| # taz.de -- Polnische Präsidentschaftswahl: Auf dem Spiel steht Polens Zukunft | |
| > Der Ausgang der Wahl entscheidet darüber, ob die Demokratie in Polen | |
| > wieder aufgebaut oder Reformgesetze der Mitte-links-Regierung blockiert | |
| > werden. | |
| Bild: Präsidentschaftskandidat und Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzask… | |
| Warschau taz | Noch nie waren die Präsidentschaftswahlen in Polen so | |
| wichtig wie an diesem Sonntag. Auf dem Spiel steht nicht weniger als die | |
| Zukunft Polens und der ganzen EU. Wird der Favorit, Warschaus | |
| Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski von der liberalen Regierungspartei | |
| Bürgerplattform (PO), gewinnen, der die noch immer stark angeschlagene | |
| Demokratie in Polen wieder stärken will? | |
| Oder wird [1][Karol Nawrocki, ehemaliger Boxer, Chef des Instituts für | |
| Nationales Gedenken (IPN)] und Kandidat der rechtspopulistischen | |
| Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in letzter Minute noch an | |
| seinem Rivalen vorbeiziehen? | |
| Sollte das passieren, würde die aktuelle Mitte-links-Koalition unter Donald | |
| Tusk keine Chance haben, [2][Polens Demokratie und Rechtsstaatlichkeit] | |
| nach acht zerstörerischen Regierungsjahren der PiS (2015–2023) wieder | |
| herzustellen und dann auch endlich mit dem eigenen Regierungsprogramm | |
| durchzustarten. Denn Nawrocki würde, wie der noch amtierende Präsident | |
| Andrzej Duda, mit dem Präsidentenveto jedes Gesetz zur Wiederherstellung | |
| der Demokratie in Polen blockieren. Sind doch beide Politiker Geschöpfe des | |
| mächtigen PiS-Parteichefs Jarosław Kaczyński. | |
| Wenige Tage vor der ersten Wahlrunde am kommenden Sonntag, dem 18. Mai, | |
| sehen repräsentative Umfragen den Warschauer Oberbürgermeister Trzaskowski | |
| mit 31,5 Prozent Stimmen an erster Stelle. Ihm folgt Karol Nawrocki, der es | |
| in der polnischen Wählergunst auf 23,6 Prozent bringt. An dritter und | |
| vierter Stelle stehen laut Meinungsforschungsinstitut Ibris [3][Sławomir | |
| Mentzen von der rechten Konfederacja] (12,6 Prozent) und Szymon Hołownia | |
| von der christdemokratischen Polska 2050 (8,6 Prozent). Danach folgen die | |
| beiden Kandidaten der Linken Magdalena Biejat (6,3 Prozent), die sich dazu | |
| entschieden hat, innerhalb der Regierungskoalition Politik zu machen, und | |
| Adrian Zandberg (5,4 Prozent), der es vorzieht, weiterhin die | |
| Oppositionsbank zu drücken und die demokratischen Parteien scharf zu | |
| kritisieren. | |
| ## Stichwahl am 6. Juni wird entscheidend | |
| Insgesamt haben sich 13 Polen und Polinnen mit jeweils 100.000 | |
| Unterschriften für die erste Runde der Präsidentschaftswahlen qualifiziert, | |
| doch die meisten sind mit 2 bis 3 Prozent Wählerzustimmung völlig | |
| chancenlos, in die zweite Runde am 6. Juni zu kommen. Erst dann, in der | |
| Stichwahl, wird sich entscheiden, wer in den Präsidentenpalast nahe der | |
| Warschauer Altstadt einziehen wird. | |
| Laut polnischer Verfassung besteht die Rolle des Staatspräsidenten vor | |
| allem darin, Land und Leute nach außen und innen würdig zu vertreten. Zwar | |
| ist Polens Präsident Oberbefehlshaber der Armee und kann auch eigene | |
| Gesetzesinitiativen ins Parlament einbringen, doch seine wichtigsten | |
| Machtinstrumente sind das Veto, mit dem er jedes Gesetz zu Fall bringen | |
| kann, und die Weiterleitung von Gesetzen an das Verfassungstribunal, mit | |
| dem Gesetze ebenfalls verhindert werden können. | |
| Seit dem Regierungsantritt der Tusk-Koalition Ende 2023 [4][machte | |
| Präsident Duda reichlich von seinem Vetorecht Gebrauch] und blockierte | |
| damit weitgehend die Reformpolitik von Ministerpräsident Tusk. Dudas zweite | |
| Amtszeit endet nach insgesamt zehn Jahren am 6. August 2025. Ein drittes | |
| Mal kann er nicht kandidieren. | |
| ## Polnische vox populi vor der Wahl | |
| „Ich bin froh, dass Duda jetzt endlich gehen muss“, sagt ein 30-jähriger | |
| Pole bei einer spontanen Straßenumfrage in Warschau. „Wir brauchen einen | |
| Neuanfang. Mit Duda drehen wir uns nur noch im Kreis.“ Ob er schon wisse, | |
| wem er am Sonntag seine Stimme geben werde? „Ja, natürlich. Unserem | |
| Oberbürgermeister! Vor fünf Jahren bei den Präsidentschaftswahlen hat er | |
| den Sieg ja nur um Haaresbreite verpasst. Seitdem hat er sich auf das | |
| Präsidentenamt vorbereitet. Ich bin überzeugt, dass er der beste Kandidat | |
| ist“, ruft er gegen den Baulärm auf der Straße an. | |
| „Ich werde in der ersten Runde Magdalena Biejat von den Linken wählen, | |
| obwohl ich weiß, dass sie nicht weiterkommen wird“, bekennt eine junge | |
| Mutter mit Baby im Kinderwagen. „Sie kämpft für uns Frauen. Das muss man | |
| irgendwie belohnen. Ich hoffe, andere Wählerinnen denken wie ich“, sagt | |
| sie, nimmt das Kind auf den Arm und verschwindet in der Bäckerei. | |
| „Ich interessiere mich nicht mehr für Politik“, winkt ein älterer Mann vor | |
| dem Kebab-Imbiss ab. „Wenn ich überhaupt wählen gehe am Sonntag, dann | |
| stimme ich für Nawrocki, also für die PiS. Wie eigentlich immer.“ Ob | |
| Nawrocki tatsächlich einem Rentner die kleine Wohnung abgeluchst habe, ohne | |
| sich dann – wie versprochen – bis ans Lebensende um den Rentner zu kümmern, | |
| wisse man nicht genau. „Die einen sagen so, die anderen so. Wem soll man da | |
| glauben?“, zuckt er ratlos die Schultern. | |
| ## Zu viele Informationen, zu viele Fake News | |
| Zwar hat jeder der 13 Kandidaten ein mehr oder weniger ausgebautes | |
| Wahlprogramm, doch die meisten Polen sind von der schieren Masse an | |
| Informationen völlig überfordert. Dazu kommen Millionen Fake News im | |
| Internet, viel Hass, rechter wie linker Radikalismus und dreiste Lügen | |
| vieler Kandidaten. | |
| In den „guten alten Zeiten“ sorgten Wahlschnellgerichte dafür, dass die | |
| „alternativen Wahrheiten“ rasch entlarvt und die Politiker ermahnt oder | |
| auch zu Geldbußen verurteilt wurden. Heute sind die polnischen Gerichte | |
| außerstande, eine Faktenbasis zu garantieren, die den informierten | |
| Bürgerinnen und Bürgern überhaupt eine abgewogene Wahlentscheidung | |
| ermöglicht. | |
| Immerhin gelang es der Koalition von Tusk, [5][den in der | |
| PiS-Regierungszeit zu einer Parteipropagandaschleuder verkommenen | |
| öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder in den Dienst der Mediendemokratie] | |
| zu stellen. Die große TVP-Wahldebatte mit allen 13 Kandidaten verfolgten am | |
| Montagabend rund 6,5 Millionen Menschen auf acht Fernsehkanälen. Wer | |
| wollte, konnte sich also kurz vor den Wahlen am Sonntag noch einen guten | |
| Überblick verschaffen. | |
| 16 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gabriele Lesser | |
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