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# taz.de -- Rechtsrock-Produzenten vor Gericht: Als krimineller Club angeklagt
> Fünf Männer stehen vor Gericht, weil sie Platten mit volksverhetzenden
> Inhalten verkauft haben. Die Frage ist: Sie sind eine kriminelle
> Vereinigung?
Bild: Teil einer kriminellen Vereinigung oder nicht? Nur eine der Fragen im Pro…
Lüneburg taz | Vor dem Landgericht Lüneburg hat am Dienstagmorgen ein
Prozess gegen fünf Angeklagte aus der Rechtsrockszene begonnen. Den Männern
im Alter zwischen 34 und 54 Jahren wird die Bildung einer kriminellen
Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen sich – nachdem jeder für sich zunächst
einzeln in der Szene aktiv war – spätestens in dem Jahr 2018
zusammengeschlossen haben, um arbeitsteilig Tonträger mit
volksverhetzenden, gewaltverherrlichenden und NS-verharmlosenden Inhalten
zu produzieren und zu vertreiben.
Öffentliches Aufsehen erregte das Verfahren gegen die fünf Männer zum
ersten Mal im Oktober 2023: [1][Damals wurden zeitgleich in fünf
Bundesländern und auf Mallorca Häuser und Wohnungen durchsucht], die
Ermittler schleppten ganze Umzugskartons voller Platten und CDs heraus und
beschlagnahmten Geld, Computer, Handys.
Mindestens 49 Alben sollen diese fünf Männer in wechselnden Konstellation
und zum Teil auch noch mit anderen Beteiligten produziert haben – als
schicke Vinyl-Sonderpressungen oder auch simple CDs. Die Auflagen der
veröffentlichten Alben betrugen meist zwischen 350 und 500 Stück, mit
Preisen von 25 bis 65 Euro pro Exemplar.
Das waren nicht unbedingt neue Werke, aber Neuauflagen von so ziemlich
allem, [2][was in der rechten Szene Rang und Namen hat], gern gehört und
gern gesammelt wird: Bands wie Landser, Störkraft, Erschießungskommando,
Wehrhammer, sowie diverse englischsprachige Bands, die ebenfalls dem Blood
& Honor-Netzwerk zugerechnet werden, das in Deutschland schon seit 2000
verboten ist.
## Gewaltfantasien ausgebreitet
Die Generalstaatsanwaltschaft Celle, die das Verfahren führt, nahm sich bei
der Verlesung der 70-seitigen Anklageschrift viel Zeit, um all die
Scheußlichkeiten zu zitieren und zu beschreiben, die da musikalisch
verbreitet wurden. Dreieinhalb Stunden lang dauerte der Vortrag und er
enthielt vieles, was hier kaum zitierfähig ist. Die Verächtlichmachung von
Juden, Schwarzen, Geflüchteten, Zugewanderten und Homosexuellen ist
natürlich fester Bestandteil des Repertoires.
In groben Reimen werden Gewaltfantasien ausgebreitet, NS-Verbrecher
verherrlicht, Attentate gefeiert, Frauen in Incel-Manier niedergemacht, von
Überfremdung, Rapefugees, dem Widerauferstehen Germanias, der Herrenrasse
gesungen. Die Cover der Alben zieren Hakenkreuze, SS-Runen und sonstige
verbotene Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Viele Szene-Beobachter weisen immer wieder daraufhin, [3][wie viel
Bedeutung diese Art von Musik für Rechte hat] – als Vehikel der
Radikalisierung, zum Beispiel, als Treibmittel für das gemeinsame Erlebnis
und den Zusammenhalt oder auch ganz simpel als Finanzierungsinstrument für
andere Aktivitäten. Mehr als 28.000 Tonträger soll diese Gruppe der fünf
Männer verkauft haben und damit mindestens 285.000 Euro erwirtschaftet
haben, behauptet die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift.
Als Rädelsführer haben die Ermittler den Jüngsten in der Runde der fünf
Angeklagten ausgemacht: Der 34-jährige Lasse K. soll einerseits über seine
Schallplatten GmbH in Hamburg und anderseits aus seinem Elternhaus in der
Nähe von Lüneburg heraus, das Netzwerk geleitet haben. Er sitzt seit
Oktober in Untersuchungshaft, liest am Dienstag im Gerichtssaal fleißig in
der Anklageschrift mit, quittiert die ausgiebig zitierten deutschen und
englischen Liedzeilen mal mit einem Grinsen, mal mit Augenrollen.
Seine Mitangeklagten, ein 54-Jähriger aus Hamburg, ein 45-Jähriger aus
Schleswig-Holstein, ein 48-Jähriger aus Berlin und ein 40-Jähriger aus
Baden-Württemburg sollen sich arbeitsteilig um die Lizenzen und Technik,
Layout und Grafiken sowie um den Vertrieb gekümmert haben.
Ob sich die fünf Angeklagten zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft äußern
werden oder nicht, bleibt an diesem ersten Verhandlungstag offen. Der
Richter unterbricht die Verhandlung nach der stundenlangen
Anklageverlesung, sie soll am 14. August fortgesetzt werden.
Spannend wird dann im weiteren Verlauf des Prozesses werden, ob die
Beweiserhebung tiefere Einblicke in die Rechtsrock-Szene zulässt. Und
spannend wird auch werden, ob der Vorwurf, die Angeklagten hätten eine
kriminelle Vereinigung gebildet, Bestand haben wird. Denn allein die
Bildung einer solchen kann mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder
einer Geldstrafe belegt werden.
Beim Rädelsführer stehen mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe im Raum.
Als eine Art Präzedenzfall kann ausgerechnet eine Band gelten, die sie auch
im Repertoire hatten: Landser wurde 2003 als kriminelle Vereinigung
eingestuft, Sänger und Rädelsführer Michael Regener zu einer Haftstrafe von
drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Weitere Verfahren gegen mindestens
vier weitere Mitglieder dieses aktuellen Netzwerkes sind in Vorbereitung,
sie gehören aber wohl nicht zum harten Kern.
7 Aug 2024
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## AUTOREN
Nadine Conti
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Rechtsrock
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Kampfsport
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