| # taz.de -- Neue Regierung in Hamburg: Rot-Grün bleibt sich treu | |
| > Vier Wochen haben Hamburgs SPD und Grüne verhandelt, nun steht der | |
| > Koalitionsvertrag. Überraschungen gibt es vor allem bei den | |
| > Ressortzuschnitten. | |
| Bild: „Umweltpolitik wieder sexy machen“: Katharina Fegebank (Grüne) mit P… | |
| Hamburg taz | Allzu große Überraschungen brachte die Vorstellung des | |
| Koalitionsvertrags zwischen SPD und Grünen am Donnerstag im Hamburger | |
| Rathaus zunächst nicht mit sich. Doch als die bisherige | |
| Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sagte, sie wolle | |
| „Klimaschutz wieder sexy machen“, sorgte das doch für Erstaunen – Fegeba… | |
| erklärte damit ihren Wechsel an die Spitze der Umweltbehörde; die Grüne | |
| Landeschefin Maryam Blumenthal übernimmt dafür ihren Posten. | |
| Aus Fegebanks bisherigem Portfolio muss sie die Zuständigkeit für die | |
| sieben Hamburger Bezirke an die Finanzbehörde abgeben – eine leichte | |
| Machtverschiebung von den Grünen zur SPD. Der dort für die Bezirke | |
| zuständige Staatsrat soll zusätzlich die Zuständigkeit für das wichtige | |
| Zukunftsthema Energie übernehmen, das aber in der Umweltbehörde angesiedelt | |
| bleibt. Er würde also zwei Senatoren von unterschiedlichen Parteien dienen. | |
| Inhaltlich bietet der 148-seitige Vertrag nicht viel Überraschendes und | |
| manch Trübes. Ein Überblick: | |
| ## Abschiebungen | |
| Unangenehm deutlich an den Zeitgeist angelehnt ist das Papier in puncto | |
| Abschiebung. Das nicht zuletzt durch [1][ein Gerichtsurteil umstrittene] | |
| „Dublin-Zentrum“ für die schnellere Rückführung von über EU-Staaten | |
| Eingereiste soll erhalten bleiben. Man werde für Menschen ohne | |
| Bleibeperspektive die Ausreisepflicht konsequent durchsetzen und die Zahl | |
| der Rückführungen erhöhen, schreiben SPD und Grüne auf Seite 94 ihres | |
| Vertrags. | |
| Dafür werde man, wenn nötig, die Kapazität der Abschiebehaft | |
| „bedarfsgerecht“ erhöhen. Immerhin sollen jungerwachsene Geflüchtete | |
| verstärkte „Angebote für nachholende Schulabschlüsse“ bekommen und ein | |
| Projekt für deren Übergang in Ausbildung verstetigt werden. Und sie | |
| erhalten für diese Zeit eine Duldung. | |
| ## Sicherheit | |
| Hamburg will in den nächsten fünf Jahren 500 neue Polizisten einstellen und | |
| eine „hochmoderne neue Einsatzzentrale“ bauen. Um den Extremismus zu | |
| bekämpfen, soll es künftig vor Einstellungen in den öffentlichen Dienst | |
| wieder eine „Regelanfrage“ an den Verfassungsschutz geben. Die Maßnahmen | |
| rund um den Hauptbahnhof erklärt die Koalition in spe für erfolgreich. | |
| Lägen Ordnungsverstöße wie „ordnungsstörendes öffentliches Lagern“ vor, | |
| werde man „niedrigschwellig Aufenthaltsverbote“ erteilen. Außerdem werde | |
| man bei festgestellten Aufenthaltsverstößen auch „Entziehung der | |
| EU-Freizügigkeit“ durchsetzen. Das zielt auf Obdachlose aus Osteuropa. | |
| ## Verkehr | |
| Der künftige Senat zeigt sich zumindest offen, was das umstrittene Thema | |
| Straßenbahn angeht. „Wir werden prüfen, wie und mit welchem Verkehrssystem | |
| der Öffentliche Personennahverkehr weiter in Richtung Süden entwickelt | |
| werden kann“, heißt es im Vertrag. | |
| Das Bussystem soll durch intelligente Leitkonzepte leistungsfähiger werden. | |
| Dort, wo die Kapazität der Metro- und Expressbuslinien auch nach dem Ausbau | |
| nicht ausreicht, soll geprüft werden, „welches Verkehrsmittel stattdessen | |
| zum Einsatz kommen kann“. | |
| Bei den Überlegungen zum Eisenbahnverkehr ist keine Rede vom | |
| Verbindungsbahn-Entlastungstunnel, einem S-Bahn-Tunnel mitten durch die | |
| Stadt, der den künftigen Deutschland-Takt der Bahn ermöglichen soll. | |
| Stattdessen heißt es, der Senat wolle sich dafür einsetzen, dass der Bund | |
| eine Studie zum Eisenbahnknotenpunkt Hamburg in Auftrag gibt. Der Tunnel | |
| gilt unter Eisenbahnaktivisten als teure und schlechte Lösung. | |
| Der von den Umweltverbänden und bisweilen auch den Grünen kritisierte Bau | |
| der Autobahn A26 Ost, die im Süden Hamburgs die A1 mit der A7 verbinden | |
| soll, wird im Koalitionsvertrag verankert. | |
| ## Klima | |
| Der Senat hält an dem Ziel fest, die Stadt bis 2045 weitgehend klimaneutral | |
| zu machen. Dieses Ziel schon 2040 zu erreichen, wie es die Volksinitiative | |
| Zukunftsentscheid fordert, wäre nur möglich, wenn auf Bundes- und | |
| europäischer Ebene die Weichen viel stärker in Richtung Klimaschutz | |
| gestellt würden, halten die Koalitionäre fest. | |
| ## Wohnungsbau | |
| An dem Ziel, 10.000 neue Wohnungen im Jahr zu genehmigen, soll festgehalten | |
| werden. Um die Mietpreisentwicklung zu dämpfen, soll sich der Mietenspiegel | |
| künftig am Median statt am Mittelwert orientieren. Damit verlieren die | |
| Ausreißer an Bedeutung. Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen soll von 15 | |
| auf elf Prozent binnen drei Jahren gesenkt werden. | |
| ## Innovationspolitik | |
| „Wir wollen Hamburg zum Innovationszentrum Europas machen“, lautet die | |
| Ansage. Die vier Innovationsparks der Stadt sollen weiterentwickelt werden. | |
| Dabei geht es um grüne Technologie, Life Sciences, Luftfahrt in Verbindung | |
| mit Airbus und Lufthansa Technik sowie maritime Technologie und smarte | |
| Logistik. Die Science City in Bahrenfeld am Deutschen Elektronen | |
| Synchrotron (Desy) soll zu einer Drehscheibe für Quantentechnologie | |
| werden. | |
| Zudem wollen die Koalitionäre eine IT-Umgebung schaffen, in der KI | |
| gefahrlos ausprobiert werden kann. Der Senat will Ausgründungen aus | |
| Hochschulen fördern und junge, innovative Unternehmen mit dem alten Geld | |
| der Herz- und der Otto-Stiftung auf die Beine bringen. | |
| ## Schule | |
| Besonders in der Schulpolitik will Rot-Grün am Bisherigen festhalten: der | |
| Struktur aus Gymnasium und Stadtteilschule. Das Ressort bleibt in der Hand | |
| von SPD-Politikerin Ksenja Bekeris, immerhin mit einem konkreten Ziel: Sie | |
| will die Grundkompetenzen in Deutsch und Mathe stärken und die Zahl der | |
| Kinder, die hier die Mindeststandards verfehlen, halbieren. | |
| Um auf Kritik am Turbo-Abi zu reagieren, darf es an Pilotschulen eine | |
| „flexible Oberstufe“ geben. Für Auszubildende soll es bis 2030 3.000 | |
| Wohnheimplätze geben. | |
| ## Kinder und Jugend | |
| Anders als von Kritikern erhofft, taucht auch die umstrittene Einrichtung | |
| „Casa Luna“, die auch geschlossene Unterbringung ermöglichen soll, im | |
| Koalitionsvertrag auf. Das noch nicht gebaute Heim in Hamburg-Groß Borstel | |
| soll Kindern, die zwischen Psychiatrie und Jugendhilfe pendeln, | |
| „bestmögliche Betreuung“ bieten. Immerhin verspricht das Papier, man werde | |
| dabei irgendwie auch die Kinderrechte berücksichtigen. | |
| Für die Jugendhilfe insgesamt nimmt sich die Koalition einiges vor. So | |
| soll, wie schon lange gefordert, der überlastete Kinder- und | |
| Jugendnotdienst dezentralisiert werden. Auch will man die Vorschriften bei | |
| den Jugendämtern überprüfen, damit Fachkräfte mehr Zeit für die Menschen | |
| haben. | |
| Und es soll einen Ausbau von geeigneten Jugendwohnungen geben, worunter | |
| wohl eine Art [2][Housing-First-Konzept für sonst obdachlose, junge | |
| Menschen] gemeint ist. Zu guter Letzt will sich Hamburg gar für einen Fonds | |
| einsetzen, damit Heimkinder, die physische oder psychische Gewalt erfuhren, | |
| entschädigt werden. | |
| ## Soziales | |
| Trübe sind die Aussichten für einen sozialen Arbeitsmarkt in ärmeren | |
| Quartieren. Hier nennt der Vertrag gar keine Zielzahlen. Hamburg will sich | |
| wieder für die Olympischen Spiele bewerben und darüber ein Referendum | |
| durchführen. | |
| ## Gesundheit | |
| Die neue Koalition will dafür sorgen, dass in allen Stadtteilen genügend | |
| Haus- und Kinderärzte sind und gucken, wo für die Sicherstellung der | |
| Versorgung Medizinische Zentren nötig sind. Die Suchthilfe soll durch das | |
| Angebot eines [3][„Drug-Checking“] erweitert werden. | |
| Ein Zentrum für Long-Covid-Patienten, wie von Betroffenen gefordert, ist | |
| nicht im Vertrag verankert, etwas ungenauer heißt es, man baue zusammen mit | |
| der U<niklink und den Kassenärzten „die Hilfen für Betroffene in Hamburg | |
| aus“. Und es soll mehr Prävention zur Verhinderung des Fetalen | |
| Alkoholsyndroms (FASD) geben. | |
| ## Kultur | |
| Hamburg will eine Förderung für Literaturverlage einführen und die | |
| bestehende Clubförderung und die Filmförderug aufstocken. Um mehr | |
| Live-Musik im Sommer zu ermöglichen, soll es eine Fläche für | |
| Open-Air-Konzerte der Clubs geben. Als „Leitprojekte“ soll es ein „Haus d… | |
| digitalen Welt“ geben und der Bau der neuen Kühne-Oper vorangetrieben | |
| werden. Und um die koloniale Vergangenheit der Stadt aufzuarbeiten, wird | |
| eine „zivilgesellschaftliche Koordinierungsstelle Hamburg dekolonisieren“ | |
| geschaffen. | |
| 24 Apr 2025 | |
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