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# taz.de -- Die gefährlichsten Figuren um Trump: Gottes Reich und Voughts Beit…
> Mit Trump kam in den USA ein christlicher Nationalismus an die Macht. Ist
> dessen Sprecher Russel Vought der eigentliche Macher des
> Regierungsumbaus?
Bild: Musk ist hyperaktiv, er leitet im Hintergrund: Russell Vought
Noch vor der US-Präsidentschaftswahl, im Oktober 2024, veröffentlichte die
unabhängige Agentur für investigativen Journalismus, Pro Publica, ein
Dossier über eine der gefährlichsten Figuren im Umfeld von Donald Trump:
Russel Vought. Grundlage des Exposés waren private Videoaufnahmen einer
Rede Voughts vor dem von ihm selbst gegründeten konservativen Thinktank
Center for Renewing America.
Die Dinge, die Vought da sagte, klangen so haarsträubend, dass sie kaum
jemand ernst nahm. Vought, der in Trumps erster Amtszeit das wenig sexy
klingende „Büro für Haushalts Management“ leitete, blieb eine kaum
beachtete Figur. Zu Unrecht, wie man jetzt sehen muss.
Vought ist jetzt erneut Direktor der Budgetbehörde und als solcher noch
wesentlich unmittelbarer als der im Rampenlicht stehende Elon Musk für den
[1][radikalen Abbau des US-Staatsapparats] verantwortlich.
## Thinktank für Schattenheer
Sein Thinktank, den er unmittelbar nach der ersten Amtsperiode Trumps
gründete, hat sich vier Jahre lang mit nichts anderem beschäftigt, als die
Eliminierung der Bundesverwaltung vorzubereiten, jeden einzelnen der mehr
als zwei Millionen Staatsangestellten unter die Lupe zu nehmen und ein
Schattenheer von Loyalisten aufzustellen, um den bisherigen Staatsapparat
zu ersetzen.
Das alles legte Vought bei seiner Rede im vergangenen Herbst in klaren
Worten dar. Er möchte, dass die Bürokraten „traumatisiert“ werden, sagte
er. Aber die Rhetorik des studierten Juristen ging noch weiter. Der
„Transgender-Abschaum“ müsse aus den Schulen und Institutionen
herausgespült werden. Der Präsident müsse wieder die Macht erhalten, um
wirklich zu regieren, und das beinhalte auch, das Militär gegen politische
Gegner einzusetzen, wenn nötig. Die verurteilten Rebellen des 6. Januar
2021 bezeichnete er als „politische Gefangene“.
Seine Vision für Amerika artikulierte Vought zum Abschluss so: „Das Land
ist schon lange zu weltlich geworden, man muss die Nation wieder unter Gott
einen.“ Und dafür sei niemand besser geeignet als Donald Trump. „Er ist ein
Geschenk des Herrn.“
Die letzten Bemerkungen outeten Voughts radikale religiöse Agenda, die
nicht wenige als die Errichtung einer Theokratie in den USA bezeichnen und
die jetzt, da das Gerede um den Rückzug von Musk lauter wird, stärker in
den Fokus gerät. Es regt sich der Verdacht, dass Musks Stunt als Chefsparer
vor allem dazu gedient hat, vom weitaus gefährlicheren eigentlichen Macher
des Regierungsabbaus abzulenken. So sagt Simon Rabinovitch,
Washington-Korrespondent des Economist: „Musk ist hyperaktiv. Aber
derjenige, der alles leitet, ist Vought. Er ist der General.“
## Ziel ist ein christliches Amerika
In Statements auf der Website seines Thinktanks bekennt sich Vought zwar
formal zur Religionsfreiheit in Amerika sowie zur Trennung zwischen Staat
und Kirche. Das bedeute jedoch nicht, dass der Einfluss des Christentums
auf Gesellschaft und Politik beschnitten werden dürfe. Im Gegenteil,
schreibt Vought, ein christliches Amerika sei zum Vorteil aller.
Rechte und Pflichten des Einzelnen leitet er aus der Bibel ab und nicht aus
der Verfassung, und im Endkampf gegen die „Marxisten und Faschisten“ werde
er, sobald er wieder Teil der Regierung sei, alle Institutionen des Staates
zur Durchsetzung christlicher Werte instrumentalisieren. Dazu gehöre
selbstverständlich der Kampf gegen Abtreibung, gegen LGBTQ-Rechte sowie
gegen Verhütung.
Vought bezeichnet sich als „christlichen Nationalisten“. Die Mobilisierung
evangelikaler Christen durch die republikanische Partei ist nichts Neues in
den USA. Spätestens der Schulterschluss zwischen Ronald Reagan und der
„Moral Majority“ des TV-Predigers Jerry Falwell im Jahr 1980 besiegelte das
Bündnis zwischen der Partei und konservativen weißen Christen insbesondere
im Süden der USA.
## Apokalyptische Rhetorik der Prediger
Die Rhetorik von Predigern wie Falwell und Billy Graham, die per Radio und
TV Millionen Anhänger erreichten, war damals schon apokalyptisch. Als
Reaktion auf den Freigeist der 60er Jahre und die zunehmende
Säkularisierung des Landes forderten sie eine moralische Erneuerung.
Falwell sagte bereits 1980, dass Amerika am Abgrund stehe, die einzige
Rettung seien Reagan und die republikanische Partei.
Es war eine Rhetorik, die noch älter war als die Nation. Schon die Gründung
der puritanischen Siedlungen in Neuengland sollte die Menschheit vor dem
moralischen Verfall der alten Welt retten. Die puritanische Version des
amerikanischen Projektes war die Erlösung. Ein Denken, das in Amerika nie
ganz verschwunden ist. Es durchzog die religiöse und moralische
Erneuerungsbewegung im 18. und 19. Jahrhundert und bildet in seiner
säkularisierten Version die Grundlage für den amerikanischen
Exzeptionalismus.
Was die relativ junge Bewegung der christlichen Nationalisten antreibt, hat
jedoch eine ganz neue Qualität. Ihr Begründer, der einstige Missionar und
Theologe C. Peter Wagner, formulierte Ende der 90er Jahre das Dogma des
„Dominionism“.
## Gottes Reich auf Erden errichten
In der „Neuen Apostolischen Reformation“, so Wagner, seien gläubige
Christen dazu aufgerufen, nicht mehr auf das Kommen des Erlösers zu warten.
Sie werden vielmehr in die Pflicht genommen, Gottes Reich auf Erden sofort
zu errichten, indem sie Kontrolle über alle wichtigen gesellschaftlichen
Bereiche übernehmen: Familie, Religion, die Medien, Kunst und Unterhaltung,
die Wirtschaft und die Bildung.
Laut dem Journalisten Tim Alberta, Autor des Buchs über „American
Evangelicals in an Age of Extremism“, blieb die neue apostolische
Reformation innerhalb der evangelikalen Bewegung eine Randerscheinung, bis
2008 Barack Obama gewählt wurde. Ein rasant wachsender Anteil weißer
evangelikaler Christen sah in ihm den Vorboten des Antichristen. Die
Botschaft, dass man sich politisch drastisch einmischen müsse, um die Seele
der Nation, ja der Menschheit zu retten, fiel auf fruchtbaren Boden.
Bis zur Wahl 2016 hatten Domionisten dann ein mächtiges Netzwerk errichtet.
Es gab ein paralleles, gut funktionierendes Netzwerk an Medien, das vom
urbanen Mainstream kaum wahrgenommen wurde. Die Predigten in den Bibelshows
und Kirchen wurden immer politischer. Und das Netzwerk war hervorragend
finanziert.
## Evangelikale für Trump
Der Schulterschluss mit Trump war zunächst ein strategischer, mit dem sich
angesichts von Trumps Lebenswandel viele Christen nicht wohlfühlten. Doch
Trump versprach ihnen [2][die Besetzung des obersten Gerichtshofs mit
konservativen Richtern] und die Abschaffung der Abtreibung. Das genügte den
weißen Evangelikalen, um 2016 zu mehr als 80 Prozent für Trump zu stimmen.
Inzwischen hat sich ihr Verhältnis zu Trump dramatisch verändert. Die
Prediger in den Kirchen und an den Mikrofonen haben gemerkt, dass die
Politisierung ihrer Theologie ihnen sowohl enormen Zulauf als auch Zugang
zu beträchtlichen finanziellen Mitteln verschafft. Und so hat sich,
weitestgehend unbeachtet von der liberalen urbanen Öffentlichkeit, ein
gigantisches Heer von fanatisch-religiösen Trump-Anhängern gebildet.
Für viele von ihnen ist Trump eine Art Erlöser geworden, der das Königreich
des Herrn auf Erden jetzt und sofort zu errichten bereit ist. So waren
christlich nationale Gruppen maßgeblich am Sturm auf das Kapitol 2021
beteiligt. Ihre Flagge mit einer grünen Tanne auf weißem Grund wehte durch
den besetzten Parlamentssaal. Zuvor waren sie tagelang um das
Regierungsviertel gewandert wie die Israeliten um Jericho, deren Mauern
daraufhin einstürzten.
## Trump der Erlöser
Ob Trump und die christlichen Nationalisten nun tatsächlich Amerika in eine
Theokratie verwandeln, ist freilich zweifelhaft. Doch es steht fest, dass
er in ihrer Schuld steht. So verpasst er keine Gelegenheit, das Christentum
als eigentliche amerikanische Religion zu bezeichnen und Amerika als
christliche Nation. Anhänger anderer Religionen sind implizit
unamerikanisch.
Was genau Christentum in diesen Zeiten bedeutet, liegt wiederum ganz in der
Deutungshoheit von Trump, der sich selbst als den „Auserwählten“
bezeichnet. Christlich ist demnach alles, was Trump tut.
Weniger extremistische Christen, Anhänger der schwarzen evangelikalen
Tradition etwa, erkennen sich darin freilich nicht wieder. „Es ist eine
Perversion des christlichen Glaubens“, sagt etwa der schwarze Theologe
William Barber. Die christlichen Nationalisten stellten Hass und Gewalt an
die Stelle von Nächstenliebe und Mitgefühl.
Die Journalistin Katherine Stewart, Autorin eines Buches über christlichen
Nationalismus, schreibt: „Ziel der christlichen Nationalisten ist es
allein, die Demokratie auszuhöhlen, bis nichts mehr übrig ist als ein
dünner Deckmantel für eine scheinheilige Elite, deren Macht durch nichts
mehr in Schach gehalten wird.“ Der Weg dorthin hat schon lange begonnen.
Ein Großteil Amerikas hat es erst gemerkt, als es zu spät war.
13 Apr 2025
## LINKS
[1] /Umbau-der-USA-unter-Trump/!6077167
[2] /Trumps-Angriff-auf-die-Justiz/!6077323
## AUTOREN
Sebastian Moll
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