# taz.de -- Rechtsrock-Prozess: Nicht das erste Mal falsch abgebogen | |
> In Lüneburg gibt es Haft-, Bewährungs- und Geldstrafen für fünf Männer, | |
> die mit Nazi-Rock zu Hass auf Juden und Gewalt gegen Ausländer aufriefen. | |
Bild: Der Vertrieb ist strafbar: Neonazi-Musik | |
Lüneburg taz | Der Rechtsrockprozess gegen fünf Männer am Landgericht | |
Lüneburg ist heute mit einem Urteil zu Ende gegangen. Das Gericht | |
verurteilte den Hauptangeklagten Lasse K. aus Bardowick zu einer Haftstrafe | |
von zwei Jahren und acht Monaten, wegen Volksverhetzung, des Verwendens von | |
Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und Gewaltdarstellung. | |
Lasse K.s Mitangeklagte Michael K. aus Hamburg und Stefan K. aus Sachsen | |
bekamen Bewährungsstrafen. Die zwei weiteren Angeklagten Dominik W. aus | |
Baden-Württemberg und David H. aus Berlin verurteilte das Gericht zu | |
Geldstrafen wegen Beihilfe. | |
Dieser Prozess sei auch an den berufsmäßig Beteiligten nicht spurlos | |
vorbeigegangen, sagte der Vorsitzende Richter Michael Hermann nach der | |
Urteilsverkündung, setzte seine Brille auf und zitierte aus einem Holocaust | |
verherrlichenden Songtext der Neonaziband Schiffbruch 88. | |
Damit machte der Richter klar, worum es in diesem neun Monate dauernden, | |
sehr kleinteiligen Prozess eigentlich ging: um zutiefst menschenverachtende | |
Inhalte von zahlreichen, teils verbotenen rechtsextremen Bands wie Landser, | |
Störkraft, Erschießungskommando, Wehrhammer, sowie diversen | |
englischsprachigen Bands, die dem seit 2001 verbotenen „Blood & | |
Honor“-Netzwerk nahestehen. | |
## Angeklagter ganz entspannt | |
„Wer sowas hört, vertreibt, gut findet, billigt, ist in seinem Leben ein | |
paar Mal falsch abgebogen“, sagte der Richter mit Blick auf die | |
Angeklagten. | |
Trotz der Ansprache des Richters wirkt der 35-jährige Lasse K. entspannt, | |
als er das Urteil hört. Er dreht sich zu seinem Mitangeklagten um und | |
lächelt. Das liegt vielleicht daran, dass das Gericht beim Strafmaß zwar | |
der Forderung der Staatsanwaltschaft gefolgt ist, nicht aber dem zentralen | |
Punkt der Anklage, um den es auch immer wieder im Prozess gegangen war: dem | |
Vorwurf der Bildung beziehungsweise Mitgliedschaft in einer kriminellen | |
Vereinigung. | |
Für diese „Arbeitshypothese“ der Staatsanwaltschaft habe der Prozess nicht | |
genug Beweise geliefert, fand der Richter. Besonders abgehörte Gespräche | |
hätten nach Auffassung des Gerichts gezeigt, dass es bei der von den | |
Angeklagten betriebenen Firma „Schallplatten GmbH“ nicht allein um | |
Rechtsrock ging, sondern, so die Mutmaßung, auch um sogenannte | |
„Bootleg“-Geschäfte, die Produktion von Musiktiteln ohne Lizenz. | |
Das betreffe Musik von „Depeche Mode bis Iron Maiden“, sagte der Richter, | |
sei aber nicht Teil der Anklage gewesen und daher auch nicht mit verhandelt | |
worden. | |
Ohnehin habe dieser Prozess von Anfang an „ein bisschen einen | |
Geburtsfehler“, sagte der Richter. So habe sich die Hypothese der | |
Staatsanwaltschaft darauf gestützt, dass Lasse K., Michael K. und Stefan K. | |
sich 2018 zu dem Zweck zusammengetan hätten, Rechtsrock zu vertreiben. | |
Dabei habe Lasse K. aber parallel ein eigenes Label betrieben. | |
Zudem habe er schon weit vor 2018 Rechtsrock verkauft. Der Großteil der | |
Alben wegen derer er nun verurteilt wurde, waren nicht bei der GmbH, | |
sondern bei ihm zuhause in Bardowick gefunden worden. | |
Einen Teil der Vorwürfe hatte Lasse K. an einem der letzten Prozesstage | |
eingeräumt. Seine Verteidiger hatten im Laufe des Verfahrens den | |
politischen Hintergrund der Taten aber immer bestritten und behauptet, dass | |
Lasse K. einfach ein leidenschaftlicher Schallplattensammler sei und vor | |
allem Geld verdienen wollte. | |
Aber schon beim ersten Prozesstag war ziemlich deutlich geworden, [1][aus | |
welcher Szene er kommt]. Fünfzehn Neonazis aus dem Umland saßen als | |
Zuschauer im Saal. Den Prozessbeobachtern vom Lüneburger Netzwerk gegen | |
Rechts zufolge hatten sie Verbindungen in das extrem rechte Netzwerk der | |
„Arischen Bruderschaft“ und „Brigade 12“, die 2023 aufgelöst wurden. A… | |
bei der Urteilsverkündung am Dienstag saßen Unterstützer:innen der | |
Angeklagten im Publikum. | |
## Rechtsrock-Szene bleibt unterbelichtet | |
Das [2][Besondere an diesem Rechtsrockprozess] war nicht nur die Frage der | |
Volksverhetzung. Es ging den Ermittler:innen nach eigener Aussage von | |
Anfang an darum, dahinter liegende Geschäftsstrukturen zu beleuchten. Die | |
Hoffnung, dass der Prozess ein Licht auf die nationale und internationale | |
Rechtsrockszene werfen könnte, war groß. | |
Ob das wirklich gelungen ist, bezweifelt eine Sprecherin vom Netzwerk gegen | |
Rechts Lüneburg, die den Prozess beobachtet hat. „Strukturen der Szene, | |
Namen, Organisationen und auch die Ideologie haben keine so große Rolle | |
gespielt“, sagt sie. | |
[3][Ob Lasse K. seine Strafe wirklich wird antreten müssen], ist noch | |
offen. Lasse K. hatte von Oktober 2023 bis Februar 2025 in | |
Untersuchungshaft gesessen. Er habe die Möglichkeit, eine Aussetzung der | |
Strafe zur Bewährung zu beantragen, sagte eine [4][Gerichtssprecherin]. Was | |
mit den Schallplatten passiert, wegen derer die Männer verurteilt wurden? | |
„Sobald das Urteil rechtskräftig ist, werden sie vernichtet“, sagte die | |
Sprecherin. | |
22 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Volksverhetzende-Musik/!5969119 | |
[2] /Rechtsrock-Produzenten-vor-Gericht/!6025334 | |
[3] /Prozess-gegen-Rechtsrock-Label/!6073088 | |
[4] https://landgericht-lueneburg.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressem… | |
## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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