# taz.de -- Proteste am 1. Mai in Hamburg: Keine Wurst, aber Widerstand | |
> Bei zahlreichen Demos in Hamburg bekommt die neue Bundesregierung ihr | |
> Fett weg. Auch an den von der Polizei erschossenen Lorenz wird erinnert. | |
Bild: Schwarz-Roter Protest in Hamburg unter dem Motto „Utopien Erkämpfen -L… | |
Hamburg taz | Zum ersten Mai gehört traditionell die Bratwurst, die Straße | |
und nicht die Lohnarbeit. Während Ur-Forderungen des internationalen | |
Kampftags der Arbeiter:innen, wie Feier- und Achtstundentage, aktuell | |
massiv infrage gestellt werden, regt sich in Hamburg heute auf den Straßen | |
Widerstand. | |
Hier zählte der Deutsche Gewerkschaftsbunds (DGB) am Vormittag rund 9.000 | |
Menschen, die bei bestem Wetter durch den Stadtteil Barmbek zogen, sowie | |
weitere 1.000 bei parallelen Kundgebungen in den Außenbezirken Bergedorf | |
und Harburg. | |
Auf der Demo in Barmbek, einem Viertel mit langer Arbeiter:innengeschichte, | |
war die Stimmung super. Die Blöcke, von Gewerkschaften, politischen Gruppen | |
und Parteien, standen wahlweise gegen die Aushöhlung von | |
Arbeitnehmer:innenrechten, gegen Aufrüstung, für Sozialismus, zwischendrin | |
paar Pali-Flaggen im internationalistischen Block. Irgendwo sollen auch | |
Bürgermeister [1][Peter Tschentscher], Finanzsenator Andreas Dressel (beide | |
SPD) und Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit rumgesprungen sein. | |
Beobachtet hat die taz zumindest ein versprengtes Grüppchen mit einer | |
kleinen SPD-Fahne, das am Block der Linkspartei vorbeilaufend ein | |
mehrstimmiges „Wer hat uns verraten? – Sozialdemokraten!“ erntete. | |
Klassiker. „Und wer war dabei? Die Grüne Partei!“ | |
## Keine Wurst, aber Kritik an der Koalition | |
Auf der Abschlusskundgebung am Museum der Arbeit um 12 Uhr: Hüpfburg, | |
Bierstand, Bühne. Dann der Schock, nicht nur für den Genossen aus | |
Thüringen: Es gibt keine Bratwurst! | |
Inhaltlich hatte die Kundgebung mehr Substanz. Hamburgs DGB-Vorsitzende | |
Tanja Chawla begann ihre Rede mit Kritik an der Asylpolitik und zitierte | |
den Schwur von [2][Buchenwald]: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ | |
Dann bekam der [3][Koalitionsvertrag von Union und SPD] ordentlich Fett | |
weg, während [4][der vergangene Woche verabschiedete Vertrag der alten und | |
neuen rot-grünen Koalition in Hamburg] Lob erntete. „Da steht viel | |
Wichtiges drin“. | |
Ein paar Kilometer weiter liefen ab Mittag mehrere tausend Menschen unter | |
dem Motto „Superreiche?! Superscheiße!“ mit Glitzer-Fahnen, Seifenblasen | |
und Techno durchs schicke Viertel Winterhude, wo die durchschnittlich sehr | |
wohlhabenden Anwohner*innen zuletzt erfolgreiche eine geplante | |
Unterkunft für queere Geflüchtete verhindert hatten. | |
Aufgerufen hatte das Bündnis „Wer Hat, Der Gibt“, das im Jahr 2020 als | |
linke Antwort auf die Coronapandemie entstand. Es setzt sich für ein | |
gerechteres Steuersystem und gegen exzessiven Reichtum ein. | |
## Traditionell krawalliger Nachmittag blieb eher ruhig | |
Der in Hamburg traditionell eher von Bambule, aber auch von Polizeigewalt | |
geprägte Nachmittag wurde 13 Uhr mit dem Start der Demo des anarchistischen | |
Bündnisses „Schwarz-Roter 1. Mai“ eingeläutet. In diesem Jahr liefen | |
mehrere tausend Menschen unter dem Motto „Utopien erkämpfen“ von St. Georg | |
in die Schanze. An der Roten Flora wurden sie mit Feuerwerk begrüßt. 2023 | |
war eine Person bei der Demo von einem Polizisten schwer verletzt worden. | |
In diesem Jahr gab es bis Redaktionsschluss keine größeren Zwischenfälle. | |
Abschluss des Tages ist die seit 16.30 Uhr laufende „revolutionäre 1. | |
Mai-Demo“, organisiert vom Roten Aufbau und mehreren antiimperialistischen | |
Gruppen wie Young Struggle und Thawra, durch den Osten der Stadt. Sie war | |
in den vergangenen Jahren die linksradikale Demo mit den meisten | |
Teilnehmenden. | |
## Gedenken an den erschossenen Lorenz | |
In ganz Norddeutschland war dieser erste Mai auch vom Gedenken an Lorenz | |
geprägt, [5][der an Ostern in Oldenburg von der Polizei erschossen wurde]. | |
In Hannover und Hamburg begann der 1. Mai schon am Vorabend mit | |
Kundgebungen und Gedenkorten für Lorenz. | |
In Hamburg folgte die queer-feministische Take back the Night-Demo im | |
Schanzenviertel mit 1.200 Teilnehmenden. Nachdem es 2015 Flaschenwürfe von | |
Mackern auf Menschen in der Demo gegeben hatte, wurden Sexist:innen am | |
Straßenrand in diesem Jahr erfolgreich eingeschüchtert. | |
1 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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