| # taz.de -- Prozess gegen Rechtsrock-Label: Böse Menschen, böse Lieder | |
| > Landgericht Lüneburg verhandelt gegen fünf Männer, die Rechtsrock | |
| > veröffentlicht haben. Kann ihre Firma als kriminelle Vereinigung | |
| > eingestuft werden? | |
| Bild: Schon wegen der Symbole verboten: Neonazi-CDs | |
| Lüneburg taz | Es war ein mühseliger, kleinteiliger Prozess, der demnächst | |
| vor dem Landgericht Lüneburg zu Ende geht. Fünf Männer waren angeklagt, | |
| sich für die Produktion und den Vertrieb von rechtsradikalen Tonträgern | |
| zusammengeschlossen zu haben. Die Texte erfüllten oft den Tatbestand der | |
| Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung, die Cover verwendeten | |
| „Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“, wie | |
| es im Strafgesetzbuch heißt: Hakenkreuze, SS-Runen, Wolfsangeln. | |
| Das Gericht hat sich in dem seit sieben Monaten laufenden Prozess wirklich | |
| viele davon angehört und angeguckt. Die wirklich spannende Frage war aber: | |
| Reicht es für den Vorwurf, einer kriminellen Vereinigung anzugehören? Das | |
| würde dem Vorstrafenregister der meisten Angeklagten noch einmal etwas | |
| Neues hinzufügen – Volksverhetzung und ähnliche Delikte stehen da bei den | |
| meisten ja schon. | |
| Doch bevor der Prozess mit den Plädoyers auf die Zielgerade einbiegen kann, | |
| entspinnt sich ausgerechnet um diese Auszüge aus dem Bundeszentralregister | |
| noch einmal ein kleiner, zeitraubender Schlagabtausch. Die Einträge seines | |
| Mandaten seien ja eigentlich schon getilgt, beschwert sich einer der zehn | |
| Verteidiger. | |
| Was den Vorsitzenden Richter Michael Herrmann veranlasst, sich einmal über | |
| das unglaublich schlecht formulierte Bundeszentralregistergesetz | |
| auszulassen: „Wenn drei Juristen Probleme haben, das zu Gesetz zu | |
| verstehen, ist bei der Formulierung wohl irgendetwas richtig schief | |
| gelaufen.“ Darin stimmt ihm der Verteidiger energisch zu. | |
| ## „So viel zur Digitalisierung der Justiz“ | |
| Der Versuch, einen aktuelleren Auszug telefonisch anzufordern, scheitert. | |
| Das geht nur per Fax, ein eigener Zugriff auf die Datenbank steht deutschen | |
| Gerichten selbstverständlich nicht zur Verfügung. „So viel zur | |
| Digitalisierung der Justiz“, motzt der Vorsitzende weiter. | |
| Dann hat auch noch der Hauptangeklagte Lasse K. aus Bardowick das ein oder | |
| andere Anliegen. Sein Verteidiger möchte seinen neuen Arbeitsvertrag | |
| einbringen – der spielt ja für das Strafmaß und die Sozialprognose unter | |
| Umständen auch eine Rolle. Öffentlich verlesen könne er den aber nicht, | |
| erklärt er. Der letzte Arbeitgeber hatte anschließend Ärger mit | |
| Antifa-Aktivisten. | |
| Und da er schon einmal dabei ist, beklagt sich Lasse K. auch gleich noch | |
| über Zeitschriften-Sendungen, die ihm in der JVA Oldenburg vorenthalten | |
| wurden – über die Haftbedingungen hatte er sich auch bei früheren | |
| Gelegenheiten schon beklagt. | |
| Außerdem monierte er Schallplatten, die im Durchsuchungsprotokoll | |
| auftauchen, obwohl er die garantiert nicht besessen habe. Der Richter | |
| knurrt schon wieder. Die Relevanz dieser Postprobleme fürs Verfahren vermag | |
| er nicht zu erkennen. Die Plattentitel lässt er vom Angeklagten dann aber | |
| schnell vorlesen. | |
| Damit verzögert sich das angekündigt längliche Plädoyer der | |
| Staatsanwaltschaft ein weiteres Mal. Man zieht die Mittagspause vor, damit | |
| es dann ohne Unterbrechung weitergehen kann. In der Pause zeigen sich die | |
| Angeklagten erheblich entspannter als noch zu Beginn des Prozesses. Hatten | |
| sie da das Zusammenstehen im Flur noch eher vermieden, schlendern sie nun | |
| gemeinsam durch die Fußgängerzone. Schon morgens hatte einer von ihnen | |
| angefangen, eintreffende Pressevertreter zu filmen. | |
| Der Prozess hat große Mühe, ein wirklich erhellendes Licht auf die | |
| Strukturen der Szene zu werfen, von der viele glauben, dass sie die Musik | |
| einerseits als Rekrutierungsinstrument, andererseits aber auch zur | |
| Finanzierung anderer Aktivitäten benutzt. In Lüneburg widmet man sich sehr | |
| kleinteilig einzelnen Alben und Covern mit strafbaren Inhalten. Manche sind | |
| im Laufe der Beweisaufnahme aber auch schon herausgefallen. | |
| Die Auswertung von Whatsapp-Chats, E-Mails und überwachten Telefonaten | |
| versucht in einem mühseligen Puzzlespiel zusammenzusetzen, wer wann welche | |
| Aufgaben bei der Produktion und im Vertrieb übernommen hat. Das ist auch | |
| deshalb nicht so ganz einfach, weil natürlich auch viele Banalitäten eine | |
| Rolle spielen – man unterhält sich über Verkaufspreise, Lieferfristen, die | |
| Anschaffung von Software, Termine beim Steuerberater und die Gema – | |
| Firmenalltag eben. | |
| Nur dass es hier eben immer auch um Produkte geht, in denen mit Hingabe | |
| gegen Juden, Homosexuelle, Punks, Kommunisten, Sinti und Roma und | |
| Geflüchtete gehetzt wird oder Loblieder auf Mengele, Hess, Hitler, die SS | |
| und die Wehrmacht gesungen werden. | |
| Lasse K., der Hauptangeklagte und mutmaßliche Rädelsführer, hatte in seinem | |
| Teilgeständnis an einem der letzten Prozesstage einen Teil der Vorwürfe | |
| eingeräumt. Gleichzeitig versuchte er das Ganze herunterzuspielen, | |
| behauptete, in erster Linie ein leidenschaftlicher Schallplattensammler zu | |
| sein, der irgendwann versucht habe, aus seinem Hobby einen Beruf zu machen | |
| – spätestens als er 2023 die DJ Schallplatten GmbH in Hamburg übernahm. | |
| Der [1][Rechtsrock] soll aber nur einen geringen Teil seiner Tätigkeit | |
| ausgemacht haben – was die Generalstaatsanwaltschaft entschieden anders | |
| sieht.Sie glaubt, dass die Produktionsfirma nur als legale Fassade diente | |
| und der Verkauf unter der Ladentheke den Löwenanteil ausmachte. Es sei auch | |
| überhaupt nicht zu verkennen, wie groß K.s Sympathien für die Szene seien, | |
| sagt die Anklagevertretung. | |
| ## Mit Hakenkreuz-Fahne posiert | |
| Es ging eben nicht nur darum, dass sich damit gut Geld machen ließ – | |
| immerhin gibt es auch Fotos von ihm, wie er vor einer Hakenkreuz-Fahne | |
| posiert oder sich nicht daran stört, dass sein Angestellter Michael K. den | |
| [2][Arm zum Hitlergruß hebt]. | |
| Michael K. soll seine rechte Hand gewesen sein, immer informiert, in jeden | |
| Produktionsschritt eingebunden. Stefan K. soll hingegen der Mann mit dem | |
| technischen Sachverstand gewesen sein. Er kümmerte sich um Cover und | |
| polierte die Audiodateien, drängte auf die Anschaffung neuer Software. | |
| Sie drei [3][sollen eine kriminelle Vereinigung gebildet haben], also eine | |
| Struktur, die dauerhaft darauf ausgerichtet ist, arbeitsteilig zu | |
| funktionieren, Gewinne zu erzielen und Straftaten zu begehen oder in Kauf | |
| zu nehmen. Dazu kommen etliche Fälle von [4][Volksverhetzung, | |
| Gewaltverherrlichung] und des Verwendens von Kennzeichen | |
| verfassungswidriger Organisationen. | |
| Dafür fordert die Anklagevertretung Freiheitsstrafen von drei Jahren und | |
| acht Monaten, drei Jahren und zwei Monaten sowie zwei Jahren und sechs | |
| Monaten. Die beiden weiteren Angeklagten David H. und Dominik W. sollen | |
| eher untergeordnete Rollen gespielt haben, weshalb die Staatsanwaltschaft | |
| für sie [5][Bewährungsstrafen] forderte. | |
| Der Prozess wird am Montag mit den Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt. | |
| Ein Urteil gibt es wohl Mitte April. | |
| 17 Mar 2025 | |
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| [5] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__56.html | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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