Nach dem Trocknen werden die Stoffe auf Großmärkten angeboten und spät…
Berlin taz | Vier Jahre, nachdem eine CDU-SPD-Koalition unter
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Gesetz beschloss, das Unternehmen
zur Einhaltung von Menschenrechten verpflichtet, sägt Schwarz-Rot es wieder
ab. In der Kabinettssitzung am Mittwoch hat die Bundesregierung zentrale
Abschwächungen des [1][Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes] beschlossen.
Zwar müssen große Unternehmen auch in Zukunft ihre Zulieferer kennen und
dafür sorgen, dass dort keine Verstöße gegen Menschenrechte an der
Tagesordnung sind, aber sie müssen nach dem neuen Gesetzentwurf nicht mehr
darüber berichten. Das heißt, sie müssen vorerst keine Einblicke geben, ob
sie ihre Lieferketten auf Risiken analysieren, wie viele Beschwerden sie
erhalten haben oder welche Maßnahmen sie zur Prävention von
Menschenrechtsverletzungen ergreifen.
Außerdem soll [2][die zuständige Kontrollbehörde Bafa] Unternehmen
zukünftig bei Verstößen nicht mehr sanktionieren können – außer bei
massiven Menschenrechtsverletzungen.
Die Bundesregierung setzt damit ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag
um. Sie schafft das Gesetz aber nicht ab – wie ebenfalls angekündigt. Bis
Juli 2027 muss Deutschland ohnehin die europäische Richtlinie (CSDDD)
umsetzen, auch sie erfordert die Einrichtung eines Lieferkettengesetzes.
## Auch in der EU droht Abschwächung
Über den Rahmen dieser Richtlinie verhandelt die EU wieder, nachdem
Deutschland unter der Ampelregierung die formale Annahme im Rat blockiert
hatte. Auch hier liegen wieder starke Abschwächungen auf dem Tisch. Zum
Beispiel soll nach Wunsch der Mitgliedstaaten im Rat nur noch ein Bruchteil
der Unternehmen von den Pflichten betroffen sein. Deutschland trägt diese
Entscheidungen trotz internem Widerstand des SPD-geführten
Bundesarbeitsministeriums offenbar mit.
Zahlreiche Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen reagierten am
Mittwoch mit heftiger Kritik auf den Kabinettsbeschluss. Sofie Kreusch von
der zivilgesellschaftlichen Initiative Lieferkette kritisierte die neue
Bundesregierung für „eine Rolle rückwärts“.
Sie handle „nicht nur verantwortungslos gegenüber den Betroffenen von
Menschenrechtsverletzungen weltweit, sondern auch im Widerspruch zu
europäischen und völkerrechtlichen Vorgaben, die Rückschritte beim Schutz
der Menschenrechte verbieten“. Deutsche Unternehmen, die bereits mit der
Umsetzung des Lieferkettengesetzes begonnen haben, verlören wichtige
Anreize zur Vorbeugung von Menschenrechtsverstößen und Umweltschäden.
## BDI fordert Abschaffung
Die Abschwächungen seien „eine offene Einladung, es mit den Menschenrechten
nicht mehr so genau zu nehmen“, kritisierte Armin Paasch von der
Entwicklungsorganisation Misereor. „In der Konsequenz droht eine reale
Zunahme von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung unter
Beteiligung deutscher Unternehmen“.
Laut Paasch hat das Gesetz bereits konkrete Verbesserungen für Betroffene
bewirkt. Nach einer Beschwerde der ecuadorianischen Gewerkschaft Astac
gegen die Supermarktkette Rewe etwa habe der Zulieferbetrieb die Löhne für
Bananenarbeiter*innen angehoben. Auch [3][eine Studie mehrerer
Zivilorganisationen vom Mai] zeigte positive Wirkungen des Gesetzes für
Arbeitnehmerinnen am Ende der Lieferkette, forderte jedoch Nachbesserungen
in der Beteiligung Betroffener und bei der Sanktionierung von Unternehmen.
Die Bundesregierung kommt mit dem Beschluss Wirtschaftsverbänden entgegen,
die über den Bürokratieaufwand des Gesetzes klagten. Dem Bundesverband der
Deutschen Industrie (BDI) gehen die Änderungen dennoch nicht weit genug.
Geschäftsführerin Tanja Gönner sagte der taz: „Für eine spürbare Entlast…
wäre eine vollständige Aussetzung des nationalen Gesetzes erforderlich, bis
die entsprechende EU-Richtlinie umgesetzt ist.“
Gönner fordert zudem, dass das Bafa angewiesen werden müsse, auch „Abfragen
auf Basis des deutschen Gesetzes zu stoppen“. Der Änderung des
Lieferkettengesetzes müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen.
4 Sep 2025
## LINKS
[1] /Das-Lieferkettengesetz/!6083469
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[3] /Europaeische-Lieferkettenrichtlinie/!6088922
## AUTOREN
Leila van Rinsum
## TAGS
Unternehmen
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Menschenrechte
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