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# taz.de -- Asylpolitik von Schwarz-Rot: Grundsätzliche Einzelfallentscheidung
> Die Gerichtsbeschlüsse gegen Zurückweisungen an der Grenze gelten nur für
> die Kläger:innen. Sie haben jedoch allgemeinen Charakter.
Bild: Innenminister Alexander Dobrindt am 3. Juni in Berlin
Freiburg taz | Die Bundesregierung will weiter alle Asylsuchenden an den
deutschen Grenzen zurückweisen. Sie lässt sich dabei auch nicht durch die
[1][Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin] beirren, das die
Zurückweisungen am Montag als „rechtswidrig“ einstufte. I[2][nnenminister
Alexander Dobrindt sprach von „Einzelfall-Entscheidungen“] im Eilverfahren.
Im Hauptsacheverfahren werde die Bundespolizei ihre Position „dezidierter“
begründen. Was ist dran an Dobrindts Argumentation?
Tatsächlich handelte es sich im Fall der drei Somalier:innen um
Einzelfall-Entscheidungen. Sie haben keine Wirkung über den konkreten Fall
hinaus. Die Bundespolizei hat die Entscheidungen insofern umgesetzt und die
drei Kläger:innen einreisen lassen, sodass auf deutschem Boden nun das
EU-rechtlich vorgesehene Dublin-Verfahren stattfinden kann. Dabei wird
geprüft, welcher EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist.
Die Beschlüsse haben aber durchaus grundsätzlichen Charakter. Denn die
Argumente, warum die Zurückweisungen als rechtswidrig eingestuft wurden,
haben nichts mit den Einzelfällen zu tun. Es spielte zum Beispiel keine
Rolle, dass die 16-jährige Somalierin einen verletzten Fuß hat. Die
Argumente des Gerichts kommen auch in keiner Weise überraschend. Es sind
die gleichen rechtlichen Argumente, die schon seit Jahren gegen
Zurückweisungen von Asylsuchenden vorgebracht werden. Die Position der
Bundespolizei wurde sogar zunehmend schlechter, weil der Versuch, eine
Bedrohung für die innere Sicherheit zu konstruieren, bei [3][stark
abnehmenden Asylzahlen] immer absurder wurde.
Es ist also sehr damit zu rechnen, dass auch jedes andere
Verwaltungsgericht Zurückweisungen als rechtswidrig einstufen wird, etwa
das VG München, wenn es um Zurückweisungen an der Grenze nach Österreich
geht.
Es ist allerdings fraglich, ob es noch viele Klagen gibt. Denn
zurückgewiesene Flüchtlinge gehen beim nächsten Mal einfach über die
schlecht bewachten grünen Grenzen. Das war der fußverletzten Somalierin
nicht möglich, weshalb sie tatsächlich klagen musste.
Die Eilentscheidung des VG Berlin ist rechtskräftig, da es in gerichtlichen
Asyl-Eilverfahren nur eine Instanz gibt. Der 28-seitige Beschluss, der der
taz vorliegt, ist aber keineswegs oberflächlich oder skizzenhaft, sondern
gründlich und umfassend. Es ist nicht ersichtlich, warum das VG in einem
Hauptsacheverfahren zu einer anderen Entscheidung kommen sollte.
Allerdings: Ob es das von Dobrindt anvisierte Hauptsacheverfahren überhaupt
geben wird, ist fraglich. Dobrindt jedenfalls kann es nicht einleiten. Eine
Hauptsacheklage der Somalierin liegt zwar bereits vor, aber das Gericht
könnte diese nach dem erfolgten Grenzübertritt für erledigt erklären.
Wenn es kein Hauptsacheverfahren gibt, kann es auch keine
höchstrichterliche Klärung geben. Auch eine Vorlage an den Europäischen
Gerichtshof (EuGH) ist dann nicht möglich.
Möglich wäre aber, beim EuGH ein Vertragsverletzungsverfahren gegen
Deutschland einzuleiten. Klagen könnte ein anderer EU-Staat oder die
EU-Kommission, wobei letztere in Asylsachen bisher nur intervenierte, wenn
es gegen Ungarn ging.
3 Jun 2025
## LINKS
[1] /Urteil-zu-Asylpolitik/!6088379
[2] /Urteil-zu-Zurueckweisungen-an-den-Grenzen/!6092006
[3] /Faeser-lobt-sich-fuer-hartes-Durchgreifen/!6074148
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Asylpolitik
Asylrecht
Alexander Dobrindt
Grenzpolitik
Grenzkontrollen
Migration
Neue Bundesregierung
Asylpolitik
Dublin-System
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