# taz.de -- Welthandelsorganisation im Zollstreit: Der blockierte Schiedsrichter | |
> Wenn sich die EU vor der Welthandelsorganisation gegen US-Zölle wehrt, | |
> ist verbindliche Hilfe nicht möglich: Trump hat das WTO-Berufungsgericht | |
> lahmgelegt. | |
Bild: Das Hauptgebäude der WTO in Genf: Ende März setzte Trump die Beitragsza… | |
Berlin taz | Nach Ansicht der EU ist Donald Trumps Zollpolitik nicht nur | |
unfreundlich gegenüber seinen Partnern, sondern auch rechtswidrig. | |
Eigentlich prüft die Welthandelsorganisation solche Vorwürfe, doch die USA | |
haben die WTO weitgehend lahmgelegt. | |
Die Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) wurde 1995 | |
gegründet. Die WTO hat derzeit 166 Mitglieder, die nach eigenen Angaben für | |
98 Prozent des Welthandels stehen. Ziel der WTO ist es, den Welthandel | |
weiter zu liberalisieren und Handelshemmnisse zu beseitigen. Zölle gelten | |
grundsätzlich als Handelshemmnisse. Es ist aber nicht generell verboten, | |
Zölle zu erhöhen oder neue Zölle einzuführen. Es kommt [1][immer auf die | |
Begründung an]. | |
Die EU sieht Trumps Politik, Zölle zu erhöhen, [2][um die eigene Industrie | |
zu fördern], vor allem als Verstoß gegen das Meistbegünstigungsprinzip. | |
Danach dürfen sich WTO-Mitglieder grundsätzlich nicht schlechter behandeln | |
als ihren jeweiligen Handelspartner mit den günstigsten Konditionen. | |
Ob Zölle und andere Handelsrestriktionen gerechtfertigt sind, prüft im | |
regelbasierten Handelssystem eigentlich die WTO. Parallel zur WTO-Gründung | |
wurde auch ein Streitbeilegungsmechanismus eingeführt. Kanada hat nach | |
Verhängung der jüngsten US-Zölle bereits ein WTO-Verfahren eröffnet. Die EU | |
dürfte nach Trumps geplanter Zoll-Eskalation folgen. | |
## Ein Teil der WTO funktioniert noch | |
Ein WTO-Verfahren umfasst vier Stadien. Zunächst verhandeln die beteiligten | |
Staaten bilateral miteinander, wobei die EU nur gemeinsam auftritt. | |
Scheitern diese Konsultationen, wird ein Panel aus drei sachverständigen | |
Schiedsrichtern einberufen, das die Vorwürfe prüft und feststellen kann, ob | |
ein Staat die WTO-Regeln verletzt hat. Gegen diesen Schiedsspruch kann die | |
unterlegene Seite ein Rechtsmittel zum Ständigen Berufungsgremium einlegen. | |
Wenn der Schiedsspruch dort bestätigt wird, kann der zu Unrecht | |
benachteiligte Staat mit Billigung der WTO Strafzölle oder andere | |
Restriktionen gegen den regelverletzenden Staat verhängen. | |
Die ersten zwei Stufen des Verfahrens funktionieren noch und werden weiter | |
genutzt. Zuletzt hat die EU am 20. Januar Konsultationen mit China in einem | |
Patentstreitfall beantragt. Allerdings ist das Ständige Berufungsgremium | |
seit 2019 nicht mehr arbeitsfähig, weil die USA systematisch verhindert | |
hat, dass die WTO-Mitglieder neue Richter als Ersatz für ausscheidende | |
Richter wählen. Über Rechtsmittel gegen Schiedssprüche kann also nicht mehr | |
entschieden werden, diese werden damit nicht rechtskräftig und verbindlich. | |
Die USA haben das WTO-System dadurch massiv geschwächt und entwertet. | |
Begonnen hat die US-Blockade-Politik in Donald Trumps erster Amtszeit. | |
Trump behauptete, das Berufungsgericht überschreite seine Kompetenzen und | |
benachteilige die USA systematisch. Die WTO hielt dagegen, dass die USA | |
85,7 Prozent der entschiedenen Fälle gewinne. Doch Trump war überzeugt, | |
dass die USA eher gemaßregelt werde als etwa China. Auch unter Trumps | |
Nachfolger Joe Biden änderte sich nichts an der WTO-feindlichen Politik der | |
USA, das WTO-Berufungsgericht blieb lahmgelegt. Nun ist Trump wieder | |
Präsident und radikaler denn je. Ende März setzte er die Beitragszahlungen | |
der USA für die WTO aus. | |
Als Reaktion auf die US-Blockade wurde auf Initiative der EU 2020 ein | |
alternatives Berufungsgericht geschaffen. Inzwischen gehören 54 | |
WTO-Mitglieder, darunter die EU, Japan, China und Brasilien, dieser | |
MPIA-Initiative an. MPIA steht für Multi-Party Interim Appeal Arbitration | |
Arrangement. Das neue Berufungsgericht kann allerdings nur bei | |
Handels-Streitigkeiten unter diesen Staaten genutzt werden. Bei | |
Streitigkeiten mit den USA ist es nutzlos. | |
## EU will auch gegen WTO-Regeln verstoßen | |
Wenn Donald Trump nun neue Zölle gegen die EU und viele andere Partner | |
verkündet, wird die EU wohl dem Beispiel Kanadas folgen und ein | |
WTO-Verfahren einleiten. Sie kann dabei zwar keinen rechtskräftigen | |
Schiedsspruch gegen die USA erreichen. Es wäre aber schon ein politischer | |
Erfolg, wenn das Panel der ersten Instanz feststellt, dass die USA die | |
Regeln verletzt haben. Allerdings dauert so ein Schiedsverfahren mindestens | |
ein Jahr. | |
Möglicherweise wird die EU parallel dazu bereits eigene Zölle gegen die USA | |
verhängen, um Gegendruck auszuüben. Solche Maßnahmen vor Abschluss der | |
Streitschlichtung sind nach den WTO-Regeln eigentlich nicht vorgesehen. Die | |
EU wird dann aber wohl argumentieren, dass die USA ja das WTO-System | |
sabotiert und sich [3][deshalb nicht auf das übliche Vorgehen berufen | |
kann]. | |
2 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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