| # taz.de -- Kita-Experte über Koalitionspläne: „Das kann ein Gamechanger se… | |
| > Union und SPD wollen 8 Milliarden pro Jahr in Kitas stecken. Ein | |
| > Selbstläufer wird das nicht, warnt Bernhard Kalicki vom Deutschen | |
| > Jugendinstitut. | |
| Bild: Kita-Personal braucht mehr Geld und Entlastung: Bundesweit fehlen in jede… | |
| taz: Herr Kalicki, Union und SPD wollen massiv in die Kitas investieren. | |
| [1][Acht Milliarden Euro soll der Bund ab 2027] pro Jahr für eine bessere | |
| Qualität bereitstellen – viermal so viel wie unter der Ampel. Ist das ein | |
| Gamechanger? | |
| Bernhard Kalicki: Das kann ein Gamechanger sein. Die geplanten | |
| Investitionen in Infrastruktur und in die Qualität der Einrichtungen sind | |
| auch in diesem Umfang zu begrüßen. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Der | |
| Bund sollte aus meiner Sicht unbedingt Standards definieren, um [2][die | |
| Ungleichheiten in den jeweiligen Bundesländern] auszugleichen. | |
| taz: In den westdeutschen Bundesländern fehlen Zehntausende Plätze, im | |
| Osten vor allem Fachkräfte. Was leiten Sie daraus für mögliche Vorgaben zu | |
| Standards ab? | |
| Kalicki: Zunächst sollte der Bund von den Ländern einfordern, dass die | |
| Mittel zweckgebunden, also wirklich für die Kitaqualität, ausgegeben | |
| werden. Ich erinnere daran, dass mehrere Bundesländer in der Vergangenheit | |
| Gelder aus dem damaligen Gute-Kita-Gesetz in die Gebührenfreiheit gesteckt | |
| haben und das teils heute noch tun. Das war ein Fehler. Die Ampel hat dann | |
| auf Drängen der Grünen diese Möglichkeit bei Folgegesetzen wieder | |
| eingeschränkt. Darauf sollte auch die nächste Bundesregierung beharren. | |
| taz: Und wie sollten die einzelnen Länder die Mittel am besten einsetzen? | |
| Kalicki: In den ostdeutschen Bundesländern beispielsweise führen die | |
| niedrigen Geburtenraten der vergangenen Jahre zu der Chance für eine | |
| bessere Betreuungssituation. Voraussetzung dafür aber ist, dass die Länder | |
| ihre Personalschlüssel ändern und damit mehr Geld für die Personalkosten | |
| der Träger bereitstellen. Diesen Weg könnte der Bund mit verbindlichen | |
| Vorgaben unterstützen. | |
| taz: Aktuell scheinen die Landesregierungen im Osten diese Chance zu | |
| verpassen. In Sachsen beispielsweise mussten manche Kommunen sogar schon | |
| Personal entlassen, weil plötzlich „zu viele“ Betreuer:innen pro Kind | |
| angestellt waren. Gleichzeitig [3][fehlen bundesweit in jeder Kita im | |
| Schnitt mehr als zwei Fachkräfte]. Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, um | |
| Fachkräfte dauerhaft zu gewinnen? | |
| Kalicki: In Westdeutschland erwarten wir den Peak im Personalmangel im Jahr | |
| 2030. Deshalb wäre hier sinnvoll, den Bedarf kurzfristig über vermehrte | |
| Quereinsteiger oder nachzuqualifizierendes Personal abzudecken. | |
| Mittelfristig aber muss der Beruf attraktiver werden. Zum Beispiel, indem | |
| wir akademische Ausbildungswege für Kita-Leitungen oder andere | |
| Funktionsstellen anbieten und das Personal entlasten, das jetzt schon im | |
| System ist. | |
| Damit Leitungen und Teams nicht so verbrennen, brauchen wir etwa | |
| Verwaltungskräfte, die den Kitas die vielen nicht pädagogischen Arbeiten | |
| wie Dienstpläne oder Kostenabrechnungen abnehmen. Da sind andere Länder | |
| schon deutlich weiter als Deutschland. | |
| taz: Als konkrete Maßnahmen wollen Union und SPD [4][das Bundesprogramm | |
| Sprachkitas wieder auflegen und das Startchancen-Programm für sogenannte | |
| Brennpunktschulen auf Kitas ausweiten]. Beide Programme sollen die | |
| ungebrochen hohe Chancenungleichheit im Land ausgleichen. Welchen Impact | |
| erwarten Sie? | |
| Kalicki: Beide Ansätze sind sicher sinnvoll. Wir dürfen nicht vergessen, | |
| dass vor allem jene Kinder in den Kitas profitieren, die zuhause keine | |
| förderliche Lernumgebung haben. Die Sprachkitas sind da wichtig, weil sie | |
| gezielt die frühe Sprachförderung adressieren, die Startchancen-Kitas | |
| sollen in den Sozialraum hineinwirken. Trotzdem bin ich skeptisch, was die | |
| Wirkung betrifft. Das liegt daran, dass Bundesprogramme zeitlich begrenzt | |
| laufen und in der Regel parallele Strukturen schaffen. Ich bezweifle aber, | |
| dass die bundesweit angezielte Qualität schon in vier oder zehn Jahren | |
| erreicht ist. | |
| taz: Was wäre die Alternative? Keine Bundesprogramme? | |
| Kalicki: Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn der Bund den Ländern im | |
| Rahmen eines Qualitätsentwicklungsgesetzes Geld zur Verfügung stellt. | |
| Aufbauend auf der gemeinsamen Arbeitsgruppe Frühe Bildung, die seit vielen | |
| Jahren bereits gut zusammenarbeitet, könnten dann konkrete | |
| Zielvereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern ausgearbeitet werden. | |
| taz: Einer der Punkte, auf die sich Union und SPD noch nicht geeinigt | |
| haben, ist das kostenlose Mittagessen für Kita- und Schulkinder. Die SPD | |
| will es, CDU/CSU sind dagegen. Was halten Sie davon? | |
| Kalicki: Ich halte das ehrlich gesagt für Verschwendung. Das kostenlose | |
| Mittagessen wäre eine sozialpolitische Maßnahme. Ich verstehe nicht, warum | |
| man nicht die Eltern an den Kosten beteiligt, die sich das locker leisten | |
| können. Sonst werden Milliarden zum Fenster rausgeschmissen. Elf Milliarden | |
| Euro würde das Mittagessen im Jahr kosten. Also mehr, als für Investitionen | |
| in Kitas als Bildungsort zur Verfügung stünde. Das fände ich unsäglich. | |
| 28 Mar 2025 | |
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| Ralf Pauli | |
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