| # taz.de -- Dem Rasen den Kampf ansagen: „Schafft euren Rasen ab!“ | |
| > Im Mai sollen wir unsere Rasen nicht mähen. Dazu rufen | |
| > Naturschutzverbände auf. Unsere Autorin versucht das schon lange. | |
| Der Aufruf ist simpel und nicht von mir: „Mäht eure Rasen im Mai nicht!“ | |
| Wäre er von mir, hieße es: „Schafft eure Rasen ab!“ Denn Rasen sind eure | |
| Visitenkarten. Wie der Rasen, so der Mensch. Hinter jedem dieser mit | |
| [1][grüner Auslegeware] bestückten Gärten versteckt sich folglich ein | |
| langweiliges, das wilde Leben hassendes Wesen. | |
| Naturschutzverbände rufen dazu auf, im Mai den Rasen nicht zu mähen. Das | |
| fördere Biodiversität und Artenvielfalt, denn dann könnten wilde Blumen | |
| wachsen. Wo wilde Blumen blühen, hätten Bienen und andere Bestäuber was zu | |
| fressen. Laufkäfer, Spinnen, Heuschrecken, Raupen und Larven, alle | |
| profitierten davon, [2][wird argumentiert]. Und wo viele Insekten seien, | |
| fänden auch Vögel und Wildtiere wie Igel Futter. Etwa [3][5 Prozent] der | |
| Fläche Deutschlands sind mit Rasen bedeckt. Geschätzt wird, dass ein | |
| Drittel der Rasenfläche auf private Gärten entfällt. | |
| Die mähfreie Mai-Bewegung kommt aus Großbritannien, wo der „No Mow May“ im | |
| Jahr 2019 zum ersten Mal ausgerufen wurde. Neben all dem Nutzen für | |
| Pflanzen, Insekten und Tiere profitiere dabei auch der Mensch. „Wer nicht | |
| mäht, spart Zeit und Energie“, heißt es im [4][National Geographic]. Und wo | |
| weniger Rasen gemäht wird, da wäre auch weniger Lärm. | |
| Das klingt alles super und so easy. Hör auf zu mähen und allen geht es | |
| besser! Aber so einfach ist es nicht. Seit 20 Jahren versuche ich aus dem | |
| Rasen in meinem Schrebergarten eine wilde Wiese zu machen. Vergeblich. | |
| Unendlich viele Stunden verbringe ich damit, das Wilde zu kultivieren. | |
| Wildes kultivieren – klar, das ist ein Widerspruch. | |
| Eine Schrebergartennachbarin hat so gut wie nichts in ihrem Garten außer | |
| Rasen. Bei Maulwurfhügeln kriegt sie Schnappatmung. Zuletzt hat sie den | |
| alten Rasen abgetragen, ein Drahtgeflecht untergelegt und neuen Rasen | |
| darauf ausgesät. Das würde den Maulwürfen bestenfalls die Schnauze | |
| polieren, ihren Rasen aber schonen. Auf der Visitenkarte ihres Freundes | |
| steht: Polier. Die Nachbarn auf der anderen Seite, türkische Migranten, | |
| Erdoğan-Fans, Allah-Fans, haben ihren Garten mit Rollrasen bestückt. „Du | |
| bist deutscher als deutsch“, sage ich zu ihm. Auch hier ist die Message | |
| klar: Er will ankommen. | |
| Bleibe dazwischen ich. Mein Rasen will sich partout nicht in eine Wiese | |
| verwandeln. Nelkenwurz, Schöllkraut und Dost, ja die kommen. Das eine | |
| absorbiert Schwermetalle, kein Wunder, jahrzehntelang lag der Garten unter | |
| startenden und landenden Flugzeugen vom Flughafen Tegel. Schöllkraut | |
| wiederum hilft bei Warzen. Dost indes verdichtet die Erde. In jedem Garten | |
| wächst das, was der Mensch braucht, das ist alte Gartenweisheit. Ich habe | |
| zwar keine Warzen, wofür ich das Schöllkraut bräuchte, scheine aber | |
| ungeerdet zu sein – und der Dost soll helfen. Wiesenblumen, ich denke da | |
| etwa an Margeriten, Wiesensalbei, Kornblumen, Witwenblumen, kommen nicht, | |
| wenn ich sie aussäe. Ich muss sie im Topf kaufen, einpflanzen und betüteln. | |
| Dabei kann ich zugucken, wie sie vergehen und im nächsten Jahr nicht | |
| wiederkommen. | |
| Ich tue alles, um meiner Wiese Wiesenstruktur zu geben und schaffe nur | |
| Chaos. So viel zur Visitenkarte. Jedes Mal bei der Gartenbegehung heißt es, | |
| ich solle das Unkraut entfernen. | |
| 14 May 2025 | |
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| [1] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/id_10… | |
| [2] https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2024/04/ein-monat-ohne-rasenmaeher… | |
| [3] https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/ipz/dateien/aggf_2007_schulz.pdf | |
| [4] https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2024/04/ein-monat-ohne-rasenmaeher… | |
| ## AUTOREN | |
| Waltraud Schwab | |
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