# taz.de -- Grüne Jugend gegen rot-grüne Koalition: „Wir lehnen den Koaliti… | |
> Am Montag sollen Hamburgs Grüne dem Koalitionsvertrag mit der SPD | |
> zustimmen. Die Grüne Jugend hält vor allem die Asylpolitik für | |
> „unmenschlich“. | |
Bild: Rot-Grüner Koalitionsvertrag: Vier Wochen lang wurde er von den Spitzen … | |
taz: Leon Meyer, wie findet die Grüne Jugend Hamburg den [1][am Donnerstag | |
vorgestellten rot-grünen Koalitionsvertrag?] | |
Leon Meyer: Wir finden ihn ziemlich ambitionslos. Da werden Inhalte, die | |
schon im letzten Koalitionsvertrag standen, wieder als Erfolg verkauft. Und | |
der Vertrag schlägt in eine Richtung ein, die wir nicht gutheißen. | |
taz: Meinen Sie das Ziel, die Zahl der Rückführungen von Asylbewerbern zu | |
erhöhen? | |
Meyer: Zum Beispiel. Das lehnen wir ab. Einfach von höheren Abschiebezahlen | |
zu sprechen, ohne die Schicksale dahinter zu berücksichtigen, finden wir | |
unmenschlich. Da bedient man populistische Narrative. Das wird Auswirkungen | |
haben. | |
taz: Gerade kämpft [2][eine 5. Klasse dafür, dass ihre Mitschülerin | |
Chanelia nicht abgeschoben wird.] Beschäftigt das Thema gerade junge | |
Menschen? | |
Meyer: Ja, genau. Dieser Fall zeigt, dass es vor allem Menschen trifft, die | |
vulnerabel sind, die in diese Gesellschaft integriert sind. Die werden aus | |
ihrem Leben herausgerissen. | |
taz: Was sagen Sie zur Formulierung, es werde die Kapazität für | |
Abschiebehaft „bedarfsgerecht“ angepasst? | |
Meyer: Abschiebehaft ist kein sinnvolles Mittel. Abschiebungen sind | |
generell ein hoher Eingriff in die persönliche Freiheit. Und nur weil sich | |
ein Mensch hier aufhält, sollte man ihn nicht in Haft bringen. Der Mensch | |
hat kein Verbrechen begangen. | |
taz: Die Koalition hält auch am umstrittenen Dublin-Zentrum fest, wo | |
Geflüchtete statt Asylleistungen nur noch ein Bett, Brot, Seife und | |
medizinische Notversorgung bekommen. Was sagen Sie dazu? | |
Meyer: Diese Praxis ist unmenschlich, das haben wir als Grüne Jugend auch | |
schon kritisiert. Und genau da macht die Koalition einfach weiter. Wir | |
lehnen den Kurs ab. | |
taz: Haben Sie das mit der Mutterpartei diskutiert? | |
Meyer: Ja, wir haben deutlich gesagt, dass wir die bisherige Asyl- und | |
Migrationspolitik nicht gut finden, und ein Auge darauf werfen, was dazu im | |
Koalitionsvertrag steht. Und leider werden wir da jetzt enttäuscht. | |
taz: Was wurde versprochen? | |
Meyer: Nein, Versprechen wurden uns nicht gemacht. Die Parteispitze hörte | |
uns an. Man sagte, man schaut, wie gut man in den Verhandlungen durchsetzen | |
kann, [3][was im Wahlprogramm steht.] Und hier setzte man sich, wie man | |
sieht, leider nicht durch. | |
taz: Was sagen Sie zum Moratorium für Parkplatzabbau? | |
Meyer: Das führt zu einer Abkehr von der Mobilitätswende, denn es rückt das | |
Auto auf einmal wieder in den Fokus. Bisher galt der Anspruch, alle | |
Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt zu behandeln und die jahrzehntelange | |
Bevorzugung des Autos zu beenden. Doch genau da knüpft der | |
Koalitionsvertrag an. Man ließ sich breitschlagen, eine autofreundlichere | |
Politik zu machen und am Ende wahrscheinlich wieder mehr Parkplätze zu | |
bauen. Finden wir nicht gut. | |
taz: Gibt es weitere Punkte, die Ihnen so gar nicht gefallen? | |
Meyer: Ja. Die Regelanfrage beim Verfassungsschutz bei Einstellungen in den | |
öffentlichen Dienst. Das ist ein Instrument, das dazu führt, dass | |
Gruppierungen, die beispielsweise im Klimaschutzaktivismus aktiv sind, aus | |
dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen werden. Das trifft viel mehr Leute, | |
als es treffen sollte. | |
taz: Es schüchtert ein? | |
Meyer: Genau. Es gab diese Regelanfrage ja schon. In den 1970ern nannte man | |
sie Radikalenerlass. Und wir fürchten, jetzt kommt der Radikalenerlass 2.0. | |
taz: Gibt es gute Punkte im Koalitionsvertrag? | |
Meyer: Beim Thema Landes-Antidiskriminierungsgesetz gibt es Fortschritte. | |
Die SPD hatte dies 2020 noch verweigert. Jetzt kommt so ein Gesetz. Das | |
finden wir gut. Aber der Stillstand überwiegt. Wir hätten uns mehr Mut und | |
Fortschritt gewünscht. | |
taz: Wie geht es eigentlich der Grünen Jugend? Waren nicht viele | |
ausgetreten? | |
Meyer: Ja, nachdem der Bundesvorstand zurücktrat, taten es dem auch viele | |
Landesvorstände gleich. In Hamburg traten sechs der acht | |
Vorstandsmitglieder aus der Partei aus. Andererseits haben wir viele neue | |
Mitglieder. | |
taz: Wie viele sind Sie denn? | |
Meyer: Ungefähr 650. | |
taz: Montag stimmt die Grüne Mitgliederversammlung über den Vertrag ab. Zu | |
welcher Entscheidung raten Sie? | |
Meyer: Wir als Grüne Jugend Hamburg lehnen den Vertrag ab und ermutigen | |
auch alle anderen in der Partei, dies zu tun. Im besten Fall ist die SPD | |
dann zu Nachverhandlungen bereit. Denn wir hörten ja, es gab bei den | |
Verhandlungen ein sehr freundliches Klima, einen sehr konstruktiven | |
Austausch. Und wenn die SPD so konstruktiv mit den Grünen umgeht, wird sie | |
den Wunsch der Mitglieder auch berücksichtigen, in Nachverhandlungen zu | |
treten. Wir begrüßen eine grüne Regierungsbeteiligung, aber eben nicht um | |
jeden Preis. | |
taz: Wie schätzen Sie die Stimmung der Grünen ein? | |
Meyer: Gespalten. Es gibt Leute, die finden die Kompromisse gut. Aber viele | |
sehen auch, dass die Kröten, die wir schlucken, zu groß sind. | |
25 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Abschluss-der-Koalitionsverhandlungen/!6080739 | |
[2] /Schuelerinnen-Protest-gegen-Abschiebung/!6080779 | |
[3] /Die-Gruenen-nach-der-Hamburg-Wahl/!6070232 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Wahl in Hamburg 2025 | |
Hamburg | |
Grüne Hamburg | |
Grüne Jugend | |
SPD Hamburg | |
Social-Auswahl | |
Hamburg | |
Tag der Arbeit / 1. Mai | |
Hamburg | |
Hamburg | |
Wahl in Hamburg 2025 | |
Wahl in Hamburg 2025 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verkehrswende rückwärts: Rot-Grün kämpft um jeden Parkplatz in Hamburg | |
Der Wegfall von Parkplätzen wird zunächst fast unmöglich. Eine Umverteilung | |
des Straßenraums rückt damit in weite Ferne, die Verkehrswende-Ziele auch. | |
Proteste am 1. Mai in Hamburg: Keine Wurst, aber Widerstand | |
Bei zahlreichen Demos in Hamburg bekommt die neue Bundesregierung ihr Fett | |
weg. Auch an den von der Polizei erschossenen Lorenz wird erinnert. | |
Abstimmung über Koaltionsvertrag: Hamburgs Grüne machen weiter mit der SPD | |
Die Grüne Jugend hatte zur Ablehnung des Vertrags mit der SPD aufgerufen, | |
doch die Basis stimmte mit großer Mehrheit zu. Streit gab es über | |
Migration. | |
Hamburger Koalitionsvertrag: Rot-Grün macht weiter – so! | |
Für ein reiches Bundesland wie Hamburg sind die Pläne von SPD und Grünen | |
ziemlich unambitioniert. Aber beim Thema Abschieben packt sie der Ehrgeiz. | |
Neue Regierung in Hamburg: Rot-Grün bleibt sich treu | |
Vier Wochen haben Hamburgs SPD und Grüne verhandelt, nun steht der | |
Koalitionsvertrag. Überraschungen gibt es vor allem bei den | |
Ressortzuschnitten. | |
Abschluss der Koalitionsverhandlungen: Hamburg bleibt rot-grün | |
SPD und Grüne haben sich in Hamburg auf die Fortsetzung ihrer Koalition | |
geeinigt. Aus der Wahl im März waren beide mit Verlusten gegangen. |