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# taz.de -- Medien und Demokratie: Warum Journalismus mehr Rückgrat benötigt
> Demokratie braucht resilienten Journalismus – doch Fake News und
> Big-Tech-Hegemonie untergraben seine Fundamente. Was wir dagegen
> unternehmen können.
Bild: Nachrichtenwüsten verhindern, Lokaljournalismus stärken
[1][Resilienz] gehört aktuell zu den Modebegriffen im politischen Berlin:
Von einer „resilienten Informationsgesellschaft“ ist zuweilen die Rede,
wenn Politiker meinen, dass die Menschen gerade in unübersichtlichen Zeiten
Halt, Hoffnung und Orientierung brauchen, um die zahllosen Krisen zu
überstehen.
Guter Journalismus trägt ganz entscheidend dazu bei, dass wir trotz der
wachsenden [2][Dominanz sozialer Medien] und künstlicher Intelligenz nicht
vollends den Durchblick verlieren und weiterhin fundierte Entscheidungen
treffen.
Doch wird der Beruf derzeit von vielen Seiten bedroht: Wackelnde
Geschäftsmodelle, allgegenwärtige Desinformation, soziale
[3][Polarisierung] und ein Überforderungsgefühl angesichts der Weltkrisen
sind keine Kinkerlitzchen, sondern betreffen auch viele Journalisten
beruflich und privat. Auch wenn das Internet ursprünglich als
Fortschrittsmedium gedacht war – globale Vernetzung, bessere Teilhabe für
Benachteiligte, mehr Zugang zu Bildung und neue Ausformungen einer
„redaktionellen Gesellschaft“ –, nimmt derzeit offenkundig das Negative
überhand.
Der berühmte Informatiker Joseph Weizenbaum hatte zu Beginn des
Jahrtausends gewarnt: Jedes Massenmedium „erbt und erhält seinen Wert von
der Gesellschaft, in die es eingebettet ist“.
Auch heute hat seine These mit Blick auf die USA Aktualität: Dort versuchen
US-Präsident Donald Trump und seine Leute, Journalisten nach allen Regeln
der Kunst mundtot zu machen.
## „Längst hinter uns her“
Erst letzte Woche hatte Arthur G. Sulzberger, Verleger der New York Times,
einer der mächtigsten Qualitätszeitungen der Welt, dem Stern anvertraut:
Trump sei „längst hinter uns her“, er habe den Verlag mehrfach verklagt,
seine Reporter aus dem Pentagon entfernen lassen und alle
Regierungsabonnements für die renommierte Zeitung gekündigt. „Wir stehen
unter dem stärksten Druck seit Generationen“, so Sulzberger.
Um es in Deutschland gar nicht erst zu US-amerikanischen Verhältnissen
kommen zu lassen, hat sich der Think & Do Tank Vocer unmittelbar vor der
Bundestagswahl mit vielen anderen Vertretern aus Medien, Wissenschaft und
Zivilgesellschaft zusammengetan, um zu ergründen, was fehlt, um das
Fundament des Journalismus zu stärken und ihn resilienter machen zu können.
Damit diejenigen, die täglich professionell berichten sollen, möglichst
nicht ertrinken im Chaos aus Propaganda und tendenziösem
Kampagnenjournalismus à la Bild-Zeitung oder dem Onlinemedium Nius. Die
Erosion demokratierelevanter Berichterstattung ist besonders dem
Journalismus im Lokalen anzumerken: Viele Regionen sind längst
unterversorgt, es drohen „Nachrichtenwüsten“.
Es schwächeln nicht nur die etablierten Lokalzeitungen, auch neue
journalistische Digitalangebote haben wenig Chancen.
Gerade die Erfahrungen aus der vergangenen Legislaturperiode haben gezeigt,
dass die Ampel viel versprochen, aber nicht wirklich Nennenswertes zustande
gebracht hat, um den unabhängigen Journalismus zu unterstützen.
Ob Anerkennung von Gemeinnützigkeit, Start-up-Förderung oder Probleme bei
der Zeitungszustellung – sämtliche Vorhaben, wenn es sie denn gab, sind
mehr oder weniger versandet. [4][Das Vocer-Institut hat im Rahmen eines
„Policy Papers“] einen ganzen Katalog an Forderungen mit konkreten
Zielsetzungen und Meilensteinen vorgelegt, um das zu ändern.
Die fünf zentralen Forderungen an die neue, von CDU, CSU und SPD-geführte
Bundesregierung lauten: Gemeinnützigkeit: Die Abgabenordnung muss
Journalismus als gemeinnützig anerkennen, um finanzielle Stabilität
unabhängig von Einzelfallentscheidungen der Finanzbehörden zu sichern.
## Fünf zentrale Forderungen
KI-Resilienz: Kennzeichnungspflicht für KI-Inhalte und strengere Regeln für
Algorithmen sind nötig, um die Desinformationskaskaden zu durchbrechen.
Lokaljournalismus: Innovationsfonds für Gründungen sollten gezielt den
Lokaljournalismus stärken und drohende Nachrichtenwüsten verhindern.
Alternative Plattformen: Gemeinwohlorientierte soziale Netzwerke sollten
aktiv gefördert werden, um die Big-Tech-Hegemonie weniger US-Konzerne
einzudämmen.
Weiterbildung: Strukturelle Förderung unabhängiger
Weiterbildungsinitiativen stärkt journalistische Resilienz auf Bundes- und
Landesebene.
Der deutsche Journalismus steht derzeit vor der schwierigsten
Herausforderung der Nachkriegsgeschichte: Seine professionelle Identität
ist in Gefahr und seine wirtschaftlichen Grundlagen sind im Umbruch. Wir
sind davon überzeugt, dass Politik, Zivilgesellschaft und Medien in dieser
Legislaturperiode stärker an einem Strang ziehen müssen, um innovative
Lösungen zu entwickeln.
Die neue Bundesregierung wäre daher klug beraten, die Medienkrise zur
Priorität zu erklären und ihre darauf bezogenen Absichtserklärungen im
Koalitionsvertrag – etwa gemeinnützigen Journalismus rechtlich abzusichern
– zügig in die Tat umzusetzen.
Es braucht einen klugen medienpolitischen Rahmen – für mehr
Experimentierräume, digitale Innovationscluster und eine kluge Bündelung,
aber auch eine gerechte Verteilung von Fördermitteln, um die Grundlagen
unserer Demokratie zu sichern. Für einen „resilienten Journalismus“
brauchen wir Strukturreformen statt Symbolpolitik!
16 Apr 2025
## LINKS
[1] /Expertinnen-ueber-Resilienz/!5783885
[2] /Brain-rot-auf-Social-Media/!6077873
[3] /Polarisierung-der-Gesellschaft/!6029362
[4] https://digitale-resilienz.org/wp-content/uploads/2025/04/VOCER_Policy-Pape…
## AUTOREN
Leif Kramp
Stephan Weichert
## TAGS
Journalismus
Demokratie
Resilienz
Strukturreform
Social-Auswahl
Schwerpunkt Pressefreiheit
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Propaganda
Medienregulierung
Kolumne Flimmern und Rauschen
Georgien
Donald Trump
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