# taz.de -- Stefan Kornelius als Regierungssprecher: Der perfekte Mann für den… | |
> Für das Amt des Regierungssprechers ist Stefan Kornelius wunderbar | |
> geeignet. Fragwürdig ist an der Sache etwas ganz anderes. | |
Bild: Stefan Kornelius, Ressortleiter bei der SZ, wird neuer Regierungssprecher | |
Stefan Kornelius, langjähriger Ressortleiter Politik bei der Süddeutschen | |
Zeitung, ist die perfekte [1][Besetzung für das Amt des | |
Regierungssprechers]. Denn für diesen Job braucht es jemanden, der gut | |
vernetzt ist, in wichtigen politischen Fragen die Linie der Bundesregierung | |
vertritt – und sich mit Propaganda auskennt. | |
Auf Kornelius trifft all das zu. Er ist seit langem Mitglied der | |
Atlantik-Brücke, eines Lobbyvereins, dessen erklärtes Ziel die „Förderung | |
der Völkerverständigung“ zwischen Deutschland und den USA ist. | |
Völkerverständigung ist in diesem Kontext allerdings ein [2][Euphemismus | |
für Public Diplomacy], die im Kern nichts anderes bedeutet als | |
Auslandspropaganda. Auch bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige | |
Politik ist Kornelius Mitglied – einem Thinktank, dessen Aufgabe es ist, | |
„die außenpolitische Meinungsbildung auf verschiedenen Ebenen zu | |
beeinflussen“, also ebenfalls Propaganda. Zudem sitzt er im Beirat der | |
Bundesakademie für Sicherheitspolitik, deren Ziel es ist, Führungspersonal | |
auszubilden, „das befähigt ist, nationale Interessen im internationalen | |
Bereich wirkungsvoll zu vertreten“. | |
Bitte nicht falsch verstehen – der Begriff Propaganda wird hier nicht im | |
populären Sinne, sondern im politikwissenschaftlichen Sinne verwendet. | |
Gemeint ist die Praxis staatlicher Akteure, die öffentliche Meinung über | |
das strategische Verbreiten von Informationen in ihrem Sinne zu | |
beeinflussen. Das machen alle Staaten, auch wenn sie es gerne anders nennen | |
– Öffentlichkeitsarbeit etwa oder Public Diplomacy. | |
Und genau deshalb ist es auch nicht überraschend, dass Journalisten in das | |
Amt des Regierungssprechers berufen werden. In Deutschland hat das nicht | |
zufällig Tradition. Eine der Hauptaufgaben eines Regierungssprechers ist | |
es, die Arbeit der Bundesregierung in der Öffentlichkeit in ein möglichst | |
positives Licht zu rücken. Das geschieht eben vorrangig über die Presse. | |
Und wer kennt sich mit der Presse besser aus als die Presse selbst? | |
Fragwürdig ist an dieser ganzen Sache vor allem eines: Wie kann es sein, | |
dass Kornelius Ressortleiter bei einer der wichtigsten deutschen | |
Tageszeitungen ist – und gleichzeitig Mitglied in Organisationen, die zu | |
genau jenen Themenfeldern Lobbyarbeit im Sinne der Bundesregierung | |
betreiben? Wie kann ein Journalist, der die Bundesregierung in Sachen | |
Sicherheitspolitik berät, über ebenjene Politik mit der [3][gebotenen | |
Distanz] berichten? | |
Natürlich lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, inwiefern Kornelius’ | |
Tätigkeiten bei diesen Organisationen seine Berichterstattung beeinflusst | |
haben – dazu müsste man in seinen Kopf schauen. Aber genau das ist eben das | |
Problem: Wenn führende Redakteure zugleich in regierungsnahen Gremien und | |
Lobbystrukturen aktiv sind, verwischt das die Grenze zwischen unabhängiger | |
Berichterstattung und strategischer Kommunikationsarbeit. Der Leser weiß | |
nicht mehr, ob er einem kritisch-analytischen Text begegnet – oder einer | |
subtilen Form von Regierungs-PR im journalistischen Gewand. | |
Kornelius ist kein Einzelfall – die Nähe zwischen Hauptstadtjournalismus | |
und Bundesregierung ist ein grundsätzliches Problem. [4][Eine demokratische | |
Medienlandschaft], die als Kontrollorgan der Macht fungieren soll, braucht | |
Journalisten und Journalistinnen, die zu Machtzentren sichtbar Abstand | |
halten – nicht solche, die Teil von ihnen sind. | |
1 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Merz-beruft-SZ-Journalisten/!6085272 | |
[2] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187968.schwerpunkt-nd-die-woche-propagan… | |
[3] /Politik-und-Medien/!5879260 | |
[4] /Medien-und-Demokratie/!6079120 | |
## AUTOREN | |
Pauline Jäckels | |
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