| # taz.de -- Drogenpolitik in Norddeutschland: Erst der Test, dann der Konsum | |
| > Drug-Checking, das Prüfen von Drogen vor dem Konsum, ist seit wenigen | |
| > Wochen erlaubt. Im Norden gehen die Meinungen darüber auseinander. | |
| Bild: Seit Ende Juni ist das Drug-Checking möglich. So soll die Zahl der Droge… | |
| Bremen taz | Dass es niemandem hilft, [1][Drogen-konsumierende Menschen | |
| gnadenlos zu kriminalisieren], dürfte inzwischen selbst bei Konservativen | |
| angekommen sein. Doch die Zahl der Opfer illegaler Drogen steigt – deswegen | |
| wollen einige Bundesländer nun das Drug-Checking einführen, also die | |
| Laboruntersuchung von Drogen vor dem Konsum, inklusive Beratung. Berlin | |
| macht dies schon. | |
| Doch warum ist Drug-Checking überhaupt legal? Ende Juni hat der Bundestag | |
| die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, sodass die Bundesländer nun | |
| selbst entscheiden können, ob sie solche Projekte wollen. Das ist nur | |
| folgerichtig, denn im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus SPD, Grünen | |
| und FDP von 2021 steht, dass man Modelle zum Drug-Checking ermöglichen | |
| wolle. | |
| Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte ganz am Ende | |
| [2][seiner Rede im Bundestag]: „Durch das Drug-Checking werden wir die Zahl | |
| der Drogentoten reduzieren.“ In dem beschlossenen Gesetz, was die | |
| Bedingungen für die Projekte schafft, geht es eigentlich um die Bekämpfung | |
| von Lieferengpässen bei Arzneimitteln. | |
| [3][Diese Zahl steigt seit Jahren an]: 2022 sind laut Bundeskriminalamt | |
| 1.990 Menschen an den Folgen des Missbrauchs illegaler Drogen gestorben – | |
| 2021 gab es 1.826 sogenannte Rauschgift-Todesfälle. 2017 waren es noch | |
| 1.272. Nicht alle Toten starben an einer Überdosis, oft geht es um | |
| Langzeitfolgen des Konsums. | |
| ## Von der Tagesordnung genommen | |
| Im Jahr 2020 hatte Hessen bereits einen [4][Gesetzentwurf in den Bundesrat | |
| eingebracht], mit dem das Drug-Checking erlaubt werden sollte. Der Weser | |
| Kurier berichtete damals, dass Bremen und auch Hamburg dem Antrag zustimmen | |
| wollten. Das Gesetz wurde jedoch, nachdem es in den zuständigen Ausschüssen | |
| des Bundesrates beraten wurde, von der Tagesordnung genommen. | |
| Doch Bremen steht auch heute zu seiner Zustimmung: Im rot-grün-roten | |
| Koalitionsvertrag versichern SPD, Grüne und Linke: „Die Koalition wird zur | |
| Reduktion von Lebensgefahr infolge von Drogenkonsum Drug-Checking | |
| ermöglichen und Warnungen und Verunreinigungen veröffentlichen.“ Wann und | |
| wie das umgesetzt wird, stehe aber laut dem Sprecher des | |
| Gesundheitsressorts noch nicht fest. | |
| Die Landesregierung aus CDU und Grüne in Schleswig-Holstein tut sich da | |
| schwerer. „Konkret geplant ist Drug-Checking in Schleswig-Holstein derzeit | |
| nicht“, schreibt der Sprecher des Gesundheitsministeriums. Das Thema werde | |
| jedoch in Abstimmung mit Beteiligten und Politik geprüft. | |
| Das Land setze derzeit auf Aufklärung und Prävention, auch für Jugendliche | |
| in den Schulen. Dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (SHZ) sagte der | |
| Sprecher zudem, dass Drug-Checking zwar die Gefahr verunreinigter Drogen | |
| verringern, die Konsument*innen jedoch auch „in falscher Sicherheit | |
| wiegen“ könnte. | |
| Zuvor hatte bereits die Landtagsfraktion des Südschleswigschen | |
| Wählerverbands (SSW) Drug-Checking in Schleswig-Holstein gefordert. Für den | |
| gesundheitspolitischen Sprecher Christian Dirschauer sei es Zeit, „dass die | |
| schwarz-grüne Koalition ihre konservativen Scheuklappen abnimmt und endlich | |
| auf eine zeitgemäße Drogenpolitik setzt, die Leben rettet“. Er fordert | |
| [5][in seinem Antrag] von der Landesregierung ein Modellprojekt. | |
| Im Hamburger Koalitionsvertrag von SPD und Grüne steht zu dem Thema: „Wir | |
| prüfen die Einführung eines Projekts im Bereich 'Safer Clubbing’ und die | |
| Möglichkeit zu individuellen chemischen Analysen von illegalen Drogen.“ | |
| Eine Sprecherin der Sozialbehörde sagt, dass man sich derzeit mit | |
| verschiedenen Konzepten und „den sehr unterschiedlichen Kosten“ | |
| beschäftige. Nähere Angaben seien nicht möglich. | |
| Das rot-grün regierte Niedersachsen ist mit dem Prüfen schon fertig – und | |
| plant kein Modellprojekt, schreibt eine Sprecherin des | |
| Gesundheitsministeriums. „Ein derartiges Modell erfordert erhebliche | |
| finanzielle und personelle Ressourcen, da sowohl die Labore mit dem | |
| Fachpersonal aufgebaut werden müssen, als auch Suchtfachkräfte eingesetzt | |
| werden müssen, die die Konsumentinnen und Konsumenten abends und nachts | |
| ansprechen und bei den entsprechenden Events die Möglichkeit bieten, | |
| Substanzen untersuchen zu lassen.“ | |
| Zwar könne Drug-Checking als Instrument der Suchthilfe gesehen werden – man | |
| setze jedoch lieber weiter auf präventive Angebote oder aufsuchende Arbeit, | |
| bei der Menschen angesprochen werden, die Drogenprobleme haben oder | |
| gefährdet sind. Deshalb unterstütze das Sozialministerium mit derzeit 8,3 | |
| Millionen Euro 75 Beratungsstellen. | |
| ## Bereits Praxis in Berlin | |
| [6][In Berlin gibt es Drug-Checking seit Juni]. Schon vor der bundesweiten | |
| neuen Regelung haben hier Senatsverwaltungen, Polizei und | |
| Staatsanwaltschaft jahrelang verhandelt, wie so etwas straffrei ablaufen | |
| kann. Der Start hat sich immer wieder verzögert. | |
| „Wir informieren neutral über psychoaktive Substanzen, Wirkungen, | |
| Nebenwirkungen und Risiken – Anonym, kostenlos und vertraulich“, steht nun | |
| auf der [7][Website von Drug-Checking Berlin], auf der das Verfahren des | |
| Tests erläutert wird. Außerdem gibt es Warnungen vor besonders gefährlichen | |
| Drogen, inklusive Bild. An drei Standorten in Berlin richtet sich der | |
| Dienst an Erwachsene, an je einem Tag in der Woche. | |
| Rund einen Monat nach dem Start des Berliner Drug-Checkings [8][berichtete | |
| die taz], dass die wenigen Slots für die Tests schwer zu ergattern sind – | |
| die Nachfrage ist größer als das Angebot. Auch Mitte August verkündete ein | |
| Sprecher der Senatsverwaltung: Rund 380 potenzielle Nutzende hätten bisher | |
| insgesamt bereits abgewiesen werden müssen, weil die Kapazitäten nicht | |
| ausreichten. Bei den wöchentlich rund 47 abgegebenen Proben würden bei 30 | |
| bis 50 Prozent Warnungen ausgesprochen werden. | |
| [9][Auch in Thüringen] gibt es bereits ein Pilotprojekt. Andere Länder | |
| wollen nachziehen. | |
| 17 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Todesfaelle-durch-Ecstasy/!5940377 | |
| [2] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw25-de-arzneimittellief… | |
| [3] https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilde… | |
| [4] https://www.bundesrat.de/bv.html?id=0643-20 | |
| [5] https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl20/drucks/01100/drucksache-20-0119… | |
| [6] /Drugchecking-in-Berlin/!5937142 | |
| [7] https://drugchecking.berlin/ | |
| [8] /Drug-Checking-in-Berlin/!5942927 | |
| [9] https://drogerie-projekt.de/aktuelles.html | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Götz | |
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| – und das ist sehr vernünftig. |