| # taz.de -- Fotoausstellung zu Schrebergärten: Ein Stück Heimat | |
| > Sie sind schon mehr als nur persönliche Rückzugsorte. In Frankfurt (Oder) | |
| > beschäftigt sich eine Ausstellung mit den Facetten des Mikrokosmos | |
| > Schrebergärten. | |
| Bild: Tanzvergnügen: aus der Serie „Kleingartenanlage Berlin“, 1979-1980 | |
| Berlin taz | Wer den Zug von Berlin nimmt, fährt am Stadtrand von Frankfurt | |
| (Oder) an einer Kleingartenanlage vorbei, die scheinbar gar kein Ende | |
| findet. Mit rund 300 Parzellen gehört „Paulinenhof“ tatsächlich zu den | |
| größten Kleingartenanlagen der Stadt und ist eine der ältesten, 1947 | |
| gegründet. Wie früher üblich, entstand sie entlang einer Eisenbahnlinie – | |
| denn das war Land, das man damals für den Wohnungsbau nicht brauchte. | |
| Heutzutage sieht das anders aus. Bauland ist rar und Schrebergärten sind in | |
| Gefahr. | |
| So gesehen, ist man mal bestens aufs Thema der neuen Ausstellung in der | |
| Rathaushalle von Frankfurt (Oder), neben Cottbus der zweite Standort des | |
| [1][Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst], eingestimmt. | |
| „Schrebergärten – Streifzüge durch einen Mikrokosmos“ wird am 25. Mai | |
| eröffnet. Zu sehen sind rund 140 Werke von 14 Künstler:innen aus | |
| verschiedenen Epochen, aus Ost- wie Westdeutschland. | |
| „Kleingärten sind seit mehr als 200 Jahren ein fester Bestandteil der | |
| deutschen Kultur“, sagt Kuratorin Carmen Schliebe bei einem Presserundgang. | |
| Eine erste Kleingartenanlage entstand 1814 in Kappeln an der Schlei im | |
| Schleswig-Holsteinischen, es handelte sich um Armengärten. Und 1864 wurde | |
| in Leipzig die Schreberbewegung ins Leben gerufen. „Im Westen sagt man eher | |
| Kleingarten, im Osten öfter Schrebergarten“, führt Schliebe aus. Mit | |
| Schrebergärten ließen sich unterschiedliche Aspekte beleuchten. Sie dienen | |
| nicht nur als persönliche Rückzugsorte und Freizeitoasen – oft als spießig | |
| verspottet –, sie spiegeln auch gesellschaftliche Entwicklungen und | |
| kulturelle Wertesysteme wider. | |
| ## Tanzvergnügen aller Art | |
| Das lässt sich zum Beispiel gut an den schwarz-weißen Fotografien von | |
| Wolfgang Gregor ablesen, der das Treiben in der „Kleingartenanlage | |
| Wilhelmstrand“ im Ostberlin um 1980 festhielt. Da gibt es vor allem | |
| Festivitäten: Kaffeekränzchen, Tanzvergnügen aller Art oder ein Umzug (zum | |
| Kindertag?) durch die Kleingartenanlage – vorneweg ein paar Männer mit | |
| Fackeln und hinter ihnen vor allem Kinder mit Lampions. Da geht es aber | |
| auch um die Früchte der Arbeit im Garten, diente ein solcher zu DDR-Zeiten | |
| und der oft kritischen Versorgungslage doch auch der Eigenversorgung mit | |
| Obst und Gemüse: Eine Frau präsentiert stolz ihren geernteten Blumenkohl. | |
| Die [2][Kleingartenanlage in Berlin-Oberschöneweide] gibt es bis heute. | |
| Viele Bilder dieser Serie wirken beiläufig aufgenommen, nur einige sind | |
| offenbar inszeniert. Die Kamera von Wolfgang Gregor, hier | |
| sozialdokumentarisch eingesetzt, bildet sozialistische Lebensfreude in | |
| einer staatlich geduldeten Nische ab, mit wachem, kritischem Blick. | |
| Andere Künstler:innen wie Joachim Brohm geht es in ihren Serien (hier | |
| meist nur in Teilen ausgestellt) um vergleichendes Sehen. Im sachlichen | |
| Dokumentarstil erforscht er 2014 formale Elemente von Gärten und Lauben, | |
| von Wegen und Beeten im Ruhrgebiet, sozusagen den individuellen | |
| Erfindergeist und Gestaltungswillen der Pächter:innen. Da ist vor allem | |
| viel Strenge zu sehen. Die meisten Wege sind schnurgerade. Nun, das ist | |
| wohl typisch Spießbürgertum. | |
| Das gilt wohl auch für den röhrenden Hirsch an einer Laubenwand und die | |
| Horde Gartenzwerge, den Helfried Strauß in einem Leipziger Garten fand. Er | |
| hat aber auch hier und da Ungewöhnliches, einen individuellen Touch | |
| entdeckt, eine goldene Buddha-Statue zum Beispiel. | |
| ## Nur noch Erholung | |
| Wie austauschbar moderne Gärten sein können, zeigt Pedro Citoler mit seinen | |
| Fotos aus Köln (2007), die er mittels Drohe von weit oben aufgenommen hat. | |
| Auf den ersten Blick ist klar: Irgendwie sieht alles gleich aus, Monotonie | |
| aller Orten, gut abgeschottet zu den Nachbarn. Und, im Gegensatz zu den | |
| Kleingärten im Osten, geht es hier nur noch um Erholung, es gibt Lauben, | |
| Liegen, Sonnenschirme, Rasen und Bäume zu sehen, aber kein bisschen Beet | |
| für irgendein Gemüse. | |
| Auswechselbar sind auch die Gartenbesitzer:innen in den Aufnahmen von | |
| Frank Höhler, die 2015 in Eisenhüttenstadt für die Kamera posierten. | |
| Abwechslung kommt erst bei Emime Akbaba aus Hannover ins Spiel. Sie zeigt | |
| mit Bildern aus ihrer Serie „Ein Stück Heimat, 2011–2017“, dass es in | |
| deutschen Kleingartenanlagen längst international zugeht. | |
| Akbaba hat türkische Wurzeln und lernte Schrebergärten erst kennen, als | |
| eine Cousine einen Garten pachtete. „Das ist doch typisch deutsch!“, dachte | |
| die Fotografin erst. Aber, na ja, und wohl auch typisch türkisch, wenn man | |
| die Fotos sieht: Da wird im Garten gebetet, gekocht, geschaukelt, Karten | |
| gespielt und vor allem Gemüse angebaut, dass man aus der Heimat kennt. Ja, | |
| auch der Gartenzwerg darf nicht fehlen. So ein Garten sei „eine Oase der | |
| Frauen“, sagt Kuratorin Schliebe zu den Fotos. | |
| Fast märchenhaft kommen die Arbeiten von Erasmus Schröter daher, der eine | |
| spezielle Lichtästhetik entwickelt hat. Er hat verlassene, halb verfallene | |
| Gartenschuppen in der Nacht aufgenommen, mit viel Licht und Farbfolien vor | |
| Scheinwerfern. Das verfremdet und überhöht die klapprigen Holzbuden, das | |
| hat etwas von Theaterkulisse. Die Schuppen sind heute sicher längst | |
| verschwunden. | |
| In Frankfurt (Oder), so erzählt Carmen Schliebe am Ende, würden immer mehr | |
| Schrebergärten aufgegeben oder ganz verschwinden, weil sie niemand mehr | |
| haben will. In Großstädten wie Berlin oder München dagegen sind freie | |
| Parzellen so gut wie nicht zu bekommen, die Wartelisten sind lang. Der | |
| Bedarf ist groß, immer mehr junge Leute wollen einen Garten haben, doch es | |
| kommen keine neuen Flächen für Kleingärten hinzu, [3][eher verschwinden | |
| welche, weil Bauland für Wohnungen gebraucht wird]. Mit dem Regionalexpress | |
| ist man von Berlin aus übrigens in gut einer Stunde in Frankfurt (Oder). | |
| 25 May 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.blmk.de/ | |
| [2] https://www.xn--kleingrtnerverein-paulinenhof-ffo-l1c.de/ | |
| [3] /Schrebergaerten-in-Hamburg/!5578737 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Frankfurt Oder | |
| Fotografie | |
| Ausstellung | |
| Schrebergärten | |
| Alltagsleben | |
| zeitgenössische Fotografie | |
| Schrebergärten | |
| wochentaz | |
| Kolumne Immer bereit | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fotoserie über georgische Tankstellen: Eine letzte Reise | |
| Der Eckernförder Fotograf Klaus Andrews hat in Georgien Tankstellen | |
| fotografiert. Damit kehrt er ganz an den Anfang seines Schaffens zurück. | |
| Dem Rasen den Kampf ansagen: „Schafft euren Rasen ab!“ | |
| Im Mai sollen wir unsere Rasen nicht mähen. Dazu rufen Naturschutzverbände | |
| auf. Unsere Autorin versucht das schon lange. | |
| Ordnung und Unordnung im Schrebergarten: Saisonalität und Kontrolle | |
| Unsere Autorin wuchs in der Stadt auf. Nun hat sie einen Kleingarten und | |
| versucht, im Rhythmus gezähmter Natur zu schwingen. Was viel Arbeit macht. | |
| Gärtnern ist Gentrifizierung: Tante Erna, der Garten und ich | |
| Rasenkante mit dem Lineal gezogen auf der einen Seite. Auf der anderen eine | |
| Ratte, die hinter der Regentonne wohnt. Übers Gärtnern – und das Leben. |