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# taz.de -- Ärger über polnische Straßenkapelle: Jesus und Maria im Simpson-…
> In Oberschlesien herrscht heiliges Entsetzen über eine Straßenkapelle.
> Das denkmalgeschützte Bauwerk wurde von Unbekannten neu bemalt.
Bild: Ein Amateur-Konservator hat wohl zu Pinsel und Farbe gegriffen
Die heilige Maria leuchtet weit übers Land. Auch Jesus strahlt in poppigem
Gelb vom Kreuz. Doch was von Weitem wie ein Bild aus der Zeichentrickserie
„Die Simpsons“ aussieht, lässt viele Katholiken in Polen beim Näherkommen
in „heiligem Entsetzen“ erstarren. Denn noch vor Kurzem sah die
Straßenkapelle auf dem Weg nach Studzionka, einem gut 2.000-Seelen-Dorf bei
Kattowitz in Oberschlesien, ganz anders aus: verwittert und wie verwachsen
mit der Natur ringsum.
Über 200 Jahre hatte die Kapelle Wind und Wetter getrotzt, war sogar ins
Denkmalregister aufgenommen worden. Und nun hatte wohl ein
Amateur-Konservator zu Pinsel und Farbe gegriffen und die beiden Figuren
ein bisschen „verschönert“. Doch die „gute Tat“ entwickelte sich in
kürzester Zeit zur nationalen Lachnummer.
„Guckt mal, Jesus trägt eine Pampers!“, ruft ein 14-Jähriger in der
Warschauer Metro und hält sein Handy in die Runde. Seine Freunde grinsen,
dann suchen sie nach weiteren Fotos. Ein paar Erwachsene verziehen das
Gesicht, tippen aber ebenfalls verstohlen auf ihren Handys herum.
Die Mädchen finden Maria interessanter. „Was hat er denn mit ihren Augen
gemacht?“, schreit eine Schülerin in pinkfarbener Jacke entsetzt. „Das sind
ja nur weiße Flecken und zwei schwarze Punkte.“ Ihre Freundin lacht: „Und
dazu schielt sie noch!“ Sie schlägt vor: „Wir könnten ihr doch eine echte
Sonnenbrille vorbeibringen. Sonst ruiniert sie sich ja noch die Augen, wenn
sie ständig in die Sonne starrt.“
Polens Fernsehsender schickten mehrere Teams nach Oberschlesien. Reporter
fragen auch die Dorfbewohner, was sie von der „renovierten“ Madonna und
Jesus am Kreuz halten. Eine junge Frau mit langem braunem Haar sucht nach
Worten. „Unschön!“, sagt sie schließlich. Sie schüttelt den Kopf und
stammelt: „Die Hände. Was hat er nur mit ihren Händen gemacht? Die sind
doppelt so groß wie früher und völlig verwachsen.“
## Muttergottes mit rotem Lippenstift
Ein paar Straßen weiter stützt sich ein Gemüsegärtner auf seine Schaufel:
„Ach, wissen Sie“, sagt er abgeklärt, „es ist doch egal, wie Maria und
Jesus aussehen. Die Kapelle steht. Die Heiligen sind da. Wir können da
beten. Mehr habe ich zu dem Thema nicht zu sagen.“ Eine ältere Frau steigt
vom Fahrrad: „Eine Muttergottes mit knallrotem Lippenstift habe ich noch
nie gesehen. Und Maria und Jesus sehen aus, als hätten beide Gelbsucht!
Nein, so kann das nicht bleiben.“
Mirosław Rymer vom Denkmalschutzamt in Kattowitz weist darauf hin, dass die
Straßenkapelle auf der Denkmalschutzliste der Woiwodschaft Schlesiens
figuriert und daher höchsten Schutz genießt. Er sagt: „Auch wenn der Täter
beste Absichten hatte und das Straßenkreuz nicht absichtlich zerstören
wollte, werden wir Anzeige gegen Unbekannt erstatten.“ So wolle man
verhindern, dass sich Nachahmer fänden, die im nächsten Baumarkt Ölfarbe
kauften, um dann ein anderes altes Denkmal zu „verschönern“.
## Teil der polnischen Kulturlandschaft
Abreißen und neu bauen kommt nicht in Frage, auch wenn das Aussehen des
ursprünglichen Kreuzes nicht gerade als „ideal“ oder gar „schön“ gelt…
kann. Doch vor der alten Kapelle hatten sich über Jahre hinweg Zehntausende
Gläubige bekreuzigt, Bittgebete an Gott, Maria oder Jesus gerichtet und
später oft auch Dankgebete. So entstanden Legenden rings um die Kapelle,
die von Generation zu Generation weitergegeben wurden und nun zur
Kulturlandschaft Polens gehören.
Das sind Geschichten vom Wasser im Brunnen, das nach einem Bittgebet
zurückgekommen war, vom lang ersehnten Nachwuchs, von einer guten Ernte,
auf die nach einem trockenen Sommer niemand mehr zu hoffen gewagt hatte.
Mit dem Abriss würden auch diese Legenden verschwinden, die man sich im
Dorf beim Kartoffelfeuer oder im Winter erzählt, wenn es auf dem Feld kaum
Arbeit gibt.
Im Dorf hoffen fast alle, dass Maria und Jesus am Straßenrand bald wieder
so aussehen, wie sie es in den letzten 200 Jahren getan haben.
27 Mar 2025
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
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Jesus
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