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# taz.de -- Präsidentschaftswahl Polen: Ex-Boxer oder Schickimicki-Bubi
> Die nationalpopulistische PiS unterstützt im Wahlkampf den Ex-Boxer Karol
> Nawrocki. Doch die Bevölkerung ist skeptisch, in Umfragen führt ein
> anderer.
Bild: Polens größte Oppositionspartei (PiS) nominiert den parteilosen Histori…
Alicja und Slawka schauen sich ein [1][Tiktok-Video] an. Die beiden
Freundinnen sitzen im Zug nach Warschau. Ein schon ziemlich ramponierter
Boxer geht mit blutiger Nase zu Boden. Das Video startet von vorne, läuft
in Dauerschleife. Die Freundin mit den langen schwarzen Haaren schaut die
andere verständnislos an. „Erkennst Du ihn nicht?“, fragt Alicja. „Das i…
unser künftiger Staatspräsident Karol Nawrocki“, erklärt sie ihrer
Begleiterin. Jetzt schielen auch die anderen Passagiere Richtung Handy.
„Haben Sie etwas gegen Boxen? Das ist ein ehrlicher Sport“, meldet sich
unerwartet ein Berliner mit schütterem braunem Haar zu Wort. Er spricht
Polnisch mit deutschem Akzent. „Ich bin Thomas“, sagt er und vergleicht die
Kandidaten für die Präsidentschaftswahl: „Dieser Schickimicki-Bubi Rafał
Trzaskowski aus Warschau kann doch da gar nicht mithalten!“
Der Präsidentschaftswahlkampf in Polen ist in vollem Gange. Manche der
sieben Kandidaten sind aus der laufenden Politik gut bekannt, andere – wie
der nationalpopulistische Historiker und Wissenschaftsmanager Karol
Nawrocki – eher unbekannt. Dabei muss die polnische Bevölkerung erst im Mai
2025 wählen. Das genaue Datum steht bisher noch nicht fest. In den
aktuellen Umfragen führt zwar der liberalkonservative Warschauer
Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski, der vor fünf Jahren den Einzug in den
Präsidentenpalast nur knapp verpasste, doch Nawrocki ist ihm dank
geschickter Wahlwerbung [2][der Recht und Gerechtigkeit PiS] schon dicht
auf den Fersen.
Die Partei hofft, dass Nawrocki die Nachfolge des bisherigen
PiS-nahen-Präsidenten antreten wird. Der Erhalt der Präsidentschaft würde
für die PiS bedeuten, weiterhin die Politik der verhassten
Mitte-Links-Koalition blockieren zu können.
Ela schüttelt den Kopf. Die Mittvierzigerin mit dem blonden Kurzhaarschnitt
drückt einen schwarzen Leinenbeutel an sich. Markant sticht der rote Blitz
hervor, das Symbol für den Frauenstreik, Polens mächtige Frauenbewegung.
Sie sagt: „Es gibt ja auch Frauen, die boxen. Sollen die jetzt nicht für
das Amt der polnischen Präsidentin kandidieren dürfen?“
Slawka antwortet: „Die Linke hat vor ein paar Tagen Magdalena Biejat
aufgestellt. Die einzige Frau im Wahlkampf. Immerhin! Aber wozu über
Ex-Boxerinnen im Präsidentenpalast reden? Biejat hat leider auch so kaum
eine Chance.“
„Genau“, antwortet Thomas aus Berlin, „eine Boxerin als Präsidentin wäre
unmöglich. In Deutschland übrigens auch. Man stelle sich mal vor – eine
Boxerin statt Steinmeier in Bellevue!“
Was denn seiner Meinung nach dagegen spräche, fragen die Frauen ihn. Der
Berliner zeigt auf seinem Handy das Video eines Frauenboxkampfes herum und
kommentiert es auf Polnisch: „Weil die ganze Welt dann ständig solche
Bilder zu sehen bekäme. Das wäre doch peinlich. Ich jedenfalls als
Deutscher würde mich schämen, von so jemandem repräsentiert zu werden.“
Ela reagiert darauf empört: „Und bei einem Präsidenten-Boxer würden Sie
sich nicht schämen? Wieso das denn?“ Für Thomas aber ist die Sache klar:
„Vitali Klitschko macht es jeden Tag vor. Der Ex-Boxweltmeister ist seit
Jahren Bürgermeister von Kyjiw. Niemand macht sich über seine Boxkarriere
lustig. Im Gegenteil – der Ukrainer ist gerade auch wegen seiner Boxtitel
ein gefragter Politiker.“
Slawka lacht kurz auf: „Soweit mir bekannt ist, war Nawrocki nie
Boxweltmeister. Man kann ihn nicht mit Klitschko vergleichen.“ Sie deutet
auf Alicjas Handy und das Box-Video des jungen Nawrocki. „Natürlich ist
sein Wahlprogramm wichtiger. Aber die Würde des Präsidentenamtes verlangt
eben auch von den Kandidaten, dass ihre Hobbys nicht peinlich wirken.“
Alicja grummelt ein bisschen vor sich hin und beendet die Diskussion im
Zugabteil: „Wahrscheinlich werden am Ende die meisten Polen und Polinnen
für den Boxer stimmen, ich aber mit Sicherheit nicht!“
27 Dec 2024
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## AUTOREN
Gabriele Lesser
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